Die jungen Wilden sind alt geworden
Die Bürgerliste feiert am Donnerstag ihr 40-jähriges Bestehen. Die Gründerväter von einst sparen aber nicht mit Kritik an der eigenen Parteispitze.
SALZBURG. 40 Jahre alt – oder jung –, das ist wohl Ansichtssache. 1977 schaffte es die Bürgerliste, die aus Bürgerinitiativen hervorgegangen war, als erste grüne Bewegung in Österreich in den Gemeinderat. Es ist bis heute ein Wendepunkt der Salzburger Stadtpolitik. Herbert Fux und Richard Hörl zogen als aufmüpfige Mandatare ins Rathaus ein. Gemeinderatssitzungen dauerten fortan bis Mitternacht, weil die streitbaren Pioniere die bis dahin amikale Runde mit mündlichen Anfragen torpedierten.
Im OFF-Theater wird das 40Jahr-Jubiläum am Donnerstag zelebriert. Aus den jungen Wilden sind Herren im Pensionsalter geworden. Zu feiern ist nicht allen zumute. Die einstigen Gründungsväter der Liste finden kritische Worte. Johannes Voggenhuber, mittlerweile 67, war ab 1982 der erste Bürgerlisten-Stadtrat. „Der Aufbruch aus den erstarrten politischen Verhältnissen der 1970er Jahre ist ein Grund, der noch lange zum Feiern sein wird. Die Bürgerliste ist aus der Mitte der Gesellschaft heraus entstanden.“Dass die Grünlanddeklaration und der Gestaltungsbeirat bis dato existieren, sei ein Erfolg der Bürgerliste. „Das hat die Bürgerschaft erzwungen.“Doch mit seinen Nachfolgern geht Voggenhuber hart ins Gericht. Der Rehrl-Platz etwa sei eine krasse Fehlplanung. „Wir hatten damals auch den Landschaftsgürtel nach der Grünlanddeklaration vorgesehen. Der war fertig in der Schublade. Wo ist der? Wo ist der Kampf darum? Auch der Gesamtverkehrsplan, für den ich mich habe prügeln lassen, wo ist der?“Voggenhuber vermisst die Visionen. „Ich weiß schon, eine permanente Revolution gibt’s nicht. Aber ich würde mehr Anlass zum Feiern haben, wenn ich eine Vision für die nächsten 40 Jahre sehen würde.“
Auch Eckehart Ziesel, Mitbegründer und Bürgerlisten-Gemeinderat der ersten Stunde, ist mehr als skeptisch ob der Entwicklung. „Unsere ursprünglichen Anliegen werden vergessen. Am Mönchsberg wurde eine alte Birke gefällt zum Vorteil von Luxushotelbetreibern. Das hätte es mit der Bürgerliste nicht gegeben. Die Leute hätten sich an den Baum angebunden. Was in der Altstadt und der Riedenburg an Entwicklung passiert ist, ist Irrsinn.“Stattdessen gebe es keine Aktionen mehr vonseiten der Bürgerliste. „Ich muss auch bei Kompromissen Nein sagen. Wir waren damals zwei Mandatare von 40 und haben durch Beharrlichkeit auch gegen die Mehrheit etwas durchgebracht.“Eine Bürgerliste brauche es nach wie vor in der Stadt, meint der pensionierte Richter. „Aber es braucht vielleicht eine andere Bürgerliste, die sich wieder an die alten Zeiten und Werte erinnert.“
Richard Hörl, der Bäckermeister von damals, ist 77 Jahre alt. Er kritisiert fehlende persönliche Distanz zu den anderen Parteien. Nachhaltige Impulse aus der zweiten Reihe gebe es nicht mehr. „Was mir abgeht, sind interessante, neue Projekte für die Stadt.“
Johann Padutsch ist seit 35 Jahren Teil der Bürgerliste und ein Vierteljahrhundert Stadtrat. Dass sich die Bürgerliste von einst gewandelt habe und erfahrener geworden sei, sei natürlich. „Früher war sie eine reine Oppositionsbe-
„Mehr zu feiern hätte ich, wenn ich eine Vision für 40 Jahre sehen würde.“J. Voggenhuber, Stadtrat 1982–1987
„Mit Kompromissen muss man leben, solange es keine faulen sind.“Johann Padutsch, Stadtrat seit 1992
wegung mit den Themen Grünland, Altstadt und teilweise Verkehr. Mittlerweile ist sie eine Gruppierung, die den vollen politischen Reigen abdeckt.“Dass sie nicht mehr die aufmüpfige, unbequeme Liste im Gemeinderat sei, habe damit zu tun, dass sich die Dinge geändert hätten. „Der Gemeinderat ist nicht mehr diese abgekapselte und abgehobene Geschichte von einst. Da hat die Bürgerliste etwas aufgebrochen.“Und der fehlende Aktionismus? „Das ist eine Entwicklung, die man durchmacht, wenn man wirklich in Regierungsverantwortung kommt. Da stellen sich manche Dinge anders dar.“In der politischen Realität müsse man mit Kompromissen leben. „Das ist auch okay, solange es keine faulen Kompromisse sind“, meint Padutsch. Dennoch sei es der Hartnäckigkeit der Bürgerliste zu verdanken, dass die städtischen Seniorenheime heute saniert würden. Visionen habe die Bürgerliste nach wie vor. Zum Beispiel: „Dass der Verkehr in der Stadt anders funktioniert. Dass die Stadt ihre Grünlanddeklaration ernst nimmt und deshalb kompakt gebaut werden muss.“
Von den jungen Wilden der 1980er-Jahre ist heute nur noch Padutsch übrig. Er wird sich, sollte er nicht Bürgermeister werden, 2019 in die Pension verabschieden. Dann braucht die Bürgerliste ein neues „Schlachtross“. „Es gibt für die Wahl 2019 etliche Interessenten“, sagt Padutsch. Eines habe die Bürgerliste nämlich bis heute nicht: Nachwuchssorgen.