„So richtig viel Schnee ist schon geil“
Wenn die Straßen so richtig verschneit sind, ist Siegfried Sattler in seinem Element. Mit dem Schneepflug geht er derart geschickt um, dass er nun zur Weltmeisterschaft fahren darf.
Auf verschneiten Straßen ist Siegfried Sattler in seinem Element. Mit dem Schneepflug kämpft er jetzt um Gold bei den Weltmeisterschaften.
„Wenn so richtig viel Schnee liegt, dann ist das schon geil.“Siegfried Sattler, Schneepflugfahrer
KNITTELFELD. Nun ist er also erstmals sichtbar geworden, der Winter. Die Schneemengen sind zwar noch bescheiden, aber immerhin hat sich die weiße Pracht in einigen Tälern bereits zum Liegenbleiben und nicht zum sofortigen Dahinschmelzen entschieden. Für Siegfried Sattler sind das spannende Momente. Denn sie sind ein Zeichen dafür, dass es bald losgeht: die erste Ausfahrt, das erste dumpfe Kratzen der Schaufel auf dem schneeverkrusteten Asphalt. Die Vorfreude ist ihm anzumerken: „Wenn so richtig viel Schnee liegt, dann ist das schon geil. Da bewegt man was.“Dennoch verspürt der 40-Jährige aus St. Margarethen bei Knittelfeld ein ungewohntes Übermaß an Aufregung. Ende Februar wird er sich Richtung Danzig in Bewegung setzen. In der polnischen Hafenstadt mit der berühmten Leninwerft wird er vom 20. bis 23. Februar 2018 an den Weltmeisterschaften im Schneepflugfahren teilnehmen. Was ihn dort erwartet? „Keine Ahnung, aber trainieren werde ich auf jeden Fall müssen“, unterstreicht Sattler seinen Ehrgeiz auf der Jagd nach Edelmetall.
Dazu muss man wissen, dass sich der erfahrene Asfinag-Mitarbeiter bis dato recht leicht tat. Im April zum Beispiel, als es um die Steirische Meisterschaft ging. Da dachten sich Sattler und seine Kollegen von der Straßenmeisterei Knittelfeld: „Fahren wir halt gaudihalber hin.“Aus dem gaudihalber wurde dann gleich das Siegertreppchen. „Das war noch locker, aber dann folgten die Snowfighter Championships am Red-Bull-Ring in Spielberg.“Dort war die Konkurrenz schon deutlich härter. Doch der 40-Jährige stand auch dort seinen Schneepflugfahrer und holte unter 33 Teilnehmern den zweiten Platz.
Von Schnee konnte Anfang Oktober zwar noch keine Rede sein. Anstrengend wurde es dennoch. Die diversen Geschicklichkeitsübungen, die Sattler & Co. mit den schweren Lkw und Unimogs zu absolvieren hatten, verlangten den Berufslenkern alles ab. „Wir mussten Slalom rückwärts fahren. Das schien anfangs unmöglich. Am ersten Tag hat das niemand hinbekommen.“Doch am Ende wurde Sattler nur von Gerhard Vock vom niederösterreichischen Straßendienst besiegt. Bronze ging an Bertram Unger vom Straßendienst des Burgenlands. Die drei Medaillengewinner dürfen nun die Reise nach Danzig antreten. Als Ersatzfahrer ist Daniel Taupe von der Autobahnmeisterei Wolfsberg in Kärnten dabei. Er belegte Rang vier und soll im Notfall einspringen.
Für Siegfried Sattler ist die WM eine große Unbekannte: „Ich weiß noch gar nichts.“Dabei macht es einen gewaltigen Unterschied, ob man mit einem 200-PS-Unimog unterwegs ist oder mit einem 400-PSLkw. Wie dem auch sei – fest steht: Der aufgeweckte Murtaler fährt seit seiner Kindheit auf schwere Gefährte ab. Als er das erste Mal auf einem Traktor herumkurvt, ist er gerade einmal fünf Jahre alt. Nicht zum Spaß allerdings. Der Onkel hat den kleinen Siegi und seinen etwas älteren Bruder zum Mithelfen in der Landwirtschaft eingespannt. „Das war halt damals so“, lacht der 40Jährige entspannt. Auch beim Opa durfte er seine Fahrkünste unter Beweis stellen. Der hatte großes Vertrauen in den Knirps. Mit elf erklimmt er mit den riesigen Reifen die steilsten Hänge. Ob es jemals gefährlich wurde? „Ja, oft. Aber man braucht diese heiklen Situationen, damit man nicht übermütig wird.“
Nach einigen Jahren als Fahrer bei einer Firma heuert Sattler im Mai 2006 bei der Asfinag an. Seither ist er für den Abschnitt Judenburg-West bis Leoben-West der Murtal-Schnellstraße (S36) zuständig. Die 45 Kilometer wollen aber auch in den schneelosen Monaten betreut werden. Statt dem Pflug haben die orangefarbenen Straßenfahrzeuge dann eben mächtige Schneidwerkzeuge montiert, um dem Unkraut, das zwischen und neben den Fahrbahnen wuchert, Einhalt zu gebieten.
Was den kommenden Winter betrifft, so stehen für die heimischen Autobahnen und Schnellstraßen rund 400 Schneepflüge und 1200 Asfinag-Mitarbeiter in 43 Autobahnmeistereien rund um die Uhr bereit.
Für Siegfried Sattler bricht eine ereignisreiche Zeit an. Zwischen seinen „Radldiensten“entlang der S36 würde sich Österreichs Medaillenhoffnung bei den Schneepflug-Weltmeisterschaften 2018 natürlich auch gut vorbereiten. Bei Waldarbeiten zum Beispiel, wo es im unwegsamen Gelände stets darum geht, den bärenstarken Traktor auf engstem Raum Zentimeter für Zentimeter nach vor oder nach hinten zu bewegen, oder gar Stellen zu meistern, an denen alles kippen könnte.
Sollte der Knittelfelder Ende Februar in Danzig in die Bredouille geraten und nicht mehr weiterwissen, möge er sich an die Worte seines Opas erinnern. Der meinte seinerzeit: „Wenn der Siegi fährt, ist es so, als würde ich selber fahren.“