„Effizienter Verbraucherschutz ist doch ein großer EU-Erfolg“
Es ist grau am Morgen in diesem Teil des Brüsseler Europaviertels: Bürohausschluchten, vierspurige Durchzugsstraßen — aber ohne die beeindruckende Höhe von Downtown Manhattan oder die verwegene Architektur von Londons Financial District. In einem der Stahlbetontürme haben Europas Konsumentenschützer ihren Sitz. Und im Erdgeschoß ein überraschend einladendes FrühstücksBrunch-Lokal mit dem passenden Namen „The Office“. Ursula Pachl, die Vizechefin von BEUC, dem Dachverband von mehr als 40 Verbraucherschutzorganisationen in der EU, hat es für ein Frühstück vorgeschlagen, weil es im Grunde die Verlängerung ihres Büros ist. Die gebürtige Vorarlbergerin und Mutter von drei Buben arbeitet seit 20 Jahren für das Bureau Européen des Unions de Consommateurs, das unter den Lobbyistenverbänden in Brüssel als sakrosankt und ziemlich einflussreich gilt. Die promovierte Juristin kann viel darüber erzählen, wo Druck, Expertise und Einsatz der heute 42 Mitarbeiter des BEUC im „Maschinenraum der EU-Rechtssetzung“ den Verbrauchern mehr Rechte und Information oder weniger Gefahren und Ärger gebracht haben.
Pachl kennt auch die Schwäche des EU-Verbraucherschutzes: Europäische Konsumenten haben zwar viele Rechte, können sie aber schwer durchsetzen. Im Skandal um überhöhte Abgaswerte von Diesel-Pkw sind Europas Autobesitzer bisher leer ausgegangen, in den USA hingegen wurden die ersten schon im Mai 2016 entschädigt. Denn in der EU würden seit 20 Jahren Sammelklagen diskutiert, aber mit dem vorgeschobenen Argument der Missbrauchsmöglichkeit politisch verhindert. „Ein Skandal in sich“, findet Pachl, und ein „Gerechtigkeitsdefizit“.
Derzeit beschäftigt sie der Mangel an Transparenz in der Digitalwirtschaft. Kunden zahlen „mit Daten“– jeder Klick, jede Google-Suche hat Bedeutung, und wer was zu sehen bekommt, bestimmen Algorithmen. „Wir wissen da überhaupt nichts“, sagt Pachl. Viele der neuen Regeln, die in der EU gerade entstehen, hinken den Problemen hinterher.
Dass die europäischen Verbraucher bereits mehr geschützt sind, als ihnen lieb ist, glaubt Pachl nicht, obwohl es im EU-Gesetzesdschungel schon einiges zu durchforsten gäbe. Bei vielen Substanzen wie dem Unkrautvernichter Glyphosat komme man gerade erst darauf, welche Auswirkungen sie auf Krankheiten haben.
Sie sei, sagt sie, manchmal frustriert über Freunde in Österreich, die Brüssel nur als Bürokratiemonster sehen, obwohl der EUVerbraucherschutz „eine absolute Erfolgsgeschichte“ist, vom Roaming-Aus bis zum Datenschutz oder den Airline-Passagierrechten. Aber Dankbarkeit ist eben keine politische Kategorie. MONIKA.GRAF@SN.AT