Arbeitsmarkt erholt sich auch für Ältere
Im Oktober hat die Zahl der Arbeitslosen in Österreich weiter abgenommen. Wichtiger als der achte Rückgang in Folge ist für Experten aber eine Trendwende bei den bisher größten Problemgruppen.
WIEN. Die positive Entwicklung am heimischen Arbeitsmarkt setzt sich nicht nur fort, sie gewinnt sogar an Dynamik. Im Oktober ist die Zahl der Arbeitslosen (inklusive Schulungsteilnehmer) gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres um 4,6 Prozent gesunken – um 18.922 von 411.951 auf 393.029 Personen. Damit hat sich der seit März anhaltende Rückgang weiter beschleunigt und den starken Rückgang bei den September-Zahlen von 4,3 Prozent noch übertroffen. Rechnet man die 77.307 (+8,6 Prozent) AMSSchulungsteilnehmer weg, fiel der Rückgang der vorgemerkten Arbeitslosen mit –7,4 Prozent noch deutlicher aus. Das ist laut Vorstand des Arbeitsmarktservice AMS, Johannes Kopf, „der stärkste heuer gemessene Rückgang“.
Das Minus zieht sich durch alle relevanten Gruppen. Besonders markant ist es bei den Jüngeren (15 bis 24 Jahre), wo es um 17 Prozent weniger Arbeitsuchende gab als im Oktober des Vorjahres. Auffällig ist auch die Entwicklung bei den Langzeitarbeitslosen. Die absolute Zahl von 56.643 Personen bedeutet zwar gegenüber dem Vorjahresmonat genau besehen ein minimales Plus um 37 Personen. Doch nach Jahren mit markanten Anstiegen bedeute das Miniplus von 0,1 Prozent de facto die erste Stagnation seit Langem, sagt Judith Pühringer.
Als Chefin von arbeit plus, dem Netzwerk gemeinnütziger sozialer Unternehmen in Österreich, liegt ihr Hauptaugenmerk auf den Langzeitarbeitslosen, also jenen, die schon mehr als zwölf Monate vorgemerkt sind. Diese Gruppe hat es besonders schwer am Arbeitsmarkt, mit jedem weiteren Monat ohne Job verfestigen sich die Probleme weiter. „Das wird traumatisch, die Leute sind weg von Sozialstrukturen und sozialer Anerkennung, dazu können noch Depressionen kommen“, sagt Pühringer.
Der jüngste Rückgang bei den Langzeitarbeitslosen ist bedeut- sam. Studien zeigen nämlich, dass ein allgemeiner Rückgang der Arbeitslosigkeit bei den Langzeitbeschäftigungslosen meist mit Verspätung und oft nur in abgeschwächter Form ankommt. Ein Schwerpunkt von arbeit plus, dem Dachverband von rund 200 arbeitsmarktpolitischen sozialen Unternehmen in Österreich, liegt daher in der Wiedereingliederung solcher Menschen in den regulären Arbeitsmarkt. Aktuell beschäftigen die Unternehmen des Netzwerks rund 30.000 Langzeitarbeitslose, die bis zu einem Jahr in sozialen Unternehmen wie diversen Caritas-Läden (Carla), Sozialmärkten (Soma), der Volkshilfe, in Fahrradwerkstätten oder etwa der Halleiner Arbeitsinitiative tätig sind. 40 Prozent davon schaffen im Schnitt die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, die anderen durchlaufen die „Drehtür“aus sozialem Unternehmen, AMSSchulung, Arbeitssuche und erneuter Arbeitslosigkeit.
Die Zahl der betreuten Personen ist seit der Finanzkrise 2008 merklich gestiegen, „auch weil mehr arbeitspolitische Maßnahmen gesetzt wurden“, sagt Pühringer. Das war auch die ursprüngliche Idee der vor 30 Jahren vom damaligen Sozialminister Alfred Dallinger ins Leben gerufenen „experimentellen Arbeitsmarktpolitik“. Der Erfolg solcher Maßnahmen – von arbeit plus bis zur Aktion 20.000 – könne sich sehen lassen, meint Pühringer: Aus ganz Europa kämen Experten nach Österreich, um die hier gesetzten Maßnahmen anzusehen. Auch aus Deutschland, wo sich die Auffassung mehre, dass man mit (den unter dem Namen des damaligen VW-Vorstands zusammengefassten Arbeitsmarktreformen) Hartz IV nicht weit gekommen sei. „Die EinEuro-Jobs haben aus armen Arbeitslosen arme Erwerbstätige gemacht“, sagt Pühringer. Laut Eurostat bezogen 22,5 Prozent der deutschen Angestellten zuletzt nur Niedriglöhne, in Österreich lag dieser Wert mit 14,8 Prozent deutlich darunter. Und in den zehn Jahren bis 2015 verdoppelte sich in Deutschland die Zahl der „working poor“– mit Abstand die größte Zunahme in der EU (in Österreich lag der Anstieg unter 20 Prozent).
Zurück zu den Oktober-Zahlen. Leicht rückläufig war da zum Vorjahr auch die Zahl der älteren Arbeitslosen (–0,7 Prozent), auch sie waren lange Zeit ein großes Sorgenkind am Arbeitsmarkt. Dieser Wert beginne sich „auch endlich zumindest zu stabilisieren“, sagt Kopf. Damit gibt es im Oktober wesentliche Verbesserungen gerade in Gruppen, die den Arbeitsmarktexperten bisher die größten Sorgen bereitet hatten, bei den Jugendlichen, den Älteren und den Langzeitarbeitslosen.
Sosehr diese Zahlen grundsätzlich Anlass zur Freude bei Parteien und Interessenvertretungen aller Couleurs geben, so sehr bieten sie auch reichlich Material, über die Gründe und Ursachen des verstärk- ten Trends zu spekulieren und zu streiten. Während etwa Sozialminister Alois Stöger die Ursachen vor allem in der Arbeitsmarktpolitik der bisherigen Bundesregierung sieht, die mit Maßnahmen wie der Aktion 20.000 für sinkende Arbeitslosenzahlen gesorgt habe, machen andere dafür die großflächig wieder angesprungene Konjunktur verantwortlich.
Judith Pühringer sieht hier keinen Widerspruch, man könne die Faktoren nicht gegeneinander ausspielen. „Auch die sozialen Unternehmen und die ergriffenen Maßnahmen profitieren von der Konjunktur, diese Faktoren greifen gut ineinander“, sagt sie. Daher wäre aus ihrer Sicht jetzt ein guter Zeitpunkt, um das Instrument der sozialen Unternehmen zu stärken – indem man sie freier und unternehmerischer agieren und mit privaten Unternehmen kooperieren lasse. Oder dadurch, dass man Personen länger dort arbeiten lasse, mit degressiven Lohnfördermodellen.
„Können Vorbild sein für Europa.“