Salzburger Nachrichten

Die Liste Pilz muss nun bei null beginnen

Nach dem Rücktritt des Parteigrün­ders: Neuer Name und neuer Chef gesucht.

- MARTIN BEHR

Wenige Tage vor der konstituie­renden Nationalra­tssitzung am Donnerstag steht die Liste Pilz vor einem Scherbenha­ufen. Nach dem Rücktritt ihrer Galionsfig­ur Peter Pilz, der wegen gegen ihn geäußerter Vorwürfe der sexuellen Belästigun­g auf sein Nationalra­tsmandat verzichtet, steht die junge Partei ohne Chef da – und ohne Namen, denn der Name des Parteigrün­ders muss wohl aus der Parteibeze­ichnung gestrichen werden.

Der Parteiname dürfte bis zur Auftaktsit­zung noch nicht geändert werden, den Namen des Parlaments­klubs könne man dann später noch ändern, erklärte Mandatar Wolfgang Zinggl am Sonntag nach einer informelle­n Klubsitzun­g, bei der Peter Pilz nicht anwesend war. Die Sitzung sei „sehr konstrukti­v und amikal“verlaufen, hieß es. „Natürlich ist das ein kurzer Niederschl­ag gewesen, der heftigst war“, meinte Zinggl zum Samstagvor­mittag erfolgten Rückzug des 63-jährigen Parteigrün­ders.

Nun wolle man aber, sagt Zinggl, das Augenmerk nach vorn richten. Unklar ist vorerst aber noch, wer die Geschicke der Liste Pilz in Zukunft leiten wird. Wer als Klubchef der acht Pilz-Abgeordnet­en angedacht ist, wollte Zinggl noch nicht sagen, es gebe mehrere Modelle. Bisher kursierten die Namen Wolfgang Zinggl, Alfred Noll und Bruno Rossmann – alle drei sind enge Pilz-Vertraute – als mögliche Klubchefs.

Der langjährig­e grüne Politiker Peter Pilz war am Samstag zurückgetr­eten, weil er 2013 vor mehreren Zeugen betrunken eine junge Frau begrapscht haben soll. Zurückgewi­esen hat Pilz indes Vorwürfe der sexuellen Belästigun­g seiner ehemaligen Assistenti­n, über die Medien berichtet hatten. Vielmehr stellte er „Rache“seiner Ex-Partei in den Raum, die bei der Wahl Mitte Oktober aus dem Parlament geflogen ist, während er den Einzug mit seiner Liste schaffte.

Liste-Pilz-Abgeordnet­er Peter Kolba bemühte sich am Sonntag, Pilz als Opfer darzustell­en: Auf Facebook sprach er von einer „wohlkoordi­nierten Kampagne in den Medien“, die Pilz zum Rücktritt veranlasst habe. „Uns bläst als Liste Pilz von den Mächtigen dieser Republik nun heftiger Gegenwind ins Gesicht“, schrieb der renommiert­e Konsumente­nschützer.

WIEN. Nur drei Wochen nach dem Wahlerfolg befindet sich die Liste Pilz bereits in einer existenzie­llen Krise. Der Liste, die bei der Nationalra­tswahl mit 4,4 Prozent der Stimmen acht Nationalra­tsmandate errungen hatte, ist der populäre Anführer und Gründer abhandenge­kommen. „Peter Pilz wird sein Nationalra­tsmandat nicht annehmen. Die Entwicklun­gen kommen für den Klub der Liste Pilz völlig unerwartet“, heißt es in einer kurzen „Erklärung“auf der Homepage der Liste Pilz. Und: „Aktuelle Schritte und weitere Maßnahmen werden besprochen.“

Wer wird die Bewegung in Zukunft anführen? Darüber herrscht auch nach Sitzungen am Samstag und Sonntag Unklarheit. „Wir müssen uns völlig neu organisier­en“, sagte Neo-Mandatar Peter Kolba. Als mögliche Klubchefs kursieren derzeit die Namen Wolfgang Zinggl, Alfred Noll und Bruno Rossmann. Alle drei gelten als enge Vertraute von Peter Pilz. Offiziell heißt es: Es gebe mehrere Modelle. Zur Klärung der Personalfr­agen habe man noch etwas Zeit. Das durch den Rückzug von Pilz frei gewordene Mandat übernimmt die Grazerin Martha Bißmann. Die 37jährige Projektman­agerin kommt aus der steirische­n Grün-Szene, war zuletzt aber auch als Managerin im Präsidents­chaftswahl­kampf von Irmgard Griss aktiv.

Wird Peter Pilz in Zukunft noch eine Rolle spielen? Die Mandatare der Liste Pilz stellten sich in einer ersten Reaktion demonstrat­iv hinter den Listengrün­der. Man sei an einer möglichst intensiven Kooperatio­n mit Peter Pilz interessie­rt, hieß es. Ob er aber weiterhin die Rolle des Parteichef­s übernehmen soll, ist vorerst unklar. Generell ermögliche die Entscheidu­ng von Pilz, auf das Mandat zu verzichten, dem Klub einen „unbelastet­en Start“, betonten die übrigen Mandatare. Mit den Worten „Eines ist klar: Es geht weiter mit voller Kraft“versuchte Wolfgang Zinggl in Zeiten der Unsicherhe­it Optimismus zu verbreiten. Pilz selbst räumte in der Pressekonf­erenz ein, zumindest in einer beratenden Funktion der Liste zur Verfügung stehen zu wollen.

Kommt es zu einer Namensände­rung der Liste? Diese Frage kann eindeutig mit Ja beantworte­t werden. Es war schon vor der Nationalra­tswahl klar, dass es spätestens im Jahr 2020 zu einer Umbenennun­g kommen soll. Diese wird nun vorgezogen. Neue Namen für die Liste werden intern bereits diskutiert.

Wie geschwächt ist die Liste Pilz durch die aktuellen Ereignisse? Beträchtli­ch. Die „starke Opposition­skraft gegen Schwarz-Blau“(Eigendefin­ition) hat mit dem Aufdecker Pilz ihr Zugpferd und ihren Mastermind verloren. Viele Wählerinne­n und Wähler der Liste Pilz sind ob der Enthüllung­en über den Listengrün­der enttäuscht. Ob die Liste jetzt, wie geplant, auch bei den kommenden Landtagswa­hlen (Niederöste­rreich, Tirol, Kärnten, Salzburg) antreten wird, ist fraglich.

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Tiefer Fall nach dem Wahlerfolg: Peter Pilz.

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