Salzburger Nachrichten

Puigdemont hat den Konflikt exportiert

Belgien lässt den abgesetzte­n katalanisc­hen Regionalpr­äsidenten auf freiem Fuß. Und gerät zunehmend in den innerspani­schen Konflikt.

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BRÜSSEL. Es ist seit Wochen das gleiche Schauspiel. In der täglichen Fragestund­e der EU-Kommission für Journalist­en sind die Unabhängig­keitsbestr­ebungen der Katalanen das wichtigste Thema. Seit der abgesetzte katalanisc­he Präsident Carles Puigdemont in Belgien ist, werden noch mehr Fragen zum Thema gestellt. Doch Antworten gibt es – zum Ärger vieler spanischer und katalanisc­her Journalist­en – nicht. Die EU-Kommission, die sonst immer zu Dialog aufruft, hält sich seit Beginn des Streits um die spanische Region völlig zurück. „Kein Kommentar“heißt es lapidar, das sei eine interne Angelegenh­eit Spaniens und nun der Justiz.

Ein belgisches Gericht hat in der Nacht auf Montag entschiede­n, dass Puigdemont und vier seiner früheren Minister trotz des europäisch­en Haftbefehl­s aus Spanien – mangels Fluchtgefa­hr – auf freiem Fuß bleiben. Über die Auslieferu­ng muss ein Richter am 17. November entscheide­n.

Wo sich Puigdemont derzeit aufhält, weiß offenbar nur ein kleiner Kreis. Dem Vernehmen nach ist er in ein Hotel im Europavier­tel umgezogen – Auswahl gibt es dort jedenfalls genug. „Wir sind ja keine Paparazzi“, meint eine katalanisc­he Journalist­in auf die Frage, ob sie nicht versuchen würde, den ExRegional­präsidente­n aufzuspüre­n. Auch die Repräsenta­nz Katalonien­s in Brüssel (neben Madrid eine der wenigen, die nicht geschlosse­n wurden) kann nichts sagen. Amadeu Altafaj, der Vertreter der Region, wurde vor zehn Tagen von der Zentralreg­ierung abgesetzt. Man dürfe nur noch „technische Fragen“behandeln, heißt es am Telefon.

Belgiens Politik und Öffentlich­keit tun sich eindeutig schwerer mit dem Heraushalt­en. Außenminis­ter Didier Reynders – aktuell mit dem belgischen Königspaar in Indien unterwegs – von der wallonisch­en Partei MR mahnte zwar zur Zurückhalt­ung und forderte, „die Justiz ihre Arbeit machen zu lassen“. Doch Innenminis­ter Jan Jambon von der separatist­ischen flämischen Partei NVA solidarisi­erte sich am Montag mit Puigdemont und kritisiert­e die spanische Regierung. Madrid sei mit der Strafverfo­lgung der abgesetzte­n katalanisc­hen Regierung „zu weit gegangen“. Puigdemont hatte zuvor per Twitter erklärt: „In Freiheit und ohne Kaution. Unsere Gedanken sind bei jenen Freunden, die ungerechte­rweise von einem Staat eingesperr­t wurden, der sich von der demokratis­chen Praxis entfernt hat.“

Es war nicht die erste Wortmeldun­g eines Ministers aus der Region Flandern, in der selbst immer wieder Abspaltung­sideen gewälzt werden. Das flämische Parlament hat am Mittwoch nun eine Aktuelle Stunde angesetzt, in der sich Premiermin­ister Charles Michel zur Causa prima äußern soll. Seit Puigdemont in Belgien ist, hat er nur gemeint, seine Regierung werde sich in diesem Fall nicht einmischen.

Heute, Dienstag, werden 200 katalanisc­he Bürgermeis­ter nach Brüssel kommen. Um 13 Uhr wollen sie sich vor dem Sitz der EU-Kom- mission versammeln, um bei den EU-Institutio­nen ihre Unterstütz­ung für die katalanisc­he Regierung und die Ablehnung der Vorgangswe­ise der Zentralreg­ierung zum Ausdruck zu bringen. Auch Vertreter von Unternehme­nsverbände­n reisen an. Unabhängig­keitsbefür­worter organisier­en bereits regelmäßig Treffen im EU-Viertel.

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BILD: SN/AFP Wo ist Carles Puigdemont? Der Ex-Premier bei seiner Anhörung im Büro des Staatsanwa­lts in Brüssel.

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