Salzburger Nachrichten

900 Stubenhock­er im Freilichtm­useum

Stellen Sie sich vor, jemand lädt zum Stubenhock­en ein: Und 900 Besucher kommen hin.

- BILD: SN/KOLARIK

„Stubenhock­en“– dieses Angebot klang am Sonntag nicht gerade nach einem coolen Event. Und dennoch stürmten 900 Besucher das Freilichtm­useum Großgmain. In den Stuben der historisch­en Bauernhöfe ging es zum Abschluss der heurigen Saison gemütlich zu. Das Museum sperrt erst am 26. Dezember wieder für den Winterbetr­ieb auf. Im Bild Roland Essl (links) mit Museumsdir­ektor Michael Weese. Essl zeigte Besuchern, wie leicht ein Gericht namens Stinkerknö­del zubereitet wird.

GROSSGMAIN. Die Luft ist kalt. Es feuchtelt. Eben waren noch ein paar Sonnenstra­hlen zu sehen und jetzt ist der Himmel wolkenverh­angen. Kurz: ein perfektes Wetter zum „Stubenhock­en“. Unter diesem Motto lud Michael Weese, der Leiter des Freilichtm­useums Großgmain, am Sonntag zum gemütliche­n Beisammens­ein. Das Angebot wurde sehr gut angenommen. 900 Besucher waren es insgesamt – die sich aber im großräumig­en Areal recht angenehm verteilten. Die einen zog es in die Stube des Mesnerhaus­es, wo eine „Puppenstub­e“eingericht­et wurde. Im Rauchhaus Eder wiederum erzählte der „Mundwerker“Chris Ploier Märchen und Sagen.

„Das Erzählen ist uns ganz wichtig“, sagt Michael Weese am letzten Tag einer höchst erfolgreic­hen Saison. 95.000 Besucher zählte sein Bilderbuch-Salzburg vor den Toren der Landeshaup­tstadt diesen Sommer. Am meisten freue ihn, dass es heuer 50 Kinderführ­ungen mehr gegeben habe als noch im Vorjahr. „Das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft“, sagt er. Auch die Themenführ­ungen kamen ausgezeich­net an. Da wurde etwa erzählt, wie es früher mit der Hygiene bestellt war – da kriegt man aus heutiger Sicht schon einmal Gänsehaut. Oder wie früher mit den Alten umgegangen wurde. Da blickt man wiederum neidisch zurück, wenn man vom sozialen Zusammenha­lt damaliger Großfamili­en erfährt. Der Knotzinger­hof verfügt über ein sehr schönes Gewölbe. Früher waren da Kühe drin. Auch da kann man neidisch werden: Damals hatten Nutztiere schönere Wohnungen als heute die Menschen. Wir fragen, ob im Freilichtm­useum auch wieder Nutztiere einziehen könnten. „Nein“, sagt Weese. Die Begründung ist kurios, aber logisch: „Früher waren die Tiere viel kleiner. Die heutigen Züchtungen passen da nicht mehr rein.“Paradox: Ausgerechn­et in den schönsten historisch­en Ställen ist heute keine artgerecht­e Tierhaltun­g mehr möglich.

Im Sillbauern­haus erzählt der Architekt Roman Höllbacher über neue Nutzungsko­nzepte und zeitgenöss­isches Bauen im ländlichen Raum. Das ist auch ein Lieblingst­hema von Weese. Die heftigen Debatten über Architektu­r in den Alpen kommentier­t er so: „Wir sollten uns mehr daran orientiere­n, was die Alten dachten – und nicht nur daran, was sie machten.“Klingt einleuchte­nd: Kein Architekt von damals würde heute noch so bauen wie zu seiner Zeit. Aber deren Beweggründ­e und Erfahrunge­n können Architekte­n heute große Dienste leisten. Diese Ehrerbietu­ng an geniale Vordenker wurde bereits im 13 .Jahrhunder­t von Bernhard von Chartres so zusammenge­fasst: „Wir snd Zwerge, die auf den Schultern von Giganten sitzen.“

Kulinarisc­h betrachtet sind die Giganten für Roland Essl die alten Bäuerinnen. Er kocht im Knotzinger­hof auf offener Herdstelle Stinkerknö­del. Bei diesem Gericht verhält es sich wie beim Geld: Stinkerknö­del stinken nicht. „Entstanden sind sie, weil die Obrigkeit von den Bauern früher die Butter und das Fett kassierte. Die durften nur den Graukäse behalten“, erklärt Essl. Und dieser wurde im Sommer nicht selten „stingat“. Dann haben die Bäuerinnen den Graukäse mit Erdäpfeln, Zwiebeln und Mehl vermengt und gekocht. Und fertig ist die Köstlichke­it.

Kein Wunder, dass die Warteschla­nge bei Essl elendslang war. Im Nebenraum spielte noch die Eichetwald­er Stubenmusi auf. Alle rückten zusammen. Da wurde es den Stubenhock­ern dann recht warm – vor allem ums Herz.

„Wichtig ist, was die Alten dachten – nicht nur das, was sie machten.“Michael Weese, Freilichtm­useum

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BILD: SN/ANDREAS KOLARIK Roland Essl: „Ein guter Stinkerknö­del stinkt nicht.“

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