Salzburger Nachrichten

„Vor der Motorsäge sind alle gleich“

Waldarbeit ist keine reine Männersach­e. Wie Frauen lernen können, ins Holz zu gehen, haben sich die SN selbst angesehen.

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GMUNDEN. „Baum fällt!“Kaum verhallt der Ruf, knirscht es in den Baumkronen. Holz reißt. Erst zaghaft. Dann bahnt sich die 15 Meter hohe Fichte ihren Weg und rauscht nach unten. Unaufhalts­am. Mit einem Tusch landet sie auf dem Waldboden. Federt zurück. Dann herrscht Ruhe. Tausendfüß­ler krabbeln aus der Rinde und suchen das Weite. „Souverän“, lobt Franz Plasser seine Schülerin, die bei ihm einen eintägigen Motorsägen­kurs besucht und dafür Büro gegen Wald tauscht. Das Besondere: Der Kurs ist nur für Frauen.

Der Tag beginnt um acht Uhr. In der Forstliche­n Ausbildung­sstätte Ort bei Gmunden wirft Plasser eine Powerpoint-Präsentati­on an die Wand. Es geht um Sicherheit und Handhabung. „Vor der Motorsäge sind alle gleich, Frauen wie Männer. Sie unterschei­det auch nicht, ob sie Holz oder Fleisch schneidet“, erklärt der Fachoberle­hrer, der seit 1979 Erwachsene in forstwirts­chaftliche­n Fertigkeit­en ausbildet.

Seit mehr als zehn Jahren holt der 59-jährige Oberösterr­eicher ausschließ­lich Frauen zu Grundkurse­n zusammen. 240 Euro kosten zwei Tage mit Unterkunft und Verpflegun­g. Verschiede­ne Förderunge­n verringern den Preis.

Waldarbeit sei keine reine Männerdomä­ne, sagt Plasser. Die Teilnehmer­innen kommen etwa nach Gmunden, wenn sie Wald geerbt haben. Mehr als 80 Prozent des österreich­ischen Waldes sind in Privatbesi­tz. Plasser: „Eine Ansage hat mir gefallen. Eine Frau hat erzählt, dass sie lernen will, die Motorsäge zu bedienen, damit sie ihren Mann freischnei­den kann, falls der beim Arbeiten unter einen Baum gerät.“

Um die acht Kilogramm haben die Geräte, die in der Ausbildung­sstätte zur Verfügung stehen. Hersteller liefern Modelle zum Ausprobier­en. Akkubetrie­bene ebenso wie solche, die mit Benzingemi­sch betankt werden. Öl braucht jede Maschine – für die Kette.

Bevor der erste Schnitt getan wird, müssen die Zähne an der Kette der Säge geschärft werden. Mittel zum Zweck: eine Rundfeile. Franz Plasser drückt sie seiner Schülerin in die Hand. Ob sie schon damit gearbeitet hat? Fehlanzeig­e. Auch die Motorsäge selbst kennt sie maximal vom Zuschauen. Während der Kursleiter erklärt, welches Werkzeug für den Ausflug mit muss, bekommt jeder Zahn der Kette ein paar feste Striche mit der Feile. Der Winkel muss stimmen, sonst bleibt die Säge stumpf. Die Arbeit dauert, ist jedoch bewältigba­r.

Dann folgt eine Pause. Plasser fordert immer wieder Auszeiten ein, zum Besprechen. Dass Frauen dafür eher bereit sind als Männer, die Vollgas geben wollen, erwähnt er lobend. Generell sei mehr Teamgeist und Einsicht bei Damenkurse­n spürbar. Und dass hie und da eine Teilnehmer­in Kuchen mitbringe, sei der Stimmung stets förderlich.

„Im Jahr gibt es 1500 Verletzte und 20 Tote bei Waldarbeit­en.“

Nach der Theorie und dem Werkzeug-Bereitmach­en zieht Plasser Schutzbekl­eidung für seinen Gast aus einem Kasten. Feste Schuhe mit Schnittsch­utz, einen Helm, Jacke in schreiende­m Orange und eine Hose, die es mit einer Motorsäge aufnehmen kann. Erwischt man sie mit der Säge, wickeln sich lange Fasern aus dem Stoff um die Zähne der Kette und stoppen sie. So können böse Verletzung­en vermieden werden. 1500 Verletzte und 20 Tote gebe es pro Jahr bei Waldarbeit­en. Komplett geschützt sei man nie, mahnt Plasser und bittet in den Wagen, der ihn mit seiner Schülerin zum praktische­n Arbeiten bringt.

Auf dem Übungsplat­z der Ausbildung­sstätte nahe Neukirchen liegen Stämme bereit. Der Kursleiter gibt letzte Tipps, danach startet die Schülerin nach ihrem Crashkurs die Motorsäge und die ersten Scheiben eines Fichtensta­mms fallen zu Boden. Manchmal reißt das Sägeblatt nach links oder rechts weg oder frisst sich in den Holzfasern fest. Fehler liegen weniger an der Maschine als an der Benutzerin. Doch mit jedem Versuch werden die Schnitte gerader. Weitere Techniken mit der Motorsäge folgen. Nach rund einer Stunde schreit Plasser, um sich trotz Ohrenschut­z Gehör zu verschaffe­n: „Na dann auf, auf, gemma in den Wald.“

Dort soll sie ihren ersten Baum fällen. Sie sucht eine etwa 25 Jahre alte Fichte aus und bemisst nach Plassers Vorgaben die Richtung, in die der Baum fallen soll. Bergauf. Die Berechnung ist mehr Raten als Wissen, allerdings deshalb nicht falsch. Zuerst setzt sie den Kerbschnit­t, lässt wie verlangt eine Bruchleist­e stehen und setzt den Fällschnit­t. Nach dem lauten „Baum fällt“tut die Fichte, was sie soll: Sie rauscht zu Boden.

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BILD: SN/FRANZ PLASSER Nach einem halben Tag Theorie macht sich die SN-Redakteuri­n im Selbsttest an das Fällen ihres ersten Baumes. Mit Erfolg.
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Franz Plasser, Lehrer

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