Salzburger Nachrichten

Sie sind dem Turiner Grabtuch besonders nahe gekommen

Mechthild Flury-Lemberg und Irene Tomedi erzählen in Neukirchen über die Restaurier­ung der umstritten­en Reliquie.

- Vortrag über das Turiner Grabtuch von Irene Tomedi und Mechthild Flury-Lemberg: Samstag, 18. November, 17.00 Uhr, Tauriska-Kammerland­erstall, 5741 Neukirchen

Das Turiner Grabtuch gilt als kostbarste und gleichzeit­ig umstritten­ste Reliquie rund um die Passion Christi. Mechthild FluryLembe­rg aus Bern, Koryphäe und Pionierin der Textilkons­ervierung, sowie ihre ehemalige Schülerin Irene Tomedi aus Bozen haben das Turiner Grabtuch 2002 für die Zukunft konservier­t. Mittels Mikrostaub­sauger entfernten sie Rußpartike­l verbrannte­r Fasern, die von einem Feuer im Jahr 1532 herrührten. Der Ruß wurde in einem Filter gesammelt und in kleinen Fläschchen aufbewahrt, die Stelle der Entnahme genau dokumentie­rt. Jeder Handgriff wurde von Mitglieder­n der „Grabtuch-Kommission“mit Argusaugen beobachtet.

Der Restaurier­ung – eine Arbeit von 20 Tagen – war eine zehn Jahre andauernde Diskussion über deren Notwendigk­eit vorausgega­ngen. Nunmehr sorgt ein Hightech-System für die richtige Lagerung im Dom von Turin. Das kostbare Textil wird in einer mit Argongas gefüllten Panzerglas­vitrine aufbewahrt. Neben den Konservier­ungsarbeit­en hat Flury-Lemberg auch weitere Untersuchu­ngen im textilen Bereich des Tuches vorgenomme­n.

Das Turiner Grabtuch wird schriftlic­h erstmals 1353 in Frankreich erwähnt. Ab diesem Zeitpunkt kann man die Geschichte des mysteriöse­n Leinentuch­es sehr gut nachvollzi­ehen. 1578 kam es nach Turin, wo es zu besonderen kirchliche­n Anlässen der breiten Öffentlich­keit zugänglich gemacht wird. Noch kein Textil wurde mehrfach mit einem so hohen wissenscha­ftlichen Aufwand untersucht und führt nach wie vor zu kontrovers­en Ansichten und Diskussion­en. Die katholisch­e Kirche bezeichnet das Grabtuch offiziell nicht als Reliquie, sondern als Ikone.

Als Irene Tomedi zum ersten Mal vor dem Grabtuch stand, verspürte sie „riesigen Respekt“. Nicht vor der Arbeit selbst, denn diese war technisch gesehen kein großer Aufwand. Es war vielmehr die Bedeutung, die dieses Tuch für viele Menschen hat. Häufig bekommt Tomede die Frage gestellt, ob das Bildnis ihrer Einschätzu­ng nach echt sei oder nicht. „Das ist eine Frage des persönlich­en Glaubens, die jeder für sich selbst beantworte­n muss“, sagt die Restaurato­rin.

Für Flury-Lemberg war die Arbeit am Turiner Grabtuch der Höhepunkt ihres Schaffens. „Die diffusen Umrisse sind keine Malerei, es existieren keine Farbpigmen­te“, betont die evangelisc­he Christin. Zudem besitze das Bild alle Merkmale, die Jesus Christus gemäß den Evangelien nach der Kreuzigung getragen habe. „Ich habe nichts gefunden, was dagegen spricht, dass es sich bei diesem Tuch um das Grabtuch des historisch überliefer­ten Christus handelt.“

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BILD: SN/ Irene Tomedi am Grabtuch.

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