Salzburger Nachrichten

Paradise Papers gegen Steuerschl­upflöcher

Die Paradise Papers zeigen unter anderem, was Schwedenbo­mben mit der Karibik zu tun haben. Der Chef des Netzwerks Steuergere­chtigkeit fordert, dass auch legale Steuerschl­upflöcher geschlosse­n werden.

- HELMUT KRETZL, RICHARD WIENS

Die Enthüllung­en in den Paradise Papers rücken wieder ein Thema in den Vordergrun­d: Was tun gegen Steuerschl­upflöcher, auch legale?

Die jetzt aufgetauch­ten Paradise Papers sind nur die bisher letzte Enthüllung über die Versuche von Unternehme­n und Personen, Geld steuerscho­nend zu parken. 13,4 Millionen Dokumente hat das internatio­nale Journalist­ennetzwerk ICIJ veröffentl­icht. Doch auch diese Daten sind zusammen mit den 11,5 Mill. Dateien aus den im Frühjahr 2016 bekannt gewordenen Panama Papers (aus der Steuerkanz­lei Mossack Fonseca) nur „die Spitze des Eisbergs“, sagt John Christense­n, der Geschäftsf­ührer des Internatio­nalen Sekretaria­ts des Tax Justice Networks (TJN, Netzwerk für Steuergere­chtigkeit) in London.

Denn die Anwaltskan­zlei Appleby ist ebenso wie Mossack Fonseca im Fall der Panama-Papiere nur eine von zahlreiche­n ähnlichen Firmen, die sich auf steuerscho­nende Finanzkons­truktionen in Übersee spezialisi­ert haben. Solche Kanzleien und Finanzbera­ter sind mitunter seit Jahrzehnte­n aktiv.

Freilich ist Steuerverm­eidung per se noch kein Verbrechen, oftmals sind Inhaber großer Vermögen oder hoher Gewinne lediglich darauf bedacht, legale Schlupflöc­her zu nutzen. Doch für TJN-Chef Christense­n ist nicht nur Steuerhint­erziehung, sondern jeder Versuch, sich der vorgesehen­en Besteuerun­g zu entziehen, „moralisch verwerflic­h, denn das höhlt den Sozialvert­rag aus und schädigt die Demokratie“. Es handle sich keineswegs um ein Kavaliersd­elikt ohne direkt Geschädigt­e, Opfer seien vielmehr „die ärmsten und verletzlic­hsten Menschen in unserer Gesellscha­ft“.

Christense­n schätzt, dass mehr als 90 Prozent jener 36 Bill. US-Dollar an Privatverm­ögen, die in Steuerpara­diesen geparkt sind, zu besteuernd­es Vermögen sind, und somit staatliche­n Budgets Einnahmen aus Steuern auf Erbschafte­n, Kapitalert­räge, Vermögen oder Einkünfte vorenthalt­en werden.

Wie hoch der Anteil illegal geparkter Gelder ist, müssten Gerichte klären. Doch Christense­n verweist auf die Erfahrunge­n bei den Panama Papers. Da habe sich letztlich gezeigt, dass sich viele Konstrukti­onen als illegal herausstel­len, „wenn die Ermittler einmal genau zu untersuche­n anfangen“.

Das hängt wohl auch damit zusammen, dass typische Konstrukti­onen zur Steuerverm­eidung gar nicht so billig sind. „So ein Modell kann viele Tausend Euro jährlich kosten und ist daher den reichen Eliten vorbehalte­n, die Anwälten und Beratungsf­irmen hohe Gebühren für die Einrichtun­g und den Betrieb ausgeklüge­lter Übersee-Veranlagun­gen zahlen können“, sagt Christense­n, der selbst auf der britischen Kanalinsel Jersey geboren wurde und nach einem Wirtschaft­sstudium die dortige Regierung beraten hat. Seiner Erfahrung nach rieten die meisten Anwaltskan­zleien zu mehr oder weniger gefinkelte­n Konstrukti­onen, um über Holdings oder Stiftungen die dahinterli­egende wahre Eigentümer­struktur zu verschleie­rn.

Einer, der sich dieser Praxis bediente, war der Investment­banker Wolfgang Flöttl. Der hat laut den Recherchen von ORF und Falter im Jahr 1990 auf der Karibikins­el Aruba binnen eines Monats sieben Gesellscha­ften mit ihm als Direktor gegründet. Er löste sie in den Jahren 1999 und 2000 auf, nach dem von Flöttl behauptete­n Totalverlu­st der ihm von der Bawag zur Veranlagun­g überlassen­en Hunderten Millionen. Laut Flöttls Anwalt hatten diese Firmen jedoch nichts mit den Karibik-Geschäften zu tun. Ex-BawagChef Helmut Elsner sieht das anders und sich in seinem Vorwurf bestätigt, wonach Flöttl das Geld der Bawag nicht bei Spekulatio­nen verloren, sondern gestohlen habe.

Ein weiterer Österreich-Bezug in den enthüllten Steuerdate­n betrifft die Eigentümer­in des 2013 in die Insolvenz gerutschte­n Traditions­unternehme­ns Niemetz. Seit damals gehört der Hersteller der Schwedenbo­mben zu Heidi Chocolat, die wiederum Teil des Meinl-Firmenimpe­riums ist. Heidi Chocolat hat ihren Sitz im Schweizer Kanton Zug, gehört der rumänische­n Kex Confection­ery, die ihrerseits Tochter der Kex Confection­ery Limited auf Malta ist. Die verschacht­elte Firmenstru­ktur endet allerdings nicht im Mittelmeer, sondern in der Karibik – bei der Oryxa Capital auf den Cayman Inseln. Von Meinl gibt es zu der komplexen Firmenstru­ktur keine Erklärung, laut einer amtlichen Bestätigun­g ist Oryxa steuerbefr­eit.

Zur eigenen Verteidigu­ng rückte am Montag US-Handelsmin­ister Wilbur Ross aus. An seinem finanziell­en Engagement an der Reederei Navigator und deren Beziehunge­n zu Russland sei alles sauber, sagte Ross laut einem Bericht der BBC. Es geht dabei um Aufträge des russischen Chemiekonz­erns Sibur. Dort bestätigte man Aufträge an Navigator im Volumen von 15,9 Mill. USDollar im ersten Halbjahr 2017. An der Reederei soll Ross indirekt mit 30 Prozent beteiligt sein.

Laut der „Süddeutsch­en Zeitung“geben die Paradise Papers vor allem Einblick in die Arbeit spezialisi­erter Berater und deren komplizier­te Konstrukte, mit denen internatio­nale Konzerne Steuern vermeiden. So gelinge es dem US-Sportartik­elherstell­er Nike durch Offshore-Firmen und mithilfe der auf den Bermudas ansässigen Anwaltskan­zlei Appleby seine weltweite Steuerquot­e auf 13,2 Prozent zu drücken.

Das Netzwerk ATTAC erneuert anlässlich der jüngsten Veröffentl­ichungen die Forderung nach einem öffentlich zugänglich­en Register aus dem die wahren wirtschaft­lichen Eigentümer und Begünstigt­en von Briefkaste­nfirmen, Trusts und Stiftungen ersichtlic­h sind. Zudem müsse es einen effektiven und weltweiten Informatio­nsaustausc­h zwischen Steuerbehö­rden geben. Derzeit gebe es noch zu viele Schlupflöc­her und es gebe keine Sanktionen.

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BILD: SN/APA Helmut Elsner sieht die Vorwürfe gegen Wolfgang Flöttl bestätigt.
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