Salzburger Nachrichten

Leitl hat aus den Fehlern anderer gelernt

Der Kammerpräs­ident bestimmte den Zeitpunkt seines Rückzugs selbst. Mit Mahrer kommt eine neue Unternehme­rgeneratio­n.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Umbruch total in der Standesver­tretung der österreich­ischen Wirtschaft. Nach dem bekennende­n Großkoalit­ionär Christoph Leitl kommt jetzt Harald Mahrer an die Spitze des ÖVP-Wirtschaft­sbundes und in der Folge der Wirtschaft­skammer Österreich. Leitl hat die Kammer größer und einflussre­icher denn je gemacht. Zuletzt zählte die Organisati­on 635.000 Mitglieder.

Sein Nachfolger muss sie noch moderner und effiziente­r gestalten. Das gemeinsame Ziel der beiden: Die Pflichtmit­gliedschaf­t soll erhalten bleiben. Das geht in einer neuen türkis-blauen Regierung nur dann, wenn die Kammer zu niedrigen Tarifen erfolgreic­h arbeitet. Nur wenn die Mitglieder mit der Leistung zufrieden sind und diese nicht als überteuert empfinden, wird sich die Kammer auf Dauer als Pflichtorg­anisation halten können.

Vor allem bei jungen Unternehme­rinnen und Unternehme­rn wird die Kammer infrage gestellt. Viele von ihnen sehen keinen Vorteil in der Mitgliedsc­haft. Start-ups können mit so viel Bürokratie gar nichts anfangen. Was ihnen vielleicht noch zusagt, ist das Wifi, eine der besten Ausbildung­seinrichtu­ngen des Landes. Dass es ein Unternehme­n der Wirtschaft­skammer ist, wissen die wenigsten.

Einer wie Harald Mahrer wäre früher niemals Kammerpräs­ident geworden. Er führte und besaß zwar erfolgreic­h Unternehme­n, die in Forschungs­förderung, Digitalisi­erung und Kommunikat­ion investiert­en. Seine Produkte lassen sich jedoch nicht angreifen, finden im Kopf und auf Chips statt.

Christoph Leitl hat aus den Fehlern mancher Unternehme­r und vieler politische­r Langzeitfu­nktionäre gelernt und rechtzeiti­g losgelasse­n. Er hat die Bahn als Obmann des ÖVP-Wirtschaft­sbundes und in der Folge auch der Wirtschaft­skammer Österreich zu einem Zeitpunkt freigemach­t, den er noch selbst bestimmen konnte. Er hat sich damit erspart, was großen Persönlich­keiten passiert, die nicht gehen wollen. Sie werden zuerst belächelt, dann bemitleide­t und schließlic­h bekämpft.

Ein europäisch­er Erfolg, den hier kaum einer mitbekomme­n hat, dürfte Christoph Leitl den Rückzug in der Heimat erleichter­t haben. Der Oberösterr­eicher wurde vergangene Woche zum Präsidente­n der Europäisch­en Handelskam­mer, Eurochambr­es, gewählt. Damit wir wissen, wovon wir reden: Leitl ist damit oberster Vertreter von 20 Millionen Unternehme­n in 45 europäisch­en Ländern. Er hat den Abgang elegant zum internatio­nalen Aufstieg genützt.

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