Revolution ersetzt meist Gewaltherrschaft durch Gewaltherrschaft
Hundert Jahre nach der Oktoberrevolution ist es Zeit, dass der Mythos vom „Wandel zum Besseren“entzaubert wird.
Das Gedenken an die sogenannte Oktoberrevolution im November 1917 in Russland bringt nicht nur ein Stück Erinnerung an das Ende einer Monarchie und den Beginn einer neuen Macht, die die Welt einen großen Teil des 20. Jahrhunderts in Atem hielt. Diese Revolution ist auch ein Mahnmal dafür, dass die meisten politischen Umsturzbewegungen, die wir heute „Revolution“nennen, den Völkern keineswegs eine Verbesserung des Lebens brachten.
Die Amerikanische Revolution schüttelte die britische Kolonialherrschaft ab und begründete den Aufstieg einer freien, demokratischen und wohlhabenden Gesellschaft – freilich auf Kosten der Ureinwohner. Die portugiesische Revolution der 1970er-Jahre beendete tatsächlich eine Diktatur und begründete eine Demokratie, entließ aber die beiden Kolonien Angola und Mosambik in das Chaos Jahrzehnte dauernder Bürgerkriege. Die meisten Revolutionen vollführten einen Kreislauf und endeten dort, wogegen sie gekämpft hatten: im Zustand der Gewaltherrschaft.
Die Französische Revolution führte zur Terrorherrschaft des Wohlfahrtsausschusses und zum Massenmord per Guillotine und brachte schließlich den Kriegstreiber Napoleon Bonaparte an die Macht, der ganz Europa in Blut tauchte. Die Oktoberrevolution von 1917 war weder eine Revolution noch stürzte sie die Monarchie. Das hatte bereits eine bürgerliche Revolution im Februar desselben Jahres zustande gebracht. Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, führte einen erfolgreichen Putsch durch, um seinen Bolschewiken die Macht zu gewinnen. Die dramatischen Folgen wirken bis heute: Nach Lenins Tod verfeinerte Stalin den Staatsterrorismus, der zur Ermordung von Millionen Bauern, Bürgerlichen, Intellektuellen führte. Und den Mann verehrt Wladimir Putin.
Man schaue nur an, was alles unter der Marke „Revolution“firmiert. Die „Weiße Revoluti- on“des persischen Schah sollte den Iran zum Industrieland machen und brachte doch nur Armut, Folter und Tod. Die „Islamische Revolution“der Ajatollahs errichtete einen „Gottesstaat“, der die Iraner in unmenschlich eisernem Griff hält und mittlerweile als Unruhestifter den ganzen Nahen Osten plagt. Fidel Castros Revolution stürzte einen von den Amerikanern abhängigen Diktator und errichtete eine Moskau hörige totalitäre Diktatur.
Wären Revolutionen tatsächlich Umstürze von unten, also von der breiten Bevölkerung getragene Bewegungen, um ein ungerechtes willkürliches Regime zu stürzen, könnte man Revolutionstage feiern. Tatsächlich machte sich noch in den meisten revolutionären Phasen eine neue Elite das Chaos des Umsturzes zunutze, um selbst Macht zu gewinnen und ihrerseits die Bevölkerung zu unterdrücken.