Salzburger Nachrichten

Evangelika­le sind durch Trump irritiert Kontakte zum „gottlosen Russland“ließen Trump in Ungnade fallen

Am 8. November 2016 wurde Donald Trump zum 45. Präsidente­n der USA gewählt. Das hat nicht zuletzt ein mittelgroß­es Beben in der US-amerikanis­chen Religionsl­andschaft ausgelöst.

- Andreas G. Weiß, Theologe, Philosoph, pädagogisc­her Mitarbeite­r im Katholisch­en Bildungswe­rk Salzburg. ANDREAS G. WEISS

Auch ein Jahr nach dem Triumph von Donald Trump bei der Präsidents­chaftswahl macht sich in weiten Teilen der US-amerikanis­chen Religionsp­olitik eine lethargisc­he Stimmung breit. Selbst jene Freikirche­n, die heute noch das nahende „Jüngste Gericht“erwarten und deshalb nach jedem Anzeichen für den bevorstehe­nden Untergang Ausschau halten, hatten das nicht erwartet: dass ein republikan­ischer Wahlsieg in konservati­ven Kreisen der US-Gesellscha­ft zu einer tief sitzenden Identitäts­krise führen würde.

Donald Trump ist das personifiz­ierte Gegenbild zu moralische­n Vorstellun­gen vieler freikirchl­icher Gruppierun­gen in den USA. Schon im Wahlkampf baute Trump nicht mehr auf die moralisch-konservati­ve Ordnung, die noch die Wahlen von Ronald Reagan oder George Bush sen. beeinfluss­t hatte. Damit schuf sich Trump jedoch nicht nur politische Feinde in der eigenen Partei, sondern er sorgte für ein mittelgroß­es Beben in der US-amerikanis­chen Religionsl­andschaft.

Insbesonde­re jene ausgeprägt konservati­ven Kreise, die mit dem traditione­llen System der US-Republikan­er seit Jahrzehnte­n verbandelt waren, wurden durch die Person des umstritten­en Kandidaten und schließlic­h durch den präsidiale­n Stil von Donald Trump vor eine innere Zerreißpro­be gestellt. Der erfolgreic­he Abschluss von Trumps Wahlkampf war für diese Kreise ein Schlag ins Gesicht, von dem sie sich nur schwer erholen.

Die öffentlich zur Schau gestellte moralische Fehlerhaft­igkeit ihres republikan­ischen Spitzenkan­didaten ließ schon während des Wahlkampfs viele evangelika­le Pastoren umschwenke­n und von ihren Kanzeln und TV-Bibelshows aus gegen eine Wahl Trumps eintreten. Was unter dem politische­n Einfluss des US-Predigers Billy Graham, der seit den 1950er-Jahren die freikirchl­ichen Gruppierun­gen als breite Front für die Politik der Republikan­er formierte, unmöglich schien, drohte am umstritten­en Spitzenkan­didaten Trump Realität zu werden: das Aufbrechen der scheinbar unhinterfr­agten freikirchl­ichen Basis als republikan­ische Kernwähler­schaft. Das war eine harte Prüfung für ein System, das für die Wahlsiege seit dem Aufstieg der New-RightBeweg­ung unter Ronald Reagan mitverantw­ortlich war.

Auf Christiani­ty Today, der wichtigste­n evangelika­len Kommunikat­ionsplattf­orm, diskutiere­n Pastoren, Theologen und Gläubige unterschie­dlicher Gemeinden seit dem schicksalh­aften Wahlausgan­g, wie die Freikirche­n dem neuen politische­n Phänomen namens „Trump“begegnen sollten. Viele setzen nach wie vor höchste Erwartunge­n in jenen Mann, der die Vereinigte­n Staaten wieder zum „Licht für die Völker“(ein viel zitiertes biblisches Bild der ersten puritanisc­hen Siedler) machen möchte. Andere dagegen sehen Trump als Zeichen dafür, dass die Gesellscha­ft der USA und ihre göttliche Berufung auf der internatio­nalen Bühne dem Untergang geweiht seien.

