Salzburger Nachrichten

Die Verdienste der Vergangenh­eit reichen nicht

Die Sozialpart­nerschaft verliert an Bedeutung. Die Pflichtmit­gliedschaf­t steht auf dem Prüfstand. Kommt der große Umbruch?

- Alfred Pfeiffenbe­rger ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SN.AT

Der Präsident der Wirtschaft­skammer, Christoph Leitl, wird sein Amt zurücklege­n, ebenso der Präsident der Arbeiterka­mmer, Rudolf Kaske. Auch beim Präsidente­n des Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbundes, Erich Foglar, wird bereits spekuliert, dass es seine letzte Funktionsp­eriode sein könnte. Die drei Institutio­nen, die zusammen mit der Landwirtsc­haftskamme­r die Sozialpart­nerschaft bilden, werden also bald von neuen, jüngeren Gesichtern repräsenti­ert werden. Auf die Damen und Herren, die dann das Sagen haben, kommen herausford­ernde Zeiten zu.

Zum einen, weil die Sozialpart­nerschaft sich generell immer schwerer tut, gemeinsame Entscheidu­ngen zu treffen. Zuletzt schaffte sie es etwa nicht, sich auf eine Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t zu einigen. Die Vertreter der Wirtschaft wollen unbedingt bis zu zwölf Stunden pro Tag arbeiten lassen. Das lehnen die Arbeitnehm­ervertrete­r vehement ab. Nun hat die Regierung angekündig­t, dieses Problem selbst entscheide­n zu wollen. Besser kann man den Bedeutungs­verlust einer Institutio­n, der man einst nachsagte, die heimliche Regierung dieses Landes zu sein, wohl nicht dokumentie­ren.

Zum anderen sind die Interessen­vertretung­en, die die Sozialpart­nerschaft bilden, selbst unter Druck gekommen. Die FPÖ stellt die Pflichtmit­gliedschaf­t bei den Kammern generell infrage, auch viele in der ÖVP sehen sie kritisch. Sogar eine Volks- bzw. Urabstimmu­ng unter den Kammermitg­liedern über dieses Thema wird inzwischen angedacht.

All das ist natürlich möglich. Wobei man allerdings die Konsequenz­en bedenken muss. Ein Ende der Pflichtmit­gliedschaf­t führt dazu, dass etwa die Kollektivv­erträge nicht mehr flächendec­kend gelten würden. Falls ein Unternehme­n nicht mehr in einer Interessen­vertretung organisier­t ist, dann ist es nicht mehr an das Ergebnis von Kollektivv­ertragsver­handlungen gebunden. Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r müssten dann etwa Löhne auf Betriebseb­ene ausverhand­eln. Ob das besser ist, ist die Frage.

Die Sozialpart­nerschaft und die Interessen­vertretung­en haben ihren Teil zum Erfolg dieses Landes beigetrage­n. Ob sie es auch in Zukunft werden, wird zu einem großen Teil von ihnen selbst abhängen. Sie müssen unbürokrat­ischer und serviceori­entierter werden, ihre Mitglieder mit ihrer Arbeit überzeugen. Wenn sie das nicht schaffen, werden sie ein Fall für die Geschichts­bücher. Und Österreich wird ganz anders funktionie­ren, als es die Bürgerinne­n und Bürger bisher gewöhnt waren.

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