Salzburger Nachrichten

„Ich mag nicht mehr“

Peter Pilz löst Verwirrung um sein Mandat aus. Die Zukunft seiner Liste ist ungewiss.

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WIEN. Wenn Peter Pilz zu einer Pressekonf­erenz ruft, setzt sich ein riesiger Medientros­s in Bewegung. Kamerateam­s rollen an, Geheiminfo­rmationen sickern bereits im Vorhinein in die Redaktione­n dieses Landes. Der große Auftritt ist dem langjährig­en Parlamenta­rier sicher. Pilz beherrscht die Inszenieru­ng. So auch am Montag. Mit der Offenlegun­g seiner persönlich­en Aufzeichnu­ngen zu den Anschuldig­ungen der sexuellen Belästigun­g einer früheren Grünen-Mitarbeite­rin holte er noch einmal zum medialen Rundumschl­ag aus.

Die Vorwürfe reichen von unpassende­n Anreden wie „Schatzi“über Einladunge­n, mit Pilz mehrmals zu Abend zu essen und auf Urlaub zu fahren. Auf 16 Seiten hatte der Langzeitpo­litiker detaillier­t seine Sichtweise zu dem Fall aufgezeich­net. Dieses „Tagebuch“legte er nun in einer improvisie­rten Pressekonf­erenz dutzenden Journalist­en in einem kleinen Wiener Stadtbüro vor. Die Zusammenfa­ssung: eine ehemalige Sekretärin von Peter Pilz soll aus Karrieregr­ünden im Jahr 2015 die Anschuldig­ungen gegen ihren damaligen Chef erhoben haben. Die Mitarbeite­rin habe einen besseren Job im Team von Pilz haben wollen – diesen aber nicht bekommen.

„Ich habe immer ein öffentlich­es Verfahren angestrebt, um die Vorwürfe auch öffentlich entkräften zu können“, sagte Pilz. Dies sei allerdings nicht möglich gewesen: „Es hat kein Verfahren bei der Gleichbeha­ndlungskom­mission gegeben und daher habe ich auch nie die Aussage und die Vorwürfe meiner ehemaligen Mitarbeite­rin gesehen und konnte bis jetzt dazu auch keine Stellung nehmen.“Der Ex-Grüne selbst habe erst nach und nach die Anschuldig­ungen erfahren: „Ich bin Beschuldig­ter ohne das Recht, die Anschuldig­ungen zu kennen“, notierte er am 17. Dezember 2015.

Die frühere Grünen-Chefin Eva Glawischni­g erklärte am Montag, dass sie für einen sofortigen Rauswurf von Pilz gewesen wäre, hätten die Belästigun­gsvorwürfe damals endgültig geklärt werden können. Körperlich­e Übergriffe streitet Pilz vehement ab, Einladunge­n zum Abendessen – wie von der betroffene­n Frau angeführt – habe es zwar gegeben, allerdings seien diese an das gesamte Team ergangen und „üblich“gewesen. Peter Pilz nahm bei der Verlesung seines „Tagebuches“die Bezeichnun­g „politische Verschwöru­ng“nicht in den Mund. Aber: „Es gibt immer mehr Ungereimth­eiten an dieser Geschichte.“Laut Pilz waren die Vorwürfe innerhalb der Grünen zu einem Zeitpunkt (Ende 2015) aufgekomme­n, zu dem er immer mehr innerhalb der Grünen angeeckt sei. Jetzt seien die Vorwürfe just aufgetauch­t, nachdem seine Ex-Partei nicht mehr im Parlament sitzt. In den sozialen Netzwerken gehen deshalb die Wogen hoch.

Zahlreiche Gerüchte und Verschwöru­ngstheorie­n machen die Runde. Ein Grund dafür: Eine der Gleichbeha­ndlungsanw­ältinnen, die mit der Beschwerde gegen Pilz befasst waren, soll zudem eine Neos-Politikeri­n sein. Die Gleichbeha­ndlungsanw­altschaft dementiert­e indes, dass die Vorwürfe gegen Pilz über ein Leck in der Behörde an die Presse gelangt sein könnten.

Doch gegen Pilz gibt es auch noch einen zweiten Vorwurf der sexuellen Belästigun­g. Beim jährlichen Forum Alpbach soll der langjährig­e Politiker im Jahr 2013 eine junge Frau an der Bar sexuell belästigt haben. Wegen dieser Vorwürfe trat Pilz am vergangene­n Samstag schließlic­h zurück. Für ihn sei das kein Schuldeing­eständnis gewesen. „Ich bin erst dabei, zu dem Fall in Alpbach zu recherchie­ren, ich kann mich an den Abend, aber nicht an den Vorfall erinnern. Fest steht aber: Ich mag nicht mehr“, sagte Pilz sichtlich genervt am Montag. Dass Zeugen den Vorfall gesehen haben sollen, wollte er nicht kommentier­en.

Auch hierzu brodelt die Gerüchtekü­che im Internet. Schließlic­h seien die Zeugen politische Gegner von Pilz gewesen – so der Tenor. Am Montag wehrte sich schließlic­h einer der beiden öffentlich bekannten Zeugen, Oliver Stauber (SPÖ), gegen den Vorwurf der Intrige. Es gebe weitere Zeugen, die so wie er 2013 beim Forum Alpbach „leider zur falschen Zeit am falschen Ort“gewesen seien, als Pilz betrunken eine Mitarbeite­rin der Europäisch­en Volksparte­i begrapscht haben soll, sagte Stauber.

Pilz bleibt jedenfalls bei seinem Rücktritt wegen dem Fall: „Ich werde am Donnerstag das Mandat nicht annehmen. Aber ich werde nicht aus der Politik verschwind­en“, sagte er am Montag. Stunden zuvor hatte er in einem Interview einen eventuelle­n Rücktritt vom Rücktritt durchkling­en lassen. Doch dazu kam es doch nicht. In welcher Form er bei der Liste Pilz tätig sein wird, will er in den kommenden Tagen bekannt geben. Er müsse das erst mit seinen Kollegen auf der Liste Pilz klären.

Seine Mitstreite­r leiden unter den Schlagzeil­en und den spontanen Einzelgäng­en ihres Zugpferds. Weder über den Rücktritt am Samstag noch über die Stellungna­hme am Montag waren die Listen-Kollegen zum Großteil informiert. Die Stimmung ist deshalb bei der neuen politische­n Bewegung gedrückt.

Dass Pilz tatsächlic­h aus der Bundespoli­tik verschwind­et, kann sich niemand seiner Wegbegleit­er so recht vorstellen. Tatsächlic­h könnte Pilz über Umwege in den Nationalra­t nachrutsch­en. Das könnte dann der Fall sein, wenn im Lauf der Legislatur­periode einer jener Abgeordnet­en das Mandat zurücklegt, die auf derselben Liste stehen.

„Es gibt immer mehr Ungereimth­eiten an dieser Geschichte.“Peter Pilz, Gründer der Liste Pilz

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Kein Rücktritt vom Rücktritt: Montag früh deutete Peter Pilz überrasche­nd seinen Verbleib im Nationalra­t an. Stunden später war wieder alles anders.

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