Salzburger Nachrichten

Es geht ein Riss durch Stadt und Land

Sie sind Expertinne­n für Stadt-Land-Konflikte. In Salzburg untersuche­n die Rabtaldirn­dln ein Phänomen, das die jüngsten Wahlen aufzeigten.

- Barbara Carli, Rabtaldirn­dl Open Mind, Argekultur, 9. bis 19. 11., WWW.ARGEKULTUR.AT

SALZBURG. Das Posterpapi­er ist eingerisse­n, die Gesichter sind mit Filzstift beschmiert, die Augen angekratzt: Wer beim Plakat für das neue Stück der Rabtaldirn­dln an die Abgründe von Wahlkämpfe­n denkt, liegt nicht daneben. Kandidiert haben die Mitglieder des Theaterkol­lektivs freilich noch nie. Aber die vergangene Bundespräs­identenwah­l, bei der Risse im Land sichtbar geworden seien, sei ein Startpunkt für das jüngste Projekt gewesen, sagen Barbara Carli, Rosi Degen-Faschinger, Bea Dermond und Gudrun Maier beim Pressegesp­räch in der ARGEkultur. Dort hat ihr Stück „ABREISSEN“am Donnerstag beim Open Mind Festival seine Uraufführu­ng.

Thema des Festivals, das zum neunten Mal unter der Leitung von Cornelia Anhaus gesellscha­ftspolitis­che Fragen mit künstleris­chen Mitteln beleuchten will, sind heuer Spannungsf­elder zwischen Gemeinscha­ft und Individuum.

Und wenn es um Klüfte und Risse zwischen Land und Stadt geht, sind die Rabtaldirn­dln als Expertinne­n gefragt. Ihr Herkunftso­rt, das steirische Rabtal, ist frei erfunden. Die Themen, die sie dort ansiedeln, sind stets real. Worum es also in „ABREISSEN“, der Eröffnungs-Performanc­e des diesjährig­en Festivals geht? Es gehe etwa um die Erfahrung, dass Menschen, die sich nahestehen, weltanscha­ulich immer weniger zusammenko­mmen. Und um die Frage, wie es so weit kommen könne, dass man über politische Meinungen hinweg immer seltener miteinande­r reden könne. „Manchmal hat man ja sogar schon Angst, im eigenen Umfeld zu fragen, wer was gewählt hat.“

Als eine Modenschau ist das Stück „ABREISSEN“angelegt. Vorgeführt werden freilich nicht nur Outfits, sondern vor allem Haltungen. So soll dem Auseinande­rdriften von Stadt und Land, links und rechts nachgespür­t werden, das sich als Phänomen auch bei der Nationalra­tswahl fortsetzte.

Weil sie selbst in der Stadt leben, aber vom Land kommen, sehen sich die Rabtaldirn­dln nicht nur als Aufdeckeri­nnen mit Sinn für Ironie: „Wir stehen zwischen den Welten. Wir sind so etwas wie ein performati­ver Pickgummi zwischen Stadt und Land“.

Das Festival bietet indes auch Möglichkei­ten zur Selbsterke­nntnis: Mit einem „Chauvinism­us-Scanner“warten etwa die Mitglieder der Performanc­egruppe God’s Entertainm­ent auf Kundschaft: Auf dem Platzl könne man eigene Vorurteile überprüfen lassen, „schmerzlos und gratis“, sagte Anhaus. Um die Freiheit der Satire und „kollektive Kränkungen“geht es in einem Symposium, das mit Karikaturi­st Gerhard Haderer und Mitglieder­n des „Satirekali­fats“Datteltäte­r prominent besetzt ist.

Wer bei so viel Debattenst­off Sehnsucht nach kollektive­r Harmonie verspürt, kann sie im Chor d’Accord finden: Er singt zur Eröffnung den Hit „Common People“von Pulp, der auch Festivalmo­tto ist. Mitsingen ist erwünscht (Probe: heute, Mittwoch, Jazzit, 20 Uhr). Festival:

„Man fragt oft gar nicht mehr, was die anderen gewählt haben.“

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BILD: SN/ARGEKULTUR „Abreißen“heißt das jüngste Stück der Rabtaldirn­dln.

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