Paradise Papers gegen Steuerschlupflöcher
Die Paradise Papers zeigen unter anderem, was Schwedenbomben mit der Karibik zu tun haben. Der Chef des Netzwerks Steuergerechtigkeit fordert, dass auch legale Steuerschlupflöcher geschlossen werden.
Die Enthüllungen in den Paradise Papers rücken wieder ein Thema in den Vordergrund: Was tun gegen Steuerschlupflöcher, auch legale?
Die jetzt aufgetauchten Paradise Papers sind nur die bisher letzte Enthüllung über die Versuche von Unternehmen und Personen, Geld steuerschonend zu parken. 13,4 Millionen Dokumente hat das internationale Journalistennetzwerk ICIJ veröffentlicht. Doch auch diese Daten sind zusammen mit den 11,5 Mill. Dateien aus den im Frühjahr 2016 bekannt gewordenen Panama Papers (aus der Steuerkanzlei Mossack Fonseca) nur „die Spitze des Eisbergs“, sagt John Christensen, der Geschäftsführer des Internationalen Sekretariats des Tax Justice Networks (TJN, Netzwerk für Steuergerechtigkeit) in London.
Denn die Anwaltskanzlei Appleby ist ebenso wie Mossack Fonseca im Fall der Panama-Papiere nur eine von zahlreichen ähnlichen Firmen, die sich auf steuerschonende Finanzkonstruktionen in Übersee spezialisiert haben. Solche Kanzleien und Finanzberater sind mitunter seit Jahrzehnten aktiv.
Freilich ist Steuervermeidung per se noch kein Verbrechen, oftmals sind Inhaber großer Vermögen oder hoher Gewinne lediglich darauf bedacht, legale Schlupflöcher zu nutzen. Doch für TJN-Chef Christensen ist nicht nur Steuerhinterziehung, sondern jeder Versuch, sich der vorgesehenen Besteuerung zu entziehen, „moralisch verwerflich, denn das höhlt den Sozialvertrag aus und schädigt die Demokratie“. Es handle sich keineswegs um ein Kavaliersdelikt ohne direkt Geschädigte, Opfer seien vielmehr „die ärmsten und verletzlichsten Menschen in unserer Gesellschaft“.
Christensen schätzt, dass mehr als 90 Prozent jener 36 Bill. US-Dollar an Privatvermögen, die in Steuerparadiesen geparkt sind, zu besteuerndes Vermögen sind, und somit staatlichen Budgets Einnahmen aus Steuern auf Erbschaften, Kapitalerträge, Vermögen oder Einkünfte vorenthalten werden.
Wie hoch der Anteil illegal geparkter Gelder ist, müssten Gerichte klären. Doch Christensen verweist auf die Erfahrungen bei den Panama Papers. Da habe sich letztlich gezeigt, dass sich viele Konstruktionen als illegal herausstellen, „wenn die Ermittler einmal genau zu untersuchen anfangen“.
Das hängt wohl auch damit zusammen, dass typische Konstruktionen zur Steuervermeidung gar nicht so billig sind. „So ein Modell kann viele Tausend Euro jährlich kosten und ist daher den reichen Eliten vorbehalten, die Anwälten und Beratungsfirmen hohe Gebühren für die Einrichtung und den Betrieb ausgeklügelter Übersee-Veranlagungen zahlen können“, sagt Christensen, der selbst auf der britischen Kanalinsel Jersey geboren wurde und nach einem Wirtschaftsstudium die dortige Regierung beraten hat. Seiner Erfahrung nach rieten die meisten Anwaltskanzleien zu mehr oder weniger gefinkelten Konstruktionen, um über Holdings oder Stiftungen die dahinterliegende wahre Eigentümerstruktur zu verschleiern.
Einer, der sich dieser Praxis bediente, war der Investmentbanker Wolfgang Flöttl. Der hat laut den Recherchen von ORF und Falter im Jahr 1990 auf der Karibikinsel Aruba binnen eines Monats sieben Gesellschaften mit ihm als Direktor gegründet. Er löste sie in den Jahren 1999 und 2000 auf, nach dem von Flöttl behaupteten Totalverlust der ihm von der Bawag zur Veranlagung überlassenen Hunderten Millionen. Laut Flöttls Anwalt hatten diese Firmen jedoch nichts mit den Karibik-Geschäften zu tun. Ex-BawagChef Helmut Elsner sieht das anders und sich in seinem Vorwurf bestätigt, wonach Flöttl das Geld der Bawag nicht bei Spekulationen verloren, sondern gestohlen habe.
Ein weiterer Österreich-Bezug in den enthüllten Steuerdaten betrifft die Eigentümerin des 2013 in die Insolvenz gerutschten Traditionsunternehmens Niemetz. Seit damals gehört der Hersteller der Schwedenbomben zu Heidi Chocolat, die wiederum Teil des Meinl-Firmenimperiums ist. Heidi Chocolat hat ihren Sitz im Schweizer Kanton Zug, gehört der rumänischen Kex Confectionery, die ihrerseits Tochter der Kex Confectionery Limited auf Malta ist. Die verschachtelte Firmenstruktur endet allerdings nicht im Mittelmeer, sondern in der Karibik – bei der Oryxa Capital auf den Cayman Inseln. Von Meinl gibt es zu der komplexen Firmenstruktur keine Erklärung, laut einer amtlichen Bestätigung ist Oryxa steuerbefreit.
Zur eigenen Verteidigung rückte am Montag US-Handelsminister Wilbur Ross aus. An seinem finanziellen Engagement an der Reederei Navigator und deren Beziehungen zu Russland sei alles sauber, sagte Ross laut einem Bericht der BBC. Es geht dabei um Aufträge des russischen Chemiekonzerns Sibur. Dort bestätigte man Aufträge an Navigator im Volumen von 15,9 Mill. USDollar im ersten Halbjahr 2017. An der Reederei soll Ross indirekt mit 30 Prozent beteiligt sein.
Laut der „Süddeutschen Zeitung“geben die Paradise Papers vor allem Einblick in die Arbeit spezialisierter Berater und deren komplizierte Konstrukte, mit denen internationale Konzerne Steuern vermeiden. So gelinge es dem US-Sportartikelhersteller Nike durch Offshore-Firmen und mithilfe der auf den Bermudas ansässigen Anwaltskanzlei Appleby seine weltweite Steuerquote auf 13,2 Prozent zu drücken.
Das Netzwerk ATTAC erneuert anlässlich der jüngsten Veröffentlichungen die Forderung nach einem öffentlich zugänglichen Register aus dem die wahren wirtschaftlichen Eigentümer und Begünstigten von Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen ersichtlich sind. Zudem müsse es einen effektiven und weltweiten Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden geben. Derzeit gebe es noch zu viele Schlupflöcher und es gebe keine Sanktionen.