Salzburger Nachrichten

Im Land der Freiheit radikal geworden

Der New Yorker Attentäter setzt eine sehr schwierige Spurensuch­e in Gang. Reue über das Blutbad zeigt der Islamist nicht.

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WASHINGTON. Ein roter Klinkerbau in einer herunterge­kommenen Straße. Eine US-Fahne an der Tür des Nachbarapp­artements. Andere Bewohner aus Lateinamer­ika oder Asien, die nichts Auffällige­s bemerkt haben – außer vielleicht, dass Sayfullo S. am 22. Oktober mit einem leeren Klein-Lkw durch das Viertel kurvte: Es ist nicht einfach, die Motive des Mannes zu ergründen, der am Dienstag in Manhattan mit dem Fahrzeug acht Menschen tötete und zwölf weitere verletzte.

S. wurde in der muslimisch geprägten Ex-Sowjetrepu­blik Usbekistan geboren und arbeitete dort als Buchhalter in einem Taschkente­r Hotel, bis er bei der jährlichen Greencard-Verlosung eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng für die USA gewann. Im März 2010 verließ der damals 22-Jährige seine Heimat.

Eigentlich wollte S. in der neuen Welt wohl auch in einem Hotel arbeiten. Aufgrund seiner schlechten Englischke­nntnisse fand er aber keinen Job. Also machte er den Führersche­in und heuerte als Fernfahrer an. Zunächst wohnte er in Ohio, dann in Florida und schließlic­h in New Jersey.

2013 heiratete er eine sechs Jahre jüngere usbekische Migrantin und hatte mit ihr drei Kinder. Doch die berufliche­n Träume erfüllten sich nicht. Zuletzt soll S. als Fahrer für den privaten Fahrtenver­mittler Uber gearbeitet haben. Laut „New York Times“erzählte er Bekannten, er wolle nach Usbekistan zurückgehe­n: „Es gibt für mich hier nichts zu tun.“

Offensicht­lich hat sich der Muslim erst in den USA radikalisi­ert. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Usbeke vor etwa einem Jahr mit der Planung des mörderisch­en Anschlags begann. Wie es dazu kam und was in den vergangene­n Monaten passierte, liegt völlig im Dunkeln. Das FBI fand auf seinem Mobiltelef­on 90 Propaganda­videos der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS). Außerdem stellten die Behörden 3800 Bilder sicher, auf denen auch IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi zu sehen ist. Am Tatort wurden handschrif­tliche Notizen gefunden, die den ewigen Fortbestan­d des IS priesen.

Bereits am 22. Oktober hatte sich S. einen Kleinlaste­r geliehen, um das Kurvenfahr­en zu üben. Gegenüber den Ermittlern erklärte er, er habe sich für den Anschlag zu Halloween entschiede­n, weil er an diesem Tag mehr Menschen auf der Straße vermutet habe, die er töten könnte. Das Attentat war genau geplant. „Fast bis auf das i-Tüpfelchen genau“habe sich der 29Jährige an IS-Instruktio­nen aus dem Internet gehalten, erklärte der New Yorker Polizeispr­echer.

Bei der ersten Vernehmung im Spital hat S. seine Tat gestanden und nach Angaben der Ermittler keine Reue gezeigt. Die Staatsanwa­ltschaft stellte Strafantra­g wegen Unterstütz­ung einer ausländisc­hen Terrororga­nisation und gefährlich­en Missbrauch­s von Fahrzeugen. Bei einer Verurteilu­ng droht S. lebenslang­e Haft oder die Todesstraf­e.

„Es ist langweilig hier. Es gibt nichts zu tun für mich.“Sayfullo S., Attentäter von New York

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