Die Verdienste der Vergangenheit reichen nicht
Die Sozialpartnerschaft verliert an Bedeutung. Die Pflichtmitgliedschaft steht auf dem Prüfstand. Kommt der große Umbruch?
Der Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, wird sein Amt zurücklegen, ebenso der Präsident der Arbeiterkammer, Rudolf Kaske. Auch beim Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Erich Foglar, wird bereits spekuliert, dass es seine letzte Funktionsperiode sein könnte. Die drei Institutionen, die zusammen mit der Landwirtschaftskammer die Sozialpartnerschaft bilden, werden also bald von neuen, jüngeren Gesichtern repräsentiert werden. Auf die Damen und Herren, die dann das Sagen haben, kommen herausfordernde Zeiten zu.
Zum einen, weil die Sozialpartnerschaft sich generell immer schwerer tut, gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Zuletzt schaffte sie es etwa nicht, sich auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeit zu einigen. Die Vertreter der Wirtschaft wollen unbedingt bis zu zwölf Stunden pro Tag arbeiten lassen. Das lehnen die Arbeitnehmervertreter vehement ab. Nun hat die Regierung angekündigt, dieses Problem selbst entscheiden zu wollen. Besser kann man den Bedeutungsverlust einer Institution, der man einst nachsagte, die heimliche Regierung dieses Landes zu sein, wohl nicht dokumentieren.
Zum anderen sind die Interessenvertretungen, die die Sozialpartnerschaft bilden, selbst unter Druck gekommen. Die FPÖ stellt die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern generell infrage, auch viele in der ÖVP sehen sie kritisch. Sogar eine Volks- bzw. Urabstimmung unter den Kammermitgliedern über dieses Thema wird inzwischen angedacht.
All das ist natürlich möglich. Wobei man allerdings die Konsequenzen bedenken muss. Ein Ende der Pflichtmitgliedschaft führt dazu, dass etwa die Kollektivverträge nicht mehr flächendeckend gelten würden. Falls ein Unternehmen nicht mehr in einer Interessenvertretung organisiert ist, dann ist es nicht mehr an das Ergebnis von Kollektivvertragsverhandlungen gebunden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssten dann etwa Löhne auf Betriebsebene ausverhandeln. Ob das besser ist, ist die Frage.
Die Sozialpartnerschaft und die Interessenvertretungen haben ihren Teil zum Erfolg dieses Landes beigetragen. Ob sie es auch in Zukunft werden, wird zu einem großen Teil von ihnen selbst abhängen. Sie müssen unbürokratischer und serviceorientierter werden, ihre Mitglieder mit ihrer Arbeit überzeugen. Wenn sie das nicht schaffen, werden sie ein Fall für die Geschichtsbücher. Und Österreich wird ganz anders funktionieren, als es die Bürgerinnen und Bürger bisher gewöhnt waren.