Ende einer grünen Hoffnung
Rechtsruck einmal andersrum: Dank Peter Pilz ist die grünbewegte Linke dieses Landes heute so schwach wie nie zuvor.
Peter Pilz hat das seltene Kunststück geschafft, innerhalb weniger Monate zwei Parteien zu ruinieren. Zuerst die Grünen, die er mit seiner eigenständigen Kandidatur als Liste Pilz aus dem Nationalrat katapultiert hat. Und dann die Liste Pilz. Diese steht nach dem Rückzug ihres Gründers und Anführers ähnlich blank da wie seinerzeit das Team Stronach, nachdem sich der greise Parteivater gekränkt nach Kanada zurückgezogen hatte. Bald darauf zerfiel das Team Stronach. Die Liste Pilz läuft Gefahr, ein ähnliches Schicksal zu erleiden.
Bereits in seiner Zeit bei den Grünen stand Peter Pilz für einen Kurs des linken Populismus, doch seine damaligen Parteifreunde wollten nichts davon wissen. Mit seiner eigenen Liste wollte der altgediente Mandatar diesen Kurs in die heimische Innenpolitik implementieren. Dieses Projekt zerfällt nun, ehe es begonnen hat. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass nicht zuletzt dank Pilzens unseligen Wirkens die grünbewegte Linke dieses Landes heute so schwach ist wie kaum je zuvor: die Grünen nur noch eine Splittergruppe ohne Nationalratsmandate, die Liste Pilz kopf- und führerlos – und die SPÖ in Opposition, wofür Pilz zwar nichts kann, was aber dem Rechtsruck, den viele beklagen und viele begrüßen, erst die richtige Kontur gibt.
Sieht man von jetzt ans Licht gekommenen unrühmlichen Eigenschaften des Peter Pilz ab, so ist zu konstatieren: Dieser Mann hat die Innenpolitik bereichert. Seit seinem Ersteinzug in den Nationalrat 1986 hatte sich Pilz als Aufdecker einen Namen gemacht. Von den in Wien verübten Morden an führenden kurdischen Oppositionspolitikern, die von den hiesigen Behörden vertuscht worden waren, über Lucona, Noricum bin hin zu den diversen „Fällen Grasser“zog Pilz eine Spur der Transparenz. Dass der Aufdecker mitunter zu krausen Verschwörungstheorien neigte und über die Jahre auch etliche unhaltbare Vorwürfe äußerte, manche davon mit Rufmord-Potenzial, tat seiner Wirkung keinen Abbruch. Österreich braucht Enthüller wie Peter Pilz. Der Umstand, dass dieser emsige Aufklärer offensichtlich gleichzeitig ein übergriffiger Macho ist, führte nun zum wohlverdienten Ende seiner Laufbahn. Seine zahllosen Gegner werden es mit Befriedigung registrieren.
Zahlreiche Gegner hatte Pilz übrigens auch bei den Grünen, denen er mehr als 30 Jahre als Mandatar angehörte. Seine Auseinandersetzungen mit der Parteispitze um Eva Glawischnig sind legendär. Glawischnig (und vor allem ihre engen Berater) standen für einen marketinggetriebenen, Ö3- und „Kronen Zeitung“-kompatiblen Wohlfühlkurs, der vor allem Wähler der Mitte ansprechen sollte. Peter Pilz stand für den bereits erwähnten linken Populismus, der Protestwähler von der FPÖ zurückholen wollte. Die Auseinandersetzung wurde mit großer Härte geführt.
Heute weiß man, dass Pilz und die Führung der Grünen mehr trennte als diese strategische Frage. Die einschlägigen Vorwürfe gegen den Mandatar waren der grünen Spitze bekannt, sie wurden aber nicht kommuniziert – aus Opferschutz, wie die Grünen heute sagen. Nach außen hin mimte Pilz den lockeren, lässigen Unkonventionellen, der seine Parteifreunde auch gern mit Tabubrüchen provozierte. Zum heurigen Jahreswechsel posierte er auf Facebook mit einem Foto, auf dem er echten Sauschädel in den Händen hielt. Das stieß nicht nur bei veganen Grün-Sympathisanten auf Entsetzen und löste den wohl beabsichtigten Shitstorm aus: „Widerlich. Herr Pilz feiert zum Jahreswechsel den Tod eines empfindungsfähigen Lebewesens“, postete einer.
Beim grünen Bundeskongress im Vorfeld der Nationalratswahl stellte sich heraus, dass Pilz den Bogen überspannt hatte. Die Delegierten wählten an seiner Stelle den wenig profilierten Jung-Grünen Julian Schmid auf den vierten Listenplatz der Bundesliste. Pilz verließ die Grünen im Groll und rief die „Liste Pilz“ins Leben, die zur Nemesis der Grünen werden sollte.
Vieles rund um die Vorwürfe, die eine ehemalige Mitarbeiterin gegen Pilz äußerte, liegt im Dunkel. Aufklärenswert scheint übrigens auch der Umstand, dass die Grünen ihren beim Bundeskongress durchgefallenen Altmandatar damals unbedingt halten wollten. Und dies, obgleich die Vorwürfe der sexuellen Belästigung der Parteispitze bekannt sein mussten. Klubchef Albert Steinhauser bot Pilz die Kandidatur auf einem hinteren Listenplatz an und machte sich erbötig, aus Parteimitteln einen Vorzugsstimmenwahlkampf zu finanzieren.
Wem die Vorgänge nützen, ist unschwer auszumachen: der künftigen Regierung, der ein lästiger Oppositionspolitiker abhandengekommen ist.