„Auf jeder Seife steht etwas vom Glück“
Teresa Präauer malt Sätze und schreibt Bilder. Deshalb liest sich ihre Literatur stets wie eine Abenteuerreise. Heute wird sie dafür geehrt.
Die Literatur der in St. Johann aufgewachsenen Teresa Präauer liest sich stets wie eine Abenteuerreise. Im SN-Interview erzählt sie davon.
Vier Romane hat Teresa Präauer bisher veröffentlicht. Die 38-Jährige ist bildende Künstlerin und Schriftstellerin, deren Bücher durchwegs gelobt und vielfach ausgezeichnet wurden. Heute, Dienstag, bekommt Präauer den Buchpreis der Salzburger Wirtschaft. Ein Heimspiel, weil sie in St. Johann aufgewachsen ist und unter anderem in Salzburg studiert hat. Anlass nachzufragen, wie er entsteht, dieser Präauer’sche Ritt zwischen Wortbildern und Erzählkunst. SN: Frau Präauer, in welchem Verhältnis stehen bei Ihnen Form und Sprache und der Plot einer Geschichte? Präauer: In einem produktiven Verhältnis! Insofern als Form und Inhalt, Stil und Plot, in literarischen Texten zusammengehören. Man kann meine Bücher durchaus auf Plot, also auf Handlung hin lesen, bloß: Es entgeht einem dabei das halbe Vergnügen. „Johnny und Jean“, der zweite Roman, ist eine Geschichte, die viel mit den Hoffnungen zu tun hat, die man als junger Mensch hegt. Also, ich hab sie gehegt, ehrlicherweise. SN: Welche Hoffnung? Ich hatte große Wünsche und genauso große Zweifel. Ich habe mich beim Schreiben daran erinnert, wie es war, 20 Jahre alt zu sein. Das war nicht nur herrlich, sondern mitunter auch tragisch. Deshalb braucht es, rückblickend, vielleicht den Humor als Gegengewicht. Ich habe für diesen Fall zwei Figuren erfunden, die als Gegensatzpaar handeln. Mir ging es dabei um zwei Prinzipien, zwei Lebensprinzipien oder Arbeitsprinzipien: der stille Schüchterne, der konsequent Schritt für Schritt tut – und der Erfolgreiche, dem alles leicht fällt, der sich sozusagen „nix scheißt“in der Kunst und im Leben. Beide kommen am Ende an eine Art von Ziel, es gibt da also eine Gerechtigkeit in den Lebensentwürfen. Dazwischen reden die beiden über die Bilder, die sie begeistern oder eben nicht, über die Reisen, die sie machen wollen oder eben nicht. Diese Anwendung gleichsam verallgemeinernd wirkender Prinzipien in der Figurenzeichnung hat viel mehr damit zu tun, was auch das Märchen macht. Es gibt klare, aber knapp umrissene Charaktere: Ritter, Drache, Frosch. Da fragt ja auch keiner, wann sich der Prinz das letzte Mal geschnäuzt hat. Und das lasse ich auch weg. SN: Abseits von der Erzählhaltung, wie Sie sie hier dem Märchen zuschreiben: Sind Sie von Geschichtenerzählern eigentlich schnell gelangweilt? Ich bin wohl eher von der Literatur von Plaudertaschen gelangweilt, oder ich habe wenig Geduld mit einem Sprechen, das nicht auf den Punkt kommt. Oder, wenn wir es auf Alltagssituationen zurückführen wollen, mit Leuten, die einen ohne Komma niederquatschen. Und von sämtlicher Meinungshuberei, da muss man Facebook nicht extra erwähnen, wenn sie nicht fundiert ist, nicht die verdammten Widersprüche mitdenkt, die doch alle Fragen des Lebens mit sich bringen. Es muss dabei nicht alles immer geschliffen und gefeilt sein. SN: Haben Sie zu schreiben begonnen, um sich eine fremde Welt zu zaubern? Das Gegenteil ist der Fall! Zauberei interessiert mich nur begrenzt, und fremd ist mir kaum etwas. Nichts Menschliches ist mir fremd! Denn mich interessiert diese Welt, in der wir leben, und Literatur und Text und Erzählen waren schon immer Teil dieses Lebens. Das nämlich sind die Argumente von Leuten, die die Kunst am liebsten