Leitl hat aus den Fehlern anderer gelernt
Der Kammerpräsident bestimmte den Zeitpunkt seines Rückzugs selbst. Mit Mahrer kommt eine neue Unternehmergeneration.
Umbruch total in der Standesvertretung der österreichischen Wirtschaft. Nach dem bekennenden Großkoalitionär Christoph Leitl kommt jetzt Harald Mahrer an die Spitze des ÖVP-Wirtschaftsbundes und in der Folge der Wirtschaftskammer Österreich. Leitl hat die Kammer größer und einflussreicher denn je gemacht. Zuletzt zählte die Organisation 635.000 Mitglieder.
Sein Nachfolger muss sie noch moderner und effizienter gestalten. Das gemeinsame Ziel der beiden: Die Pflichtmitgliedschaft soll erhalten bleiben. Das geht in einer neuen türkis-blauen Regierung nur dann, wenn die Kammer zu niedrigen Tarifen erfolgreich arbeitet. Nur wenn die Mitglieder mit der Leistung zufrieden sind und diese nicht als überteuert empfinden, wird sich die Kammer auf Dauer als Pflichtorganisation halten können.
Vor allem bei jungen Unternehmerinnen und Unternehmern wird die Kammer infrage gestellt. Viele von ihnen sehen keinen Vorteil in der Mitgliedschaft. Start-ups können mit so viel Bürokratie gar nichts anfangen. Was ihnen vielleicht noch zusagt, ist das Wifi, eine der besten Ausbildungseinrichtungen des Landes. Dass es ein Unternehmen der Wirtschaftskammer ist, wissen die wenigsten.
Einer wie Harald Mahrer wäre früher niemals Kammerpräsident geworden. Er führte und besaß zwar erfolgreich Unternehmen, die in Forschungsförderung, Digitalisierung und Kommunikation investierten. Seine Produkte lassen sich jedoch nicht angreifen, finden im Kopf und auf Chips statt.
Christoph Leitl hat aus den Fehlern mancher Unternehmer und vieler politischer Langzeitfunktionäre gelernt und rechtzeitig losgelassen. Er hat die Bahn als Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes und in der Folge auch der Wirtschaftskammer Österreich zu einem Zeitpunkt freigemacht, den er noch selbst bestimmen konnte. Er hat sich damit erspart, was großen Persönlichkeiten passiert, die nicht gehen wollen. Sie werden zuerst belächelt, dann bemitleidet und schließlich bekämpft.
Ein europäischer Erfolg, den hier kaum einer mitbekommen hat, dürfte Christoph Leitl den Rückzug in der Heimat erleichtert haben. Der Oberösterreicher wurde vergangene Woche zum Präsidenten der Europäischen Handelskammer, Eurochambres, gewählt. Damit wir wissen, wovon wir reden: Leitl ist damit oberster Vertreter von 20 Millionen Unternehmen in 45 europäischen Ländern. Er hat den Abgang elegant zum internationalen Aufstieg genützt.