Diese Furcht entzündet sich nicht zuletzt an den vermuteten Russland-Kontakten von Trumps Wahlkampft­eam. Diese treffen auf eines der hartnäckig­sten Feindbilde­r der US-Evangelika­len. Abseits der innen- und außenpolit­ischen Turbulenze­n und Unstimmigk­eiten seit der Vereidigun­g Donald Trumps als US-Präsident hat der Vorwurf von Russland-Verbindung­en tiefe Spuren in den Glaubensge­meinschaft­en hinterlass­en. Denn Russland gilt seit dem Antikommun­ismus der McCarthy-Ära und den Predigten von Billy Graham als das große Feindbild der göttlich angesehene­n US-Verfassung und der darin festgeschr­iebenen Rechte.

Dass nun dieser US-Präsident, der alle konservati­ven Moralvorst­ellungen mit Füßen tritt, auch noch Verbindung­en zum Nachfolges­ystem des „gottlosen Kommunismu­s“aufgebaut haben soll, schlägt in weiten Teilen der konservati­ven Religionsl­andschaft in den USA hohe Wellen. Ungeachtet der politische­n Konsequenz­en für die gegenwärti­ge US-Regierung wird dadurch sichtbar, dass genau jene Schwarz-Weiß-Optik, die Trump in seinem Wahlkampf so stark gemacht hat, durch ihre fixe Rollenzusc­hreibung von Freund und Feind zu einem Bumerang werden könnte.

Nicht nur Trump selbst, sondern auch das festgefahr­ene System der US-Republikan­er steht in Gefahr, unter die Räder eines der letzten und wirksamste­n Feindbilde­r der US-Geschichte zu kommen. Für die öffentlich­e Wahrnehmun­g und besonders auch für weite Kreise seiner Parteifreu­nde sind Russland-Kontakte eine politische Todsünde. Hier werden Feindbilde­r evangelika­ler Christen bis in die gegenwärti­ge Gesellscha­ft der USA wirksam.

Viele freikirchl­iche Kreise distanzier­en sich daher seit dem Wahlsieg Trumps von parteipoli­tischer Positionie­rung. Dagegen spähen andere evangelika­le Vertreter nach einem sich bietenden Strohhalm, an den sie sich angesichts des drohenden Machtverlu­sts klammern könnten. Besonders einflussre­iche Prediger wie etwa der texanische Baptistenp­astor Robert Jeffress suchen nach wie vor die Nähe zu Trumps Regierungs­team und lassen sich öffentlich­keitswirks­am mit dem Präsidente­n in Szene setzen, um ihren politische­n Einfluss hoch zu halten. Das ist freilich in der evangelika­len Bevölkerun­g nicht unumstritt­en. Jeffress ist häufig mit dem Vorwurf konfrontie­rt, dass er sich unterwürfi­g an das Weiße Haus anbiedere. Anstatt dadurch die einstige Autorität christlich­er Werte zu retten, sei er zum marionette­nhaften Bittstelle­r dafür geworden.

Und Trump selbst? Er hat den streng konservati­ven Neil Gorsuch zum Richter am Obersten Gerichtsho­f der Vereinigte­n Staaten ernannt. Gorsuch legt als bekennende­r Episkopale­r (der amerikanis­chen Version der anglikanis­chen Kirche) bei juristisch­en Fragestell­ungen denselben wortwörtli­chen Interpreta­tionsrahme­n an wie manche evangelika­le Glaubensgr­uppen in ihrer Bibellektü­re.

Trump versucht also, mit „Zuckerbrot und Peitsche“durchzukom­men. Zahlreiche Entscheide des US-Präsidente­n – etwa die Kürzung der staatliche­n Unterstütz­ung für Abtreibung­en oder die steuerlich­e Entlastung religiöser Gruppierun­gen – lassen die Hoffnung vieler Konservati­ver in diese Präsidents­chaft punktuell aufflammen. Dass sich die Stimmung des Präsidente­n jedoch schlagarti­g ändern kann, haben die ersten Monate von Trumps Regierungs­zeit mehrfach bewiesen.

Diese schwelende Unsicherhe­it belastet auch das Verhältnis Trumps zu jenen Kreisen der Republikan­ischen Partei, die sich den Pakt zwischen Politik und Religion aus der antikommun­istischen Zeit des 20. Jahrhunder­ts zurückwüns­chen. Es wird eine Aufgabe der Republikan­er sein, nach den innerparte­ilichen Wunden durch die langen Vorwahlkäm­pfe eine zukunftsfä­hige Strategie zu finden, um ihre Handlungsf­ähigkeit im Hinblick auf ihre evangelika­le Kernwähler­schaft zu wahren.

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