aus allen Budgets streichen würden: dass Literatur irgendwie „abgehoben“wäre oder nichts mit der Welt zu tun hätte. Diese Leute wollen sich bei den Schriftstellern im besten Fall das Buch zur Wirtschaftskrise oder zur Flüchtlingsfrage oder zur Klimakatastrophe bestellen. Alles das, die sogenannten tagesaktuellen Themen, kann man aber ohnehin im „Spiegel“besser nachlesen oder im „Profil“– was ich auch mache. SN: Was ist denn Literatur? Die Literatur ist ein größeres Ding, ein geileres, ein wilderes, ein schöneres. Deswegen bin ich den sehr wenigen Lehrern, Freunden oder Professorinnen dankbar, die lesen und die mit mir oder mit uns Kindern, Jugendlichen, damals das gelesen haben, was uns erst einmal verunsichert hat oder uns vorerst schleierhaft war. Das angeblich Fremde ist dann irgendwann gar nicht so fremd. SN: „Verstörend, sehr komisch und auch tragisch“war über ihren letzten Roman „Oh Schimmi“zu lesen, „verwirrend“könnte man vielleicht auch sagen, weil die Grenze zwischen Realität und Fake aufgelöst wird. Warum ist das so wichtig? Die Grenze zwischen Realität und Fake löst Herr Trump doch jeden Tag neu auf … SN: Anders gefragt: Die Auflösung zwischen dem, was wir zu kennen meinen, und dem, was uns erfunden scheint, passiert bei Ihnen auch sprachlich – Sie erfinden jede Menge Wörter. Wie passiert das? Ach, ich erfinde doch gar nicht so viel. Verrückter als die Welt kann die Erfindung kaum sein. Was Sie über die Neologismen, die Worterfindungen, sagen, betrifft vor allem den jüngsten Roman, „Oh Schimmi“, aber selbst da hält es sich in Grenzen. Es gibt manchmal Verballhornungen. Dass Schimmi beispielsweise etwas nicht „amerikanisch“nennt, sondern, so halb falsch, „ämericänistisch“. Es ist eher ein Sich-lustig-Machen über die Wunschvorstellungen von einem anderen Leben, wie Schimmi es sich erträumt, voll von Konsum und Luxus, Zucker, Cowboyboots und Rodeoreiten. Ein Pseudo-Coolsprech, fliegend, doch immer schon mit einem Fuß über dem Abgrund des Scheiterns. SN: Was ist das Schönste am Schreiben? Gibt es dabei den Moment des Glücklichseins? Hm. Glück ist eine Kategorie, mit der ich wirklich nicht so viel anfangen kann, oder das Wort Glück ist so totgeritten. Auf jeder Seife und auf jedem Kräutertee steht doch irgendetwas über das Glück geschrieben. Ich frage mich nicht, ob ich glücklich bin, ich frage mich, ob ich wach bin, ob ich Grund habe, zu leben und zu lachen, ob ich interessanten, liebevollen, neugierigen Menschen begegne. Aber es gibt während des Schreibens freilich Phasen der Konzentration, der Fokussierung, eine Art von Rausch vielleicht. Der Tunnelblick in den Text hinein: Das sind mitunter glückhafte Phasen, die über Stunden oder Tage andauern können. Aber es gibt auch viel Korrekturarbeit, Krise vor dem Anfangen, Überlastung durch Schreiben, Lesen, Reisen, Abgabetermine, Steuer. SN: Wie viel hat Ihre Literatur denn mit der Malerei, die Sie auch studiert haben, zu tun? Ich habe ja beides studiert, Germanistik und Malerei. Ich habe gerade ein Theaterstück im Auftrag für das Schauspiel Frankfurt geschrieben, das Anfang Mai 2018 Premiere hat. Räumlich und gestalterisch zu denken, ist dabei kein Schaden, das hat mit der bildenden Kunst zu tun. Die Ungewissheit ertragen zu können, die Widersprüche, von denen ich sprach. Das Neue, das Abstoßende, das Schöne. Worte zu finden für das, was man sieht und was einen abstößt oder beeindruckt. Das habe ich beim Anschauen von Bildern gelernt.
„Zauberei interessiert mich begrenzt, und fremd ist mir kaum etwas.“Teresa Präauer, Künstlerin