Neue Entdeckung aus dem Reich der französischen Oper
Politik, Liebe, Kunst: Das sind die drei wesentlichen Handlungsstränge, denen die Oper „Dante“von Benjamin Godard (1849–1895) folgt. Das so groß wie heterogen angelegte Werk wurde 1890 an der Pariser Opéra comique uraufgeführt und fiel ohne Umschweife durch. Besonders stießen sich die damaligen Hörer am 3. Akt. Er stellt eine „visionäre“Traumreise des Titelhelden vom Grab seines Mentors Vergil in die Höllen- und Himmelsszenarien seiner eigenen „Göttlichen Komödie“vor.
Das hat weder mit dem handfesten politischen Konflikt viel gemein, in dem Dante zum Schlichter zwischen Ghibellinen und Guelfen im mittelalterlichen Florenz wird, noch mit der Liebesgeschichte des Dichters zu Beatrice, die mit Dantes Freund Simeone Bardi verheiratet werden soll und die Dante um jeden Preis zurückgewinnen will.
Vielleicht ist aber gerade diese Patchwork-Situation der besondere Reiz, das zersplitternde Werk heute wieder zur Diskussion zu stellen. Die konzertanten Aufführungen 2016 in München – mit dem groß aufspielenden Münchner Rundfunkorchester und seinem damaligen, dem direkten klanglichen Effekt nie abgeneigten Chef Ulf Schirmer und sorgfältig gewählten Solisten (Edgaras Montvidas, Véronique Gens, Jean-François Lapointe, Rachel Frenkel) – machten jedenfalls starken Eindruck.
Er lässt sich jetzt nachvollziehen in dem mittlerweile schon 16. CDBuch, das der Palazzetto Bru Zane zur französischen Oper des 19. Jahrhunderts soeben veröffentlicht hat. Die Serie ist eine Fundgrube zur spezifischen romantischen Musiktheater-Tradition Frankreichs, die sich einerseits am übermächtigen Vorbild Richard Wagner abarbeitete, andererseits – und dafür steht der „romantische Träumer“Godard mit seiner Orientierung weit mehr an Schumann und Mendelssohn – eher traditionalistischen Spuren folgte. Charles Gounod oder Jules Massenet sind dafür als Referenzkomponisten zu nennen. Die süffige Klangsprache jedenfalls geht mächtig und direkt ins Ohr, die Situationen werden plastisch und flexibel genug ausgebreitet. Einziges Manko aus deutschsprachiger Sicht: Alle Texte sind nur auf Französisch und Englisch. CD-Buch: