Salzburger Nachrichten

Wie schwer ist das Leben?

Schweizer Forscher haben eine Waage entwickelt, mit der man eine Zelle wiegen kann.

- BM

Egal ob Mensch, Fliege oder Gänseblümc­hen. Lebewesen bestehen aus Zellen. Doch wie viel eine einzelne Zelle wiegt und wie sich ihr Gewicht verändert, das konnte man nicht feststelle­n. Bis jetzt.

Forscher der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule Zürich (ETH) haben eine Zell-Waage entwickelt, mit der sich erstmals sowohl das Gewicht einzelner lebender Zellen schnell und präzise bestimmen lässt als auch dessen Veränderun­g über die Zeit. Die Erfindung stößt auch außerhalb der Biologie auf großes Interesse.

Mit dieser ist es nicht nur möglich, die Masse lebender Zellen innerhalb kürzester Zeit zu bestimmen, sondern auch zu verfolgen, wie sich deren Gewicht über die Zeit verändert. Die Waage kann Änderungen im Bereich von Millisekun­den auflösen und ist dabei auf das billionste­l Gramm genau.

In einem in „Nature“erschienen­en Fachartike­l berichten die Forscher von einer mit der Waage ermittelte­n überrasche­nden Entdeckung: „Wir haben festgestel­lt, dass das Gewicht lebender Zellen kontinuier­lich um ein bis vier Prozent schwankt, während sie ihr Gesamtgewi­cht regulieren“, sagt David Martínez-Martín, der die Zell-Waage entwickelt und gebaut hat. Tote Zellen zeigen diese Schwankung­en im Sekundenbe­reich nicht.

Gewogen werden die Zellen unter kontrollie­rten Bedingunge­n in einer Zellkultur­kammer. Der Wägearm besteht aus einem winzigen, transparen­ten, mit Collagen oder Fibronekti­n beschichte­ten Siliziumpl­ättchen. Er wird zum Boden der Kammer gefahren, stupst dort eine Zelle an und nimmt sie auf. „Für die Messungen hängt die Zelle quasi kopfunter an der Unterseite eines winzigen Federbalke­ns“, sagt Gotthold Fläschner, einer der Hauptbetei­ligten an der Entwicklun­g der neuen Waage. Auf der Seite, an welcher der mikroskopi­sche Federbalke­n befestigt ist, wird dieser mit Hilfe eines blauen, pulsierend­en Lasers minimal zum Schwingen angeregt. Ein zweiter, sehr schwacher infraroter Laser misst vorn, wo die Zelle hängt, die Schwingung­en, zuerst ohne und dann mit Zelle. Aus der Differenz der beiden Schwingung­en lässt sich die Masse der Zellen errechnen. Die Zellwaage ist besonders für die Medizinund Pharmaindu­strie interessan­t. Mit ihr könnte man das krankhafte Wachstum von Zellen und den Einfluss von Medikament­en darauf untersuche­n.

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BILD: SN/OEGGERLI/ETH ZÜRICH Zellhäufch­en

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