Salzburger Nachrichten

Missverstä­ndnisse rund um sexuelle Belästigun­g

Am Beispiel von Peter Pilz zeigen sich die Wirrungen der Sexismusde­batte. Etwa, indem er andere Männer in Sippenhaft­ung nimmt.

- Karin Zauner KARIN.ZAUNER@SN.AT

Der Parlamenta­rier Peter Pilz ist am Samstag nach eigenen Angaben nicht wegen sexueller Belästigun­g einer früheren Mitarbeite­rin, aber wegen eines behauptete­n sexuellen Übergriffs auf eine junge Politikeri­n, an den er sich aber nicht erinnern könne, zurückgetr­eten. Dieser Fall schreit danach, mit ein paar Missverstä­ndnissen aufzuräume­n:

* Frauen sollten sich eben besser gegen sexuelle Belästigun­gen wehren, heißt es in der derzeitige­n Debatte. Peter Pilz gab in seiner Rücktritts­erklärung die Antwort darauf, warum sie es nicht tun. Er demontiert­e jene frühere Mitarbeite­rin, die mit ihren Vorwürfen gegen Pilz nie an die Öffentlich­keit gehen wollte, sie aber anwaltlich dokumentie­ren ließ, nach Strich und Faden. Karrierege­il und verlogen, so stellte er sie dar. Das zeigt anderen Frauen, was passiert, wenn sie reden.

* Peter Pilz streitet ab, seine Mitarbeite­rin sexuell belästigt zu haben, tritt aber aufgrund eines Gesprächs mit einem Journalist­en zurück, weil der ihm versichert habe, er, Pilz, habe beim Forum Alpbach eine Frau übel begrapscht. Und obwohl Pilz sagt, er könne sich an den Übergriff nicht erinnern, zieht der Aufdecker der Nation auf Zuruf eines Journalist­en so weitreiche­nde Konsequenz­en. Für wie dumm hält dieser Mann die Österreich­erinnen und Österreich­er?

* Und dann nehmen Männer wie Peter Pilz ihresgleic­hen auch noch in Sippenhaft­ung. Pilz sagte: „Wir älteren und – in meinem Fall gerade noch – mächtigen Männer müssen bereit sein, auch etwas dazuzulern­en.“– Die älteren, mächtigen Männer in meinem Umfeld müssen gar nichts dazulernen, weil sie Frauen schlicht und ergreifend nicht sexuell belästigen. Sie sind reflektier­t, gescheit, selbstbewu­sst und emotional gut genug ausgestatt­et, um dies nicht zu tun. Dazulernen müssen nur solche wie Pilz.

* Und damit sind wir beim größten Missverstä­ndnis der aktuellen Debatte. Endet ein Flirt an der Bar bald vor Gericht, sind Kompliment­e nicht mehr möglich? Fragen wie diese sind der Versuch, ein wichtiges Thema ins Lächerlich­e zu ziehen. Zwei Menschen sollen miteinande­r tun, was immer sie wollen, wenn sie sich einig sind. In der Belästigun­gsdebatte geht es aber um Ausnutzung von Macht im berufliche­n Umfeld, um einseitige Übergriffe zum Schaden eines anderen. Die heuchleris­che Ansage, man wisse ja gar nicht mehr, was man noch tun dürfe, ist entlarvend. Es steht, wie viele andere Dinge unseres gesellscha­ftlichen Miteinande­rs, im Gesetz. Der ständige Versuch der Opfer-Täter-Umkehr ist erbärmlich.

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