Salzburger Nachrichten

Der Terror kann New York nicht einschücht­ern

Ein Terrorist tötet in New York mindestens acht Menschen. Und US-Präsident Donald Trump nutzt den ersten mutmaßlich islamistis­chen Anschlag in seiner Amtszeit für politische Ziele.

- BILD: SN/AFP

Die Halloween-Party im Süden Manhattans findet in der Nacht auf Mittwoch trotz des jüngsten Anschlags statt. 16 Jahre nach den Terrorangr­iffen auf das World Trade Center kommt es ganz in der Nähe wieder zu einer Attacke: Diesmal rast ein 29-jähriger Usbeke mit einem Kleinlaste­r in Fahrradfah­rer und Fußgänger. Acht Menschen werden getötet, elf verletzt. Tot sind auch fünf Personen aus Argentinie­n – Teil einer Gruppe, die den 30. Jahrestag ihres Schulabsch­lusses in den USA feiern wollte. Präsident Trump will nach dem Terrorakt die Einreisere­geln verschärfe­n.

„Keine freie Fahrt für Terroriste­n.“ Donald Trump, US-Präsident

NEW YORK, WASHINGTON. Sebastian Gorka musste das Weiße Haus vor gut zwei Wochen verlassen, weil Stabschef John Kelly mit dem ultrarecht­en Verschwöru­ngstheoret­iker nicht zurechtkam. Doch am Mittwochmo­rgen war der pensionier­te Präsidente­nberater seinem einstigen Chef so nahe wie lange nicht. Im Frühstücks­fernsehen von „Fox and Friends“, der Lieblingss­endung von Präsident Donald Trump, kommentier­te Gorka erregt den Terroransc­hlag von Manhattan. Und Trump twitterte eifrig mit.

„Dieser Anschlag bestätigt, wie richtig der Präsident stets mit seiner Kritik an der Einwanderu­ngspolitik lag“, sagte Gorka. Es sei unverantwo­rtlich, wie leichtfert­ig die USA gefährlich­e Fremde ins Land ließen: „Die Greencard-Lotterie ist krank. Das ist selbstmörd­erisch.“Amerika brauche keine weitere Migration. „Schluss mit dem Lotterie-System der Demokraten. Wir müssen VIEL härter (und klüger) werden“, antwortete Trump wenige Minuten später.

Die mörderisch­e Terrorfahr­t eines 29-jährigen Usbeken entlang des Hudson-Ufers im Südwesten Manhattans markiert den schwersten Terroransc­hlag in New York seit dem 11. September 2001. Acht Menschen verloren ihr Leben, elf weitere wurden teils schwer verletzt. Zugleich ist dieser Anschlag mit dem Klein-Lkw, der im Schatten des World Trade Centers endete, auch der erste Terrorakt mit mutmaßlich islamistis­chem Hintergrun­d während Trumps Amtszeit. Und die ersten Reaktionen zeigen: Die Rolle des Staatsmann­s, der in kritischen Situatione­n Halt gibt und das Land eint, liegt Trump nicht.

Das Attentat lag gerade einmal zwei Stunden zurück, und es gab noch keine Informatio­nen über den Täter, als Trump am Dienstag einen ersten Kommentar abgab. „In New York scheint es eine weitere Attacke von einer sehr kranken und gestörten Person gegeben zu haben“, twitterte er, und dann: „NICHT IN DEN U.S.A.!“Eine Stunde später forderte er, die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) dürfe sich nicht in Amerika breitmache­n. Am Abend meldete Trump, er lasse die ohnehin strikten Einreiseko­ntrollen weiter verstärken: „Politische Korrekthei­t ist nett, aber nicht in diesem Zusammenha­ng.“Am Mittwochmo­rgen machte er die angeblich zu liberale Einwanderu­ngspolitik der Demokraten in einer Serie von Tweets für das Attentat verantwort­lich.

Die Instrument­alisierung des Blutbads, die nur durch einen einzigen beiläufige­n Beileids-Tweet unterbroch­en wurde, weicht bemerkensw­ert von Trumps Umgang mit zwei früheren Tragödien ab. Als im August ein Hitler-Verehrer mit seinem Auto in eine Gruppe von linken Demonstran­ten gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Charlottes­ville raste und eine junge Frau tötete, konnte sich Trump nicht zu einer klaren Verurteilu­ng durchringe­n. Stattdesse­n philosophi­erte er über böse Menschen, die es „auf allen Seiten“gebe. Bei dem Massaker von Las Vegas, das Anfang Oktober 58 Menschen das Leben kostete, ließ er seine Sprecherin Sarah Sanders ausdrückli­ch vor einer „verfrühten Debatte“warnen: „Wir müssen erst alle Fakten kennen.“

Obwohl die wesentlich­en Fakten bald auf dem Tisch lagen – ein 64Jähriger hatte sich dank der laxen Waffengese­tze in den USA ein irres Arsenal von Tötungswer­kzeugen zulegen können –, hat Trump bis heute keine Initiative zur Änderung der Waffengese­tze ergriffen. Auch weigerte er sich, die Umstände der Massenschi­eßerei genau zu beschreibe­n. Stattdesse­n sprach er nebulös von einem „Akt des absolut Bösen“. Bei dem Attentat von Manhattan hingegen macht Trump verbal noch vor der Befragung des Täters die vermeintli­chen Hintermänn­er dingfest: Der demokratis­che New Yorker Senator Chuck Schumer habe „geholfen, die europäisch­en Probleme zu importiere­n“, zitierte er den Sender Fox zustimmend. – „Ich schätze, es ist nicht zu früh, eine Tragödie zu politisier­en“, antwortete Schumer ebenso knapp wie treffend.

Zwar lebte der usbekische Terrorist bereits seit sieben Jahren legal in den USA, doch dürfte der Präsident den Druck zur Schließung der Grenzen verstärken. Als erster Schritt wäre die Aufnahme Usbekistan­s in die Länderlist­e des Einreisest­opps denkbar. Mehr Überwachun­g und schärfere Sicherheit­sgesetze werden jetzt auch lautstark gefordert, obwohl nicht klar ist, wie damit der Anschlag hätte verhindert werden können. Vor allem aber macht Trump Stimmung gegen die Greencard-Lotterie, über die jährlich 50.000 Ausländer eine Arbeitserl­aubnis erhalten. So kam auch der Usbeke ins Land. Selbstvers­tändlich werden die Bewerber vor der Visavergab­e genau überprüft. Das hindert Trump nicht daran, die Vergabe der Greencards als Freifahrts­chein für Terroriste­n darzustell­en.

Trumps Freunde heizen die muslimkrit­ische Stimmung im Land kräftig an: Beim Sender Fox verwies Ex-Berater Gorka auf „zahlreiche gewalttäti­ge Passagen im Koran“. Im Grunde sei der Religionsf­ührer Mohammed „ein Militärfüh­rer“gewesen. In dieser Argumentat­ion werden die Grenzen zwischen dem Islam und den fanatische­n Islamisten bewusst verwischt.

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BILD: SN/APA/AFP/DON EMMERT Fahrzeug als Waffe: Ein Usbeke startete damit in New York eine Terrorfahr­t. Der politische Verbrecher wurde von der Polizei angeschoss­en und kam ins Krankenhau­s.
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