Mit der Kraft der Worte
Barbara Pachl-Eberhart verlor ihren Mann und ihre beiden kleinen Kinder bei einem Unfall. In dieser schweren Zeit entdeckte sie die Kraft des Schreibens. Heute gibt sie ihr Wissen weiter.
WIEN. Der 20. März 2008 hat das Leben von Barbara Pachl-Eberhart für immer verändert: Der Wagen, in dem ihr Mann Helmut und ihre beiden Kinder Thimo (6) und Valentina (22 Monate) unterwegs sind, prallt in der Steiermark gegen einen Zug. Sie verliert ihre gesamte Familie bei dem Unglück.
Wenige Tage später schreibt sie eine lange E-Mail an ihre Freunde, auf acht Seiten formuliert sie ihre Gefühle. Pachl-Eberhart entdeckte damals, welche Kraft in geschriebenen Worten steckt. „Das gehört von Anfang an zu meiner Schreibgeschichte: Texte haben eine Wirkung auf einen selbst, wenn man schreibt, aber auch auf die Menschen, die es lesen. Damals waren das die Empfänger der E-Mail. Dadurch habe ich von Anfang an gestaltend geschrieben: Wie will ich meine Geschichte, das Schreckliche, das passiert ist, in Worte fassen, wie will ich gesehen werden?“Sie traf eine wichtige Entscheidung. „Ich habe mich für ein Bild entschieden, das nicht im Trübsal versinkt, sondern eine Frau zeigt, die in der Lage ist, auch in diesem Zustand noch Wünsche zu äußern.“
Sie kämpfte sich zurück ins Leben, über eine lange Zeit. Das Schreiben hat ihr dabei geholfen, die Sprachlosigkeit nach dem Schicksalsschlag zu überwinden. In zwei Büchern verarbeitete sie den Verlust ihrer Familie und hat damit auch unzähligen anderen Menschen geholfen („vier minus drei“und „Warum gerade du?“). Heute sagt sie: „Ich bezeichne mich nicht mehr als trauernden Menschen. Dann müsste ich auch um meine geliebte Oma trauern, die starb, als ich 25 Jahre alt war. Vor zwei, drei Jahren habe ich beschlossen, dass ich das ablege. Ich habe eine verstorbene Familie, sie geht mir manchmal ab, ich liebe sie heiß. Ich würde das nicht mehr als Trauer bezeichnen.“
Aber auch ihr heutiger Ehemann, der Schauspieler Ulrich Reinthaller, half ihr durch die schwierige Zeit. Sie lernte ihn wenige Monate nach dem Tod ihrer Familie kennen. Die beiden wurden ein Paar. Das stieß auf Unverständnis. „Die Vorwürfe waren so massiv, dass es mir leichtgefallen ist, sie als absurd zurückzuschieben. Ich habe Mails bekommen, in denen stand, dass ich auf ewig in der Hölle schmoren werde oder dass ich überhaupt nicht getrauert hätte. Was meinen Mann angeht, weiß ich hundertprozentig, dass es von Anfang an richtig war.“Erst durch ihn sei es ihr möglich gewesen, wirklich zu trauern. Er nahm ihre Vergangenheit und ihre Familie an. „Er sagt manchmal: Wir sind eine Patchworkfamilie mit ein paar Unsichtbaren.“
Der Tod hat für Pachl-Eberhart vor allem eine mahnende und bewusstmachende Funktion. „Er erinnert mich daran, dass alles, was ich erlebe, sehr kostbar ist.“Und vor allem soll etwas Gutes von ihr zurückbleiben. „Ich frage mich: Wenn ich in der Situation, in der ich gerade bin, einen Herzinfarkt hätte, wäre das okay oder wäre das eher peinlich? Zum Beispiel, wenn ich meinen Mann auf offener Straße anschreie. Und ich sage: Nein, ich will nicht, dass das das letzte Bild ist, das von mir bleibt.“
Lernen und Lehren haben die heute 43-Jährige ihr ganzes Leben lang begleitet: Sie studierte Querflöte, machte eine Ausbildung zur Volksschullehrerin, war neun Jahre lang bei den Rote Nasen Clowndoctors in Graz und Wien. Den Beruf gab sie nach dem Verlust ihrer Familie auf. Sie absolvierte dann eine Ausbildung zur akademischen Atempädagogin, in Poesie- und Bibliotherapie sowie zur Lebens- und Sozialberaterin und machte ein Zertifikat für Dialogprozessbegleitung. Sie hält Vorträge und Seminare.
Nun ist ihr neues Buch „Federleicht“erschienen, das viele spielerische Schreibübungen bereithält. Am Schreiben schätzt sie, auf diese Weise die Gedanken „außerhalb des Kopfes an einen Platz zu bringen“. Als magisch bezeichnet sie die Möglichkeit, Texte umgestalten zu können. „Wenn ich biografische Texte überarbeite, kann ich auch mein Leben überarbeiten – die Sicht darauf, die Art, wie ich darüber denke. Und das ist die Hauptsache, warum ich das Schreiben weitergebe und selbst so liebe: das Überarbeiten. Weil man ständig daran feilen und es schöner machen kann, um noch besser hinter sich und seiner Geschichte zu stehen.“
Für die Wienerin hat nun ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Im März 2017 kam ihre Tochter Erika Johanna zur Welt. „Sie ist ein richtiger Sonnenschein und hat eine Art zu lachen, als ob sie sagen würde: ,Ich weiß eh, dass das ganze Leben ein Witz ist. Und ich genieße ihn jetzt mal.‘“ SN-Info: