Salzburger Nachrichten

Superstürm­e können Berge versetzen

Riesige Felsbrocke­n auf den Bahamas und den Bermudas im Atlantik wurden von gewaltigen vorzeitlic­hen Stürmen durch die Luft gewirbelt. Die heutigen Hurrikans könnten das auch schon. Es fehlt aber noch eine „Zutat“.

- BARBARA MORAWEC

Auf den Bahamas wurden vor mehr als 100.000 Jahren tonnenschw­ere Felsbrocke­n durch Sturmwelle­n auf die Klippe gespült. Ob die Felsen tatsächlic­h von vorzeitlic­hen Superstürm­en bewegt wurden, untersucht­en jetzt Forscher vom Zentrum für Marine Umweltwiss­enschaften Bremen sowie Tropenfors­cher. Sie fanden heraus, dass die Stärke heutiger Stürme verbunden mit einem wenige Meter höheren Meeresspie­gel hierfür ausreichen würde.

Weltweit sind Küstenregi­onen durch Klimawande­l und Meeresspie­gelanstieg gefährdet. Wärmere klimatisch­e Bedingunge­n können Stürme verstärken und lassen Überflutun­gen häufiger auftreten. Das ist eine wachsende Bedrohung für die Bevölkerun­g, die Infrastruk­tur und Industrie in Küstennähe.

Darum ist es wichtig, das Ausmaß besser abschätzen zu können, in dem extreme Stürme an Intensität und Häufigkeit zunehmen werden. Für Vergleiche wird häufig die letzte Warmzeit vor 128.000 bis 116.000 Jahren herangezog­en. Das war die Periode der Erdgeschic­hte, in der das Klima zum letzten Mal wärmer war als zur vorindustr­iellen Zeit. Der Meeresspie­gel lag höher als heute. Simulation­en zeigen, dass in dieser Zeit der Nordatlant­ik von Superstürm­en geprägt war – stärker als jeder Sturm seit Beginn der instrument­ellen Aufzeichnu­ngen.

An den Ostküsten Bermudas und der Bahamas zeugen Ablagerung­en von den einstigen Sturmwelle­n, die das Land überspült haben, darunter auch riesige Felsbrocke­n. „Wir wollten wissen, wie viel Energie Sturmwelle­n brauchen, um solche massiven Felsen von der Klippenkan­te auf ihre heutige Position zu bewegen, und ob die Energie durch einen heutigen Sturm das auch schaffen könnte“, erklärt Alessio Rovere vom Forschungs­zentrum Bremen.

Auf einer etwa 15 Meter hohen Klippe auf der Bahamas-Insel Eleuthera liegen sieben Felsbrocke­n, die von Superstürm­en dorthin verfrachte­t worden sein könnten. Sie sind so gigantisch, dass es unvorstell­bar ist, dass diese Felsen von Wellen dort abgelegt wurden.

Zwei der größeren Felsbrocke­n sind in der Region unter den Namen „Cow“und „Bull“bekannt. Rovere und sein Team haben diese beiden vermessen und ein Gewicht von 383 Tonnen für den kleineren Felsen und 925 Tonnen für den größeren Berg ausgerechn­et. Die gesammelte­n Daten speisten die Forscher in ihr Computermo­dell und passten den Meeresspie­gel auf die damalige Zeit an, also bis zu 15 Meter über dem heutigen.

Mit einem speziellen Wellenmode­ll reproduzie­rten sie Wellen, wie sie in drei Stürmen entstanden, die Eleuthera besonders hart trafen: der „Perfekte Sturm“im Jahr 1991, Hurrikan Andrew ein Jahr später und Hurrikan Sandy 2012. Diese Sturmwelle­n ließ das Forscherte­am im Modell gegen die Klippen Eleutheras anlaufen, um auszurechn­en, ab welchen Wellenhöhe­n und -längen sowie Strömungsg­eschwindig­keiten das Wasser die Felsen bewegen könnte. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass kein Supersturm nötig war, um die heutige Position der beiden Felsbrocke­n zu erklären“, sagt Rovere. „Selbst, wenn wir für den Meeresspie­gel nur einen Wert von sechs Meter über heutigem Niveau annehmen, hätten Wellen, wie die von Hurrikan Sandy erzeugten, ausgereich­t, um die Felsen „Cow“und „Bull“auf ihre heutigen Positionen zu transporti­eren.“

Für künftige Stürme lässt sich schlussfol­gern, dass – auch wenn die Stürme nicht stärker würden – der Meeresspie­gelanstieg dafür sorgen würde, dass starke Wellen während eines Sturms häufiger auftreten und auch die Strömungsg­eschwindig­keiten, und damit die Energie der Wellen, zunehmen.

 ?? BILD: SN/MARUM, BREMEN ?? Alessio Rovere und Doktorand Thomas Lorscheid vor dem Felsbrocke­n mit Namen „Bull“.
BILD: SN/MARUM, BREMEN Alessio Rovere und Doktorand Thomas Lorscheid vor dem Felsbrocke­n mit Namen „Bull“.

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