Einsam gegen den Chor der Hetzer
„Jägerstätter“im Schauspielhaus Salzburg wird zum berührenden Kampf ums Richtige.
SALZBURG. Franziska liest einen Brief. Da steht, dass ihr Mann Franz Jägerstätter hingerichtet wurde. Aus Glaubensgründen verweigerte er den Kriegsdienst unter den Nazis. Sie hält zu ihrem Mann. Auch jetzt noch, da er schon tot ist und noch einmal Verräter- und Volksfeind-Rufe erschallen auf der Bühne im Salzburger Schauspielhaus.
Ein Chor wird da einem Einzelkämpfer gegenübergestellt im Stück „Jägerstätter“, das am Samstag Premiere hatte. Es ist ein Chor der Hetzer und Aufwiegler – die sind aber nicht bloß unter den Nazis zu finden. Der Chor spielt und singt auch die Bauern im Dorf, die Wirtshaussitzer, die undefinierbare breite Masse, die gegen einen Einzelnen brüllt.
Aus kurzen Szenen entwickelt Regisseur Peter Raffalt ein Gesamtbild. Da wird einer, der mit Innviertler Fäusten auch einmal zuschlägt, ein lediges Kind hat und als einziger ein Motorradl fährt, zu einem Nachdenklichen. Er kennt die Bibel und er kennt „Mein Kampf“und weiß, was auf die Welt zukommt. Und als die Welt im Wahnsinn steckt, macht er nicht mit. Aber nicht einmal der Bischof steht ihm bei. Ein paar Gutgesinnte wollen ihn abbringen, versuchen Hintertürchen zu finden. Der Mann ringt aber einsam um das, was er glaubt. Es tobt ein Kampf in ihm, den Theo Helm als Jägerstätter in allen Fasern spüren lässt.
Ein karges Bühnenbild verstärkt den Fokus auf diesen inneren Kampf. Gegen das Dorf, gegen die neue Macht, gegen das Mitschwimmen – und vor allem den Kampf mit dem eigenen Gewissen. Sicherlich wird einem eine historisch wahre Geschichte serviert, die Autor Felix Mitterer akribisch recherchiert hat. Doch im Schauspielhaus wirkt nichts wie eine reine Rückschau, sondern vieles lässt sich leicht als dauernd gültiger Kampf gegen Obrigkeit und Unterdrückung, gegen Massenwahn und opportunistische Blindheit lesen.
Am Ende – Jägerstätter ist hingerichtet – steht Franziska, tief berührend gespielt von Magdalena Oettl, in Tränen da. Sie stand dem Franz zur Seite, auch wenn durch seine Hinrichtung ihre drei Kinder den Vater verlieren. Das fällt nicht leicht. Erst recht nicht nach dem Krieg, als sie keine Witwenpension bekommt, weil es Jahrzehnte dauert, bis der stille Mut ihres Ehemannes offiziell – von Staat und Kirche – als Widerstand gegen die Nazis anerkannt und der Innviertler Bauer dann sogar selig gesprochen wird. Diese Geschichte nach dem Tod deutet das Stück „Jägerstätter“nur an. Es wird am Ende noch einmal ein Brief gelesen aus dem Jahr 1946, in dem der Pensionsanspruch von Franziska abgewiesen wird. Der Mut ihres Mannes wird nicht als Widerstand eingestuft.
Es wird schmerzhaft klar, dass Jägerstätters Ringen in jedem und immer weitergehen muss. Wie Franz abtritt, hinein ins Publikum, und wie Franziska dann allein dasteht und der Chor immer noch nicht aufhört, einen Mutigen zu verunglimpfen: Da möchte man verstummen. Verstummen aber gilt im Theater nicht als Zustimmung. Also brandet großer Jubel auf. Theater: „Jägerstätter“, Schauspielhaus Salzburg, 1. Spielserie bis 20. 11.