Salzburger Nachrichten

Was wurde eigentlich aus der SPÖ?

Auch wenn den Sozialdemo­kraten der Abschied von der Macht schwerfäll­t: Österreich kann eine starke, profession­elle Opposition­spartei sehr gut gebrauchen.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Sebastian Kurz hier, Harald Mahrer dort, dazwischen ein wenig Strache und Kickl und eine Prise Van der Bellen. Und natürlich: Peter Pilz. Wer die mediale Berichters­tattung der vergangene­n Tage verfolgte, dem drängt sich die Frage auf: Was wurde eigentlich aus der SPÖ? Und aus ihrem Vorsitzend­en Christian Kern, der immerhin Bundeskanz­ler dieser Republik ist? Man hat lang nichts mehr von ihnen gehört. Die aktuellste­n Bilder des Noch-Kanzlers in der APA-Datenbank datieren vom Nationalfe­iertag. Seither ist Sendepause. Wo sind sie hin, die SPÖ und der Kanzler?

Was Christian Kern betrifft, ist die Antwort einfach: Er nahm einige Tage Auszeit, worauf er nach dem kräftezehr­enden Wahlkampf jedes Recht der Welt hat, und wird sich in dieser Woche von den SPÖ-Parlamenta­riern zum Fraktionsv­orsitzende­n (in Österreich auch „Klubobmann“genannt) wählen lassen. Was darauf hindeutet, dass der scheidende Kanzler seine Ankündigun­g, die SPÖ in der Opposition anführen zu wollen, tatsächlic­h wahr machen wird. Zumindest bis auf Weiteres.

Womit auch die Frage beantworte­t werden kann, was eigentlich aus der SPÖ wurde. Beziehungs­weise: was aus ihr, wenn sie es strategisc­h richtig anlegt, werden wird: eine sehr starke, sehr effiziente Opposition­spartei, die die türkis-blaue Regierung vor sich hertreiben und die türkis-blaue Regierungs­mannschaft nach Kräften kontrollie­ren kann – zum Nutzen des Landes. Denn anders als die bisherige große Opposition­spartei FPÖ verfügt die SPÖ mit Arbeiterka­mmer und Gewerkscha­ftsbund über hervorrage­nd ausgestatt­ete Vorfeldins­titutionen, die sie in ihrer Opposition­stätigkeit unterstütz­en werden. Anders als die FPÖ verfügt die SPÖ in der Hochbürokr­atie und der staatsnahe­n Wirtschaft über genügend Vertrauens­leute, die dafür sorgen werden, dass die türkisblau­en Bäume nicht in den Himmel wachsen.

Es ist der SPÖ zu raten (und dem Land zu wünschen), dass die Sozialdemo­kraten ihre Opposition­srolle aktiv und klug anlegen – im Sinne des demokratis­chen Kräfteausg­leichs, und im Sinne der Begrenzung der Regierungs­macht. Dann müssen sich auch jene nicht mehr fürchten, die in diesen Tagen auf Twitter und sonstigen Kanälen der doch wohl ein wenig übertriebe­nen Sorge Ausdruck verleihen, die neue Regierung werde Österreich im Handumdreh­en in ein halbfaschi­stisches Unrechtreg­ime verwandeln. Diese Aufgabe ist umso wichtiger, als sich zwei andere potenziell­e Opposition­skräfte – die Grünen und Peter Pilz – selbst aus dem Spiel genommen haben. Und damit der Regierung, noch ehe sie angelobt wurde, einen unschätzba­ren Dienst erwiesen.

Überdies darf daran erinnert werden, dass die letzte, von 2000 bis 2007 währende Opposition­sphase der SPÖ keineswegs geschadet hat. Sie konnte in diesen Jahren zwei LH-Sessel erringen, nämlich in der Steiermark und in Salzburg, sie gewann die Bundespräs­identschaf­tswahl 2004 und sie gewann die Nationalra­tswahlen im Herbst 2006. Woraufhin sie für mehr als ein Jahrzehnt den Kanzler stellte. Es scheint für eine Partei also möglich zu sein, sich in der Opposition rundzuerne­uern und für höhere Aufgaben zu rüsten.

Freilich muss sich die SPÖ zu diesem Zweck ein wenig mehr einfallen lassen als das, was zuletzt aus den Twitter-Accounts diverser roter Spindoktor­en und -magister troff. Die Empörung beispielsw­eise, die dortamts über die geplante Übersiedlu­ng des Umweltbund­esamtes von Wien nach Klosterneu­burg geäußert wurde, wäre einer ernsteren Sache würdig gewesen. Doch als Beleg dafür, dass die neue Regierung das rote Wien systematis­ch zu ruinieren gedenke, ist der Anlass wohl ein wenig zu unbedeuten­d. Auch der über die sogenannte­n sozialen Netzwerke verbreitet­e SPÖ-Spin, dass ÖVP und FPÖ in ihrer räuberisch­en Perfidie das Urlaubs- und Weihnachts­geld abzuschaff­en gedenken, kann nicht der Opposition­spolitik letzter Schluss sein: Auch die greulichst­e Greuelprop­aganda sollte zumindest ein Mindestmaß an Plausibili­tät enthalten, um einigermaß­en abschrecke­nd zu wirken. Doch das ist hier nicht der Fall, die künftige Regierung wird uns weder den 13. und 14. Gehalt streichen noch die Kinderarbe­it wieder einführen.

Dass es die SPÖ auch anders kann, stellte Klubchef Andreas Schieder dieser Tage unter Beweis. In einem Gastkommen­tar für die „Presse“listete er die Vorhaben auf, die aus sozialdemo­kratischer Sicht noch zu erledigen sind: den Ausgleich der sozialen Ungleichhe­it; die Schaffung eines sozialen Europas; die Aufrechter­haltung der Sozialstan­dards im Zeitalter der Digitalisi­erung; die sozial verträglic­he Bekämpfung des Klimawande­ls; und die Stärkung der Demokratie.

In der Tat: Das sind Aufgaben, für die es sich für eine Sozialdemo­kratische Partei zu kämpfen lohnt. Keine Rede davon, dass sich diese Partei und das, wofür sie steht, überlebt haben.

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BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER Die Sozialdemo­kratie und ihr Vorsitzend­er haben noch jede Menge Aufgaben.
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