Salzburger Nachrichten

Madame war mutig und entschloss­en

Marie Curie stand lange im Schatten ihres Mannes, doch dann erhielt sie zwei Nobelpreis­e. Die Frau, die in ihrem Leben stets Herausrage­ndes leistete, wurde am 7. November vor 150 Jahren in Polen geboren.

- CHRISTIAN SATORIUS

Marie Curie wird 1867 unter dem Namen Marie Salomee Skłodowska als Tochter eines Mathematik­und Physiklehr­ers in Warschau geboren. Schon mit 15 Jahren schließt sie das Abitur als Jahrgangsb­este ab. Als sie zwei Jahre später dann als Gouvernant­e arbeitet, lässt sie ihr Cousin, Józef Boguski, der das Warschauer Industrieu­nd Landwirtsc­haftsmuseu­m leitet, das Laboratori­um der Institutio­n benutzen. Hier reift schließlic­h ihr Entschluss, Naturwisse­nschaften zu studieren.

Das aber ist Frauen im Polen dieser Zeit nicht erlaubt. So geht sie nach Paris und schreibt sich dort am 3. November 1891 an der Sorbonne für ein Studium der Physik ein, das sie 1893 als Jahrgangsb­este abschließt. Ihr Mathematik­studium beendet sie ein Jahr später als Zweitbeste. Noch im selben Jahr lernt sie in Paris den Physiker Pierre Curie kennen, den sie am 26. Juli 1895 heiratet und der nicht nur privat, sondern auch beruflich ihr Weggefährt­e bei ihren gemeinsame­n Forschungs­arbeiten wird.

Noch Ende desselben Jahres sorgt ein epochemach­endes wissenscha­ftliches Ereignis für Aufsehen in der ganzen Welt: die Entdeckung der Röntgenstr­ahlen durch Conrad Röntgen am 8. November 1895. Viele Forscher der Jahrhunder­twende lassen sich durch die „X-Strahlen“, wie Röntgen sie nennt, für ihre eigenen Studien inspiriere­n, so Antoine Henri Becquerel, dem dabei auffällt, dass Uransalz fotografis­che Platten schwärzen kann – und zwar auch ohne vorher dem Licht ausgesetzt zu sein.

Diese Strahlen Becquerels sind es, die Marie Curie näher erforschen will, vorerst im Rahmen ihrer Doktorarbe­it, später wird diese Aufgabe zu ihrem Lebenswerk. Sie selbst schreibt: „Es galt also die Herkunft der übrigens sehr geringen Energie zu untersuche­n, die von dem Uran in Form von Strahlung ständig ausgesandt wurde.“Ihrer Ansicht nach wird die Radioaktiv­ität – ein Begriff übrigens, den sie selbst prägt – nicht durch äußere Einflüsse hervorgeru­fen, sondern ist vielmehr eine Eigenschaf­t bestimmter Elemente selbst. Aus dem Inneren dieser – zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte­n – radioaktiv­en Elemente werden kleinste Teilchen durch ihre immens schnelle Eigenbeweg­ung herausgesc­hleudert. Damals eine sehr gewagte Theorie, die zudem noch schwer zu belegen ist, gilt zu dieser Zeit das Atom doch noch als unteilbar und auch die entspreche­nden radioaktiv­en Elemente selbst sind weder bekannt noch liegen sie in reiner Form vor, um damit vernünftig arbeiten zu können.

Dennoch gelingt es dem Ehepaar Curie, in jahrelange­r Arbeit unter widrigsten Bedingunge­n aus Unmengen von Pechblende die neuen radioaktiv­en Elemente Polonium und Radium zu isolieren. Für ein Zehntelgra­mm Radium muss Marie Curie ganze vier Jahre schweißtre­ibend im Labor arbeiten.

Aber die Anstrengun­gen sind von Erfolg gekrönt. Im Jahr 1903 erhält Marie Curie zusammen mit ihrem Ehemann Pierre und Antoine Henri Becquerel den Nobelpreis für Physik. Noch bevor sie im Jahr 1911 auch den Nobelpreis für Chemie bekommt, ereignet sich allerdings ein folgenschw­erer Unfall, der Marie in eine tiefe Depression stürzt. Ihr Mann Pierre wird am 19. April 1906 von einem schweren Pferdefuhr­werk überfahren und stirbt noch am Unfallort. Als sie Jahre später den Physiker Paul Langevin lieben lernt, ist der allerdings noch verheirate­t und somit wittert die Öffentlich­keit einen perfekten Skandal, der um Haaresbrei­te ihren Nobelpreis für Chemie gefährdet.

Indes tritt sie beruflich die Nachfolge ihres Mannes Pierre an, 1906 hält sie als erste Frau überhaupt ihre erste Vorlesung an der Sorbonne und wird dort 1908 zur ersten ordentlich­en Professori­n ernannt. 1914 wird sie Leiterin des neu gegründete­n Radium-Instituts in Paris. Doch die Arbeit mit der Radioaktiv­ität fordert ihren Tribut. Pierre Curie fällt schon früh auf, dass sich die Strahlung zur Behandlung von Krebserkra­nkungen eignet, da das Tumorgeweb­e besonders empfindlic­h auf die Radioaktiv­ität reagiert, stärker noch als das umliegende gesunde Gewebe.

Dennoch: Die Strahlen können eben auch gesundes Gewebe schädigen. Jetzt rächen sich die katastroph­alen Arbeitsbed­ingungen, unter denen Marie Curie jahrelang forscht, etwa das ständige Einatmen des Radongases. Dr. François Tobé, der den Tod Marie Curies am 4. Juli 1934 feststellt, kommt zu dem Schluss: „Die Krankheit war eine aplastisch­e perniziöse Anämie von rascher fieberhaft­er Entwicklun­g. Das Knochenmar­k versagte, wohl weil es von einer langzeitig­en Anhäufung von Strahlunge­n verletzt war.“

Wer heute noch einen Erinnerung­sort sucht, der muss also nach Paris fahren: Im Quartier Latin, am linken Ufer der Seine, an der Ecke der Rue Pierre et Marie Curie und der Rue d’Ulm, sind ab dem Jahr 1909 die Pavillons des Instituts Curie errichtet worden. Auch heute stehen sie noch dort. Ab den 1950er-Jahren wurde das Institut Curie um neue Labors erweitert. Zudem gibt es ein Hospital. In den Abteilunge­n für Genetik, Biologie und Immunologi­e arbeiten 2000 Forscher aus aller Welt. Sie haben ein gemeinsame­s Ziel: den Kampf gegen den Krebs.

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BILD: SN/WIKIPEDIA Marie Curie mit ihrem Weggefährt­en Pierre bei der Arbeit im Labor.

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