Populisten nicht blauäugig sehen
Zu „Parlamentarische Demokratie darf nicht zur Spielwiese für Rechtspopulisten verkommen“von Andreas Koller (SN vom 2. 11.). Die zukünftige Regierung von Türkis/Blau forciert das Thema „direkte Demokratie“unter dem Titel „Veränderung“.
Chefredakteur-Stv. Koller nimmt in seinem Leitartikel dazu Stellung. Wissend um die Brisanz dieses Themas, um die Gefahr, dass außerhalb des parlamentarischen Systems Entscheidungen durch Volksentscheide herbeigeführt werden können, befleißigt er sich einer Appeasementrhetorik: „Es wird schon nicht so schlimm werden!“Es sollte halt nur nicht übers Ziel geschossen werden: d. h. keine Abschaffung der parlamentarischen Demokratie, des Vetorechtes des Verfassungsgerichtshofes, kein Missbrauch der direkten Demokratie für Parteipropaganda und Wahlmobilisierung. Wenn „ehrlich und objektiv“informiert werde, sei die direkte Demokratie okay.
Nur ein politisch Blauäugiger wird annehmen, dass sich Populisten, die stets die Macht, die ganze Macht anstreben, sich solchen edlen moralischen Standards unterwerfen. Dieses unverhohlen vorauseilende Gedankenspiel Kollers von einer direkten Demokratie wird sicher von machtorientierten Politikern mit Wohlgefallen aufgenommen werden. Sie sind es, die gesellschaftliche Konfliktthemen nicht durch mühevollen sachlichen Disput in parlamentarischer Arbeit lösen wollen.
Die Auslagerung der Gesetzgebung hin zu Volksentscheidungen ist ein probates Mittel, sich aus politischer Verantwortung zu stehlen. Die repräsentative Demokratie, die Viktor Hermann (SN vom 28. 10. 2017) als „das erfolgreichste System seit Menschengedenken“bezeichnet, darf nicht unterlaufen bzw. ausgehöhlt werden. Mag. Wilhelm Nirnberger