Superstürme können Berge versetzen
Riesige Felsbrocken auf den Bahamas und den Bermudas im Atlantik wurden von gewaltigen vorzeitlichen Stürmen durch die Luft gewirbelt. Die heutigen Hurrikans könnten das auch schon. Es fehlt aber noch eine „Zutat“.
Auf den Bahamas wurden vor mehr als 100.000 Jahren tonnenschwere Felsbrocken durch Sturmwellen auf die Klippe gespült. Ob die Felsen tatsächlich von vorzeitlichen Superstürmen bewegt wurden, untersuchten jetzt Forscher vom Zentrum für Marine Umweltwissenschaften Bremen sowie Tropenforscher. Sie fanden heraus, dass die Stärke heutiger Stürme verbunden mit einem wenige Meter höheren Meeresspiegel hierfür ausreichen würde.
Weltweit sind Küstenregionen durch Klimawandel und Meeresspiegelanstieg gefährdet. Wärmere klimatische Bedingungen können Stürme verstärken und lassen Überflutungen häufiger auftreten. Das ist eine wachsende Bedrohung für die Bevölkerung, die Infrastruktur und Industrie in Küstennähe.
Darum ist es wichtig, das Ausmaß besser abschätzen zu können, in dem extreme Stürme an Intensität und Häufigkeit zunehmen werden. Für Vergleiche wird häufig die letzte Warmzeit vor 128.000 bis 116.000 Jahren herangezogen. Das war die Periode der Erdgeschichte, in der das Klima zum letzten Mal wärmer war als zur vorindustriellen Zeit. Der Meeresspiegel lag höher als heute. Simulationen zeigen, dass in dieser Zeit der Nordatlantik von Superstürmen geprägt war – stärker als jeder Sturm seit Beginn der instrumentellen Aufzeichnungen.
An den Ostküsten Bermudas und der Bahamas zeugen Ablagerungen von den einstigen Sturmwellen, die das Land überspült haben, darunter auch riesige Felsbrocken. „Wir wollten wissen, wie viel Energie Sturmwellen brauchen, um solche massiven Felsen von der Klippenkante auf ihre heutige Position zu bewegen, und ob die Energie durch einen heutigen Sturm das auch schaffen könnte“, erklärt Alessio Rovere vom Forschungszentrum Bremen.
Auf einer etwa 15 Meter hohen Klippe auf der Bahamas-Insel Eleuthera liegen sieben Felsbrocken, die von Superstürmen dorthin verfrachtet worden sein könnten. Sie sind so gigantisch, dass es unvorstellbar ist, dass diese Felsen von Wellen dort abgelegt wurden.
Zwei der größeren Felsbrocken sind in der Region unter den Namen „Cow“und „Bull“bekannt. Rovere und sein Team haben diese beiden vermessen und ein Gewicht von 383 Tonnen für den kleineren Felsen und 925 Tonnen für den größeren Berg ausgerechnet. Die gesammelten Daten speisten die Forscher in ihr Computermodell und passten den Meeresspiegel auf die damalige Zeit an, also bis zu 15 Meter über dem heutigen.
Mit einem speziellen Wellenmodell reproduzierten sie Wellen, wie sie in drei Stürmen entstanden, die Eleuthera besonders hart trafen: der „Perfekte Sturm“im Jahr 1991, Hurrikan Andrew ein Jahr später und Hurrikan Sandy 2012. Diese Sturmwellen ließ das Forscherteam im Modell gegen die Klippen Eleutheras anlaufen, um auszurechnen, ab welchen Wellenhöhen und -längen sowie Strömungsgeschwindigkeiten das Wasser die Felsen bewegen könnte. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass kein Supersturm nötig war, um die heutige Position der beiden Felsbrocken zu erklären“, sagt Rovere. „Selbst, wenn wir für den Meeresspiegel nur einen Wert von sechs Meter über heutigem Niveau annehmen, hätten Wellen, wie die von Hurrikan Sandy erzeugten, ausgereicht, um die Felsen „Cow“und „Bull“auf ihre heutigen Positionen zu transportieren.“
Für künftige Stürme lässt sich schlussfolgern, dass – auch wenn die Stürme nicht stärker würden – der Meeresspiegelanstieg dafür sorgen würde, dass starke Wellen während eines Sturms häufiger auftreten und auch die Strömungsgeschwindigkeiten, und damit die Energie der Wellen, zunehmen.