Die Freelance-Diplomatin
Die britische Entwicklungshilfeministerin traf in ihrem Urlaub israelische Politiker. Ihre Chefin wusste nichts davon.
Als Priti Patel vor gut einem Monat ihre Rede beim Parteitag der britischen Konservativen hielt, runzelte so mancher Zuhörer verwundert die Stirn. Sie schaffte es, in wenigen Minuten auf großer Bühne 37 Mal das Personalpronomen „ich“zu benutzen. Die Ansprache der damaligen Entwicklungshilfeministerin und leidenschaftlichen Brexit-Anhängerin wurde als Bewerbung für den Vorsitz der Tories gewertet. Doch die Chance, eines Tages die Nachfolge von Premierministerin Theresa May anzutreten, ist nun erst einmal vertan. Am Mittwochabend trat Patel von ihrem Amt zurück, nachdem sie heftig in die Kritik geraten war und von May von einer offiziellen Afrika-Reise zurückbeordert wurde.
Als Nachfolgerin hat die Regierungschefin die 44-jährige Penny Mordaunt, ebenfalls Befürworterin eines harten Brexit, ins Kabinett befördert, um das Gleichgewicht zwischen EU-Freunden und Europaskeptikern zu wahren.
Mit ihrem Rücktritt kam die 45jährige Patel einem Rausschmiss zuvor. Sie hatte im Sommer während eines Urlaubs in Israel an der Seite eines Lobbyisten zwölf Treffen mit Regierungsvertretern, darunter sogar mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu – ohne dass sie das Außenministerium oder Downing Street darüber informierte oder Beamte bei den Gesprächen anwesend waren.
Es ist nach Verteidigungsminister Michael Fallon bereits das zweite Kabinettsmitglied, das binnen einer Woche zum Rücktritt gezwungen wurde. Sexismus-Skandal, Rück- und Fehltritte von Ministern, dazu die zäh verlaufenden BrexitVerhandlungen: In Westminster herrscht das blanke Chaos, da sind sich die politischen Beobachter einig.
Und nun ist mit Patel, die dem rechten Flügel der Tories angehört, eines der prominentesten Gesichter der EU-Skeptiker gegangen. Die Konservative – sie gilt als Verehrerin der „Eisernen Lady“Margaret Thatcher sowie der indischen ExPremierministerin Indira Gandhi – wurde nach Mays Amtsübernahme mit dem Ministerposten belohnt, auch wenn sie die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe skeptisch bewertete. Die verheiratete Mutter eines Sohnes kommt aus einer Familie indischstämmiger Ugander, die in den 60er-Jahren vor der Gewaltherrschaft des Diktators Idi Amin nach Großbritannien geflohen war. Die Einwanderer führten zuerst ein Postamt, bevor sie eine Kette von Zeitungskiosken gründeten. Patel wuchs in einfachen Verhältnissen auf, ging in Watford, nördlich von London, in die Schule und studierte später Wirtschaft an einer staatlichen Universität. Seit 2010 sitzt sie als Abgeordnete im Parlament.