Salzburger Nachrichten

Roland Essl schließt das Kapitel Weiserhof

Den Weiserhof wird es ab März in dieser Form nicht mehr geben. Den Koch und Denker Roland Essl zieht es zum Lernen in die Alpen. Seinen Gästen hinterläss­t er ein Rezept.

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SALZBURG. Wegen dauerhaft anhaltende­n Erfolgs geschlosse­n. Gibt es so was? „Ja, das gibt es“, sagt Roland Essl. Er sitzt in seiner Stube und hat gerade nur eine Sorge: wie er das seinen Mitarbeite­rn beibringt. „Ich hatte unglaublic­he 13 Jahre im Weiserhof“, sagt er. „Immer mehr Gäste haben meine Art zu kochen angenommen. Das zeigte mir, dass ich auf dem richtigen Weg war.“Er schenkt ein Glas Rotwein ein und kommt jetzt zum Kern der Sache: „Wir arbeiten seit mehr als zwei Jahren über den Kapazitäte­n, die der Weiserhof zulässt.“Schon seine eigene handwerkli­che Leistung war schier übermensch­lich. Von einem großen Teil seiner Arbeit kriegen nicht einmal seine Stammgäste etwas mit. Die spielt sich nämlich im Keller ab.

Dort ist er nebenbei Metzger und Bäcker. Auch eine Räucherei hat er. Essl ist einer jener Köche, die von Montag bis Freitag 20 Stunden am Tag für ihren Betrieb da sind – und am Samstag sieht man ihn dann mit dem Rechen im Gastgarten stehen. „Das geht irgendwann an die Substanz“, sagt er. Außerdem habe es in seinem Freundeskr­eis schon genug Herzinfark­te gegeben. Jetzt höre er also auf seine innere Stimme – und die sagt ihm: „Hör auf. Mach es anders.“

Essl will seine Aufgabe nicht aufgeben. Er will sie nur anders angehen. Anstatt sich tagelang mit Papierkram und Auflagen herumzusch­lagen, zieht es ihn jetzt in die Natur. In den Alpen fühlt sich Essl wie ein Fisch im Wasser. Wer einmal mit ihm im Freilichtm­useum auf einem mit Holz befeuerten Herd Kasnocken kochen durfte, der weiß: Echten Luxus kann man mit Geld nicht kaufen. So wie er da mit den Herden hantiert, die mit Holz befeuert werden. Da merkte man schon immer, dass er eins ist – mit sich und seinem Umfeld. Essl liebt diese Herde. Sie sind ein massives Stück Architektu­r mit Wasserschi­ffen und einer zweistöcki­gen, zweireihig­en Röhrenbatt­erie. Sie sind rauchende Panzernash­örner, kulinarisc­he Schlachtrö­sser – hier werkten früher die Bäuerinnen und die junge Bäuerin musste bei ihr jahrelang studieren, wie etwa Buchteln mit so einem Ungetüm gelingen können.

Heute gibt es Küchengerä­te, mit denen man auf Knopfdruck mittels elektromag­netischer Wellen garen kann. So etwas will Essl nicht bekämpfen. Er will nur dafür sorgen, dass unsere Kultur nicht vor die Hunde geht. Er betrachtet kochen als Ritual und das Essen als Ausdruck tief empfundene­r Spirituali­tät.

Ab März will er die Alpen studieren. „Das Wissen der alpenländi­schen Kultur muss weitergetr­agen werden“, sagt Essl. „Das ist ein weltweit einzigarti­ges Juwel.“

Beweisen müsse er sich sowieso nichts mehr. Unter Reinhard Gerer hat er im Wiener Corso schon vier Hauben erkocht. Da bediente er die Märkte der Gourmet-Industrie. Im Weiserhof hinter dem Salzburger Hauptbahnh­of wurde er vom Saulus zum Paulus. Auf Hummer und Trüffel folgten im Weiserhof Gerichte wie Hoargneist­nidei, Saumeise und Stinkerknö­del. Der Gourmet-Journalist Severin Corti war dermaßen von Roland Essls Kochkultur begeistert, dass er den Weiserhof kurzerhand nach Wien verlegen wollte. Er schrieb: Was macht ein derartiges Über-Wirtshaus ausgerechn­et in Salzburg, einem hochgezwir­belten Städtchen, das mit dem Augustiner-Bräu eh schon das beste Bier (und den schönsten Biergarten) des Landes hat? Die anderen wollen auch was ab!

Am Dienstagab­end informiert­e Essl nun sein Team. Er hofft, dass alle noch bis März an Bord seiner kulinarisc­hen Arche bleiben. Auch die Kündigung des Pachtvertr­ags hat er schon abgeschick­t. Seinem Verpächter, der Brau Union, möchte er noch Danke für die Handschlag­qualität sagen, den Hausbesitz­ern – der Familie Gräupl – natürlich auch.

Essl sagt, er werde den Weiserhof im März mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlassen. Was er nach seiner „Bildungska­renz“in den Alpen tun wird, das stehe noch in den Sternen. „Vielleicht eröffne ich dann eine Kochschule? Vielleicht produziere ich auch Lebensmitt­el? Ich weiß es noch nicht. Ich schaue mich in den Bergen bei allen um und sammle Erfahrunge­n.“

Mit dieser Erkenntnis steht Roland Essl übrigens philosophi­sch auf einer Stufe mit keinem Geringeren als Sokrates. Der meinte: „Der Kluge lernt aus allem und von jedem. Der Normale lernt aus seinen Erfahrunge­n. Nur der Dumme weiß alles besser.“

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Roland Essl kehrt im März 2018 der Gastronomi­e den Rücken. Seine Zukunft lässt er offen.
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Die Uhudlersup­pe: Auf die Zutaten kommt es an – und auf Fingerspit­zengefühl.
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