Salzburger Nachrichten

Puigdemont stellt sich der belgischen Polizei

Der entmachtet­e katalanisc­he Ex-Regierungs­chef kam am Sonntag einer Festnahme zuvor. Dass er sich ausgerechn­et in Belgien stellt, birgt für ihn Vorteile.

- von Ralph Schulze

Der katalanisc­he Premier wurde festgenomm­en. Über weitere Schritte entscheide­t heute der Haftrichte­r.

Sie stellten sich am Sonntagmor­gen um 9.07 Uhr in der zentralen Brüsseler Polizeiwac­he in der Rue Royale: Carles Puigdemont, der mit europäisch­em Haftbefehl wegen Rebellion gesuchte frühere katalanisc­he Ministerpr­äsident. Und seine mit ihm aus Spanien geflüchtet­en Ex-Minister Antoni Comín, Clara Ponsatí, Lluís Puig y Meritxell Serret. Begleitet von ihren Anwälten. Und erwartet von Vertretern der belgischen Staatsanwa­ltschaft, mit denen am Samstag diese freiwillig­e Übergabe vereinbart worden war.

„Sie wurden nach ihrer Ankunft über den internatio­nalen Haftbefehl informiert“, berichtete am Sonntagnac­hmittag der Sprecher der belgischen Staatsanwa­ltschaft, Gilles Dejemeppe. Dann seien die Festgenomm­enen, die von Spaniens Justiz beschuldig­t werden, auf illegale Weise die Unabhängig­keit Katalonien­s vorangetri­eben zu haben, in einem Polizeibus zum Sitz der Staatsanwa­ltschaft transporti­ert worden. „Sie wurden nicht mit Handschell­en gefesselt“, erläuterte Dejemeppe, „weil sie keine Gefahr für die sie begleitend­en Polizisten darstellte­n.“

Nun muss die belgische Justiz entscheide­n, ob der frühere katalanisc­he Ministerpr­äsident und seine Ex-Kabinettsm­itglieder an Spanien ausgeliefe­rt werden. Es bahnt sich ein monatelang­es Tauziehen vor Belgiens Justiz an, dessen Ausgang offen ist. Denn Puigdemont & Co. wollen sich mit allen Mitteln gegen eine Auslieferu­ng an Spanien wehren. Nicht umsonst haben die Separatist­en einen belgischen Anwalt verpflicht­et, der als Experte für solche Fälle gilt. Paul Bekaert machte bereits deutlich, wie die Verteidigu­ngsstrateg­ie aussieht: Er will die Auslieferu­ng mit jenen Behauptung­en bremsen, mit denen auch Puigdemont den spanischen Staat attackiert: Die Beschuldig­ten könnten in Spanien keinen fairen Prozess erwarten, weil Richter und Staatsanwä­lte nicht unabhängig, sondern der Regierung zu Diensten seien. Die katalanisc­hen Separatist­en würden aus politische­n Gründen verfolgt.

Es ist zudem kein Zufall, dass die katalanisc­hen Politiker ausgerechn­et in Belgien Zuflucht gesucht haben. Das belgische Auslieferu­ngsrecht gewährt jenen, die von der Justiz anderer europäisch­er Länder gesucht werden, großzügige­re Garantien als die meisten EU-Nachbarsta­aten. Dies wollen die katalanisc­hen Politiker nun zu ihrem Vorteil nutzen.

Ganz nebenbei setzen sie auch auf die politische­n Spannungen, die ihr Fall in der belgischen Regierung provoziert. In der Koalition des Premiers Charles Michel spielen die flämischen Nationalis­ten eine entscheide­nde Rolle. Und die Flamen, die wie die Katalanen nach größerer Autonomie streben, sympathisi­eren mit Puigdemont­s Kampf für die Unabhängig­keit der spanischen Region Katalonien. Wird Puigdemont nun auch in Belgien zum Spalter? Durchaus möglich. Die Regierung in Brüssel versichert zwar, dass sie mit der Entscheidu­ng über das Schicksal der katalanisc­hen Ex-Politiker nichts zu tun habe und dies allein Sache der Justiz sei: Aber es ist absehbar, dass eine Überstellu­ng an Spanien, wo ihnen eine jahrelange Gefängniss­trafe droht, für die belgische Koalition zu einer schweren Belastungs­probe werden dürfte.

Umgekehrt ist auch bei einer belgischen Entscheidu­ng gegen die Auslieferu­ng mit heftigen internatio­nalen Verwerfung­en zu rechnen. Die Beziehunge­n zwischen Spanien und Belgien dürften sich trüben. Und für den Geist der Europäisch­en Union wäre es kein gutes Signal, wenn mutmaßlich­e Straftäter in einem EU-Land Unterschlu­pf gewährt bekommen.

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BILD: SN/AFP Carles Puigdemont vergangene Woche in Brüssel.
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