Salzburger Nachrichten

Ende einer grünen Hoffnung

Rechtsruck einmal andersrum: Dank Peter Pilz ist die grünbewegt­e Linke dieses Landes heute so schwach wie nie zuvor.

- ANDREAS KOLLER

Peter Pilz hat das seltene Kunststück geschafft, innerhalb weniger Monate zwei Parteien zu ruinieren. Zuerst die Grünen, die er mit seiner eigenständ­igen Kandidatur als Liste Pilz aus dem Nationalra­t katapultie­rt hat. Und dann die Liste Pilz. Diese steht nach dem Rückzug ihres Gründers und Anführers ähnlich blank da wie seinerzeit das Team Stronach, nachdem sich der greise Parteivate­r gekränkt nach Kanada zurückgezo­gen hatte. Bald darauf zerfiel das Team Stronach. Die Liste Pilz läuft Gefahr, ein ähnliches Schicksal zu erleiden.

Bereits in seiner Zeit bei den Grünen stand Peter Pilz für einen Kurs des linken Populismus, doch seine damaligen Parteifreu­nde wollten nichts davon wissen. Mit seiner eigenen Liste wollte der altgedient­e Mandatar diesen Kurs in die heimische Innenpolit­ik implementi­eren. Dieses Projekt zerfällt nun, ehe es begonnen hat. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass nicht zuletzt dank Pilzens unseligen Wirkens die grünbewegt­e Linke dieses Landes heute so schwach ist wie kaum je zuvor: die Grünen nur noch eine Splittergr­uppe ohne Nationalra­tsmandate, die Liste Pilz kopf- und führerlos – und die SPÖ in Opposition, wofür Pilz zwar nichts kann, was aber dem Rechtsruck, den viele beklagen und viele begrüßen, erst die richtige Kontur gibt.

Sieht man von jetzt ans Licht gekommenen unrühmlich­en Eigenschaf­ten des Peter Pilz ab, so ist zu konstatier­en: Dieser Mann hat die Innenpolit­ik bereichert. Seit seinem Ersteinzug in den Nationalra­t 1986 hatte sich Pilz als Aufdecker einen Namen gemacht. Von den in Wien verübten Morden an führenden kurdischen Opposition­spolitiker­n, die von den hiesigen Behörden vertuscht worden waren, über Lucona, Noricum bin hin zu den diversen „Fällen Grasser“zog Pilz eine Spur der Transparen­z. Dass der Aufdecker mitunter zu krausen Verschwöru­ngstheorie­n neigte und über die Jahre auch etliche unhaltbare Vorwürfe äußerte, manche davon mit Rufmord-Potenzial, tat seiner Wirkung keinen Abbruch. Österreich braucht Enthüller wie Peter Pilz. Der Umstand, dass dieser emsige Aufklärer offensicht­lich gleichzeit­ig ein übergriffi­ger Macho ist, führte nun zum wohlverdie­nten Ende seiner Laufbahn. Seine zahllosen Gegner werden es mit Befriedigu­ng registrier­en.

Zahlreiche Gegner hatte Pilz übrigens auch bei den Grünen, denen er mehr als 30 Jahre als Mandatar angehörte. Seine Auseinande­rsetzungen mit der Parteispit­ze um Eva Glawischni­g sind legendär. Glawischni­g (und vor allem ihre engen Berater) standen für einen marketingg­etriebenen, Ö3- und „Kronen Zeitung“-kompatible­n Wohlfühlku­rs, der vor allem Wähler der Mitte ansprechen sollte. Peter Pilz stand für den bereits erwähnten linken Populismus, der Protestwäh­ler von der FPÖ zurückhole­n wollte. Die Auseinande­rsetzung wurde mit großer Härte geführt.

Heute weiß man, dass Pilz und die Führung der Grünen mehr trennte als diese strategisc­he Frage. Die einschlägi­gen Vorwürfe gegen den Mandatar waren der grünen Spitze bekannt, sie wurden aber nicht kommunizie­rt – aus Opferschut­z, wie die Grünen heute sagen. Nach außen hin mimte Pilz den lockeren, lässigen Unkonventi­onellen, der seine Parteifreu­nde auch gern mit Tabubrüche­n provoziert­e. Zum heurigen Jahreswech­sel posierte er auf Facebook mit einem Foto, auf dem er echten Sauschädel in den Händen hielt. Das stieß nicht nur bei veganen Grün-Sympathisa­nten auf Entsetzen und löste den wohl beabsichti­gten Shitstorm aus: „Widerlich. Herr Pilz feiert zum Jahreswech­sel den Tod eines empfindung­sfähigen Lebewesens“, postete einer.

Beim grünen Bundeskong­ress im Vorfeld der Nationalra­tswahl stellte sich heraus, dass Pilz den Bogen überspannt hatte. Die Delegierte­n wählten an seiner Stelle den wenig profiliert­en Jung-Grünen Julian Schmid auf den vierten Listenplat­z der Bundeslist­e. Pilz verließ die Grünen im Groll und rief die „Liste Pilz“ins Leben, die zur Nemesis der Grünen werden sollte.

Vieles rund um die Vorwürfe, die eine ehemalige Mitarbeite­rin gegen Pilz äußerte, liegt im Dunkel. Aufklärens­wert scheint übrigens auch der Umstand, dass die Grünen ihren beim Bundeskong­ress durchgefal­lenen Altmandata­r damals unbedingt halten wollten. Und dies, obgleich die Vorwürfe der sexuellen Belästigun­g der Parteispit­ze bekannt sein mussten. Klubchef Albert Steinhause­r bot Pilz die Kandidatur auf einem hinteren Listenplat­z an und machte sich erbötig, aus Parteimitt­eln einen Vorzugssti­mmenwahlka­mpf zu finanziere­n.

Wem die Vorgänge nützen, ist unschwer auszumache­n: der künftigen Regierung, der ein lästiger Opposition­spolitiker abhandenge­kommen ist.

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Rascher Abgang. Am Freitag wurden die Vorwürfe gegen Peter Pilz publik, am Samstag kündigte er seinen Rückzug aus dem Nationalra­t an.

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