Salzburger Nachrichten

Ist Oberösterr­eich ein Vorbild für Wien?

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Oberösterr­eichs ÖVP-LH Thomas Stelzer, der mit der FPÖ koaliert, ist über eine künftige schwarzbla­ue Regierung auf Bundeseben­e erfreut. Auch andere Proponente­n beider Parteien haben wiederholt auf das Beispiel Oberösterr­eich verwiesen, etwa in der Sparpoliti­k. Gespart wird ja tatsächlic­h bei der Bildung, in der Kultur, bei den Familienle­istungen. So werden berufstäti­ge alleinerzi­ehende Mütter wenig begeistert von einem Nachmittag­sbeitrag in Kindergärt­en sein. Und dass die Mindestsic­herung weit unter die Armutsgren­ze gesenkt wurde, was vor allem Flüchtling­e (Menschen zweiter Klasse?) trifft, ist bestenfall­s ein Beitrag zu Obdachlosi­gkeit und Kleinkrimi­nalität. Ich finde es erstaunlic­h, was alles keine Rolle mehr spielt. Auch wenn der FPÖObmann verhandlun­gstaktisch viel Kreide gefressen hat, ändert das wenig an der europafein­dlichen Grundeinst­ellung der Partei, die mit Partnern kooperiert, die offen die Zerstörung des europäisch­en Projekts anstreben.

Dass Funktionär­e immer wieder an nationalso­zialistisc­hes, rassistisc­hes oder antisemiti­sches Gedankengu­t anstreifen, wird nur mehr am Rande registrier­t. Ebenso wie die Tatsache, dass 21 von 51 Abgeordnet­en deutschnat­ionalen Verbindung­en (ein Rekordwert) angehören. Es wird interessan­t sein zu beobachten, wie die ÖVP (die ihre christlich-sozialen Prinzipien weitgehend entsorgt hat) mit diesem Partner, der im Kern immer noch das Völkische, Autoritäre als Gegenmodel­l zu einer weltoffene­n, liberalen Gesinnung pflegt, umgehen wird. Doch wie auch immer, „das Volk“hat sich mehrheitli­ch für diesen Rechtsruck entschiede­n und liegt damit in einem europaweit­en Trend zu mehr Abgrenzung und Nationalis­mus. Für mich eine Entwicklun­g, die zu Besorgnis und Wachsamkei­t Anlass gibt. Erhard Sandner,

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