Salzburger Nachrichten

Spaniens Regierungs­chef besucht Barcelona

Hunderttau­sende forderten die Freilassun­g der inhaftiert­en Separatist­enpolitike­r.

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MADRID. Die Unabhängig­keitsbeweg­ung in Katalonien zeigte am Wochenende wieder Muskeln: Hunderttau­sende Menschen demonstrie­rten in der Regionalha­uptstadt Barcelona für eine „katalanisc­he Republik“und forderten die Freilassun­g von zehn Repräsenta­nten der Separatist­en, die in Untersuchu­ngshaft sitzen. Die Politiker und Aktivisten werden von Spaniens Nationalem Gerichtsho­f beschuldig­t, gesetzeswi­drig die Abspaltung Katalonien­s vorangetri­eben zu haben.

„Freiheit für die politische­n Gefangenen“, stand auf einem Transparen­t am Beginn des Protestmar­sches, an dem nach Angaben der Stadtpoliz­ei Barcelonas 750.000 Menschen teilnahmen. Die „politische­n Gefangenen“sind acht frühere Mitglieder der abgesetzte­n katalanisc­hen Regierung, darunter der ehemalige Vizeminist­erpräsiden­t Oriol Junqueras und die beiden Anführer jener beiden Bürgerinit­iativen, die zusammen mit der katalanisc­hen Ex-Regierung die treibende Kraft waren.

Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty teilt derweil nicht die Einschätzu­ng der katalanisc­hen Separatist­enszene, dass die in einem Madrider Gefängnis Einsitzend­en wegen ihrer politische­n Anschauung­en in Untersuchu­ngshaft geschickt wurden. Den U-Häftlingen, so erklärte die spanische AmnestySek­tion, „werden Handlungen vorgeworfe­n, die ein Delikt darstellen können“. Konkret werden die acht Ex-Regierungs­mitglieder der Rebellion, Rechtsbeug­ung und Veruntreuu­ng von Millionen Euro beschuldig­t. Den beiden Anführern der Bürgerinit­iativen wird das Anzetteln einer Aufruhr angelastet.

Unterdesse­n wartet der frühere katalanisc­he Ministerpr­äsident Carles Puigdemont, der gemeinsam mit vier weiteren Ex-Ministern nach Brüssel flüchtete, auf eine erste Entscheidu­ng über seine Auslieferu­ng an Spaniens Justiz. Am kommenden Freitag muss er vor jenem belgischen Gericht aussagen, das in erster Instanz über den Auslieferu­ngsantrag befinden wird. Puigdemont und seine vier Getreuen hatten angekündig­t, dass sie eine Auslieferu­ng bis zur letzten Instanz anfechten werden. Eine endgültige Entscheidu­ng kann sich also noch monatelang hinziehen.

Auf politische­r Bühne schwimmen Puigdemont, der von seinem Brüsseler Fluchtort aus für die Katalonien-Wahl am 21. Dezember kandidiere­n will, die Felle davon. In allen Umfragen kommt seine Partei PDeCat, jahrzehnte­lang stärkste Bewegung in Katalonien, nur noch auf zehn bis zwölf Prozent der Stim- men. Während Puigdemont­s früherer Vize Junqueras, der nicht vor der Justiz flüchtete und deswegen nun hinter Gittern sitzt, mit seiner Republikan­erpartei ERC bis zu 30 Prozent erwarten kann – womit sich Junqueras zum neuen Führer der Bewegung aufschwing­en würde.

Ob die insgesamt drei katalanisc­hen Separatism­usparteien es in der Neuwahl am 21. Dezember wieder schaffen werden, die Mehrheit der Mandate im Katalonien-Parlament zu erobern, ist unklar. Bisher sagen ihnen die Umfragen zusammenge­rechnet höchstens 48 Prozent der Stimmen voraus.

Am Sonntag besuchte Spaniens konservati­ver Regierungs­chef Mariano Rajoy erstmals seit der Kontrollüb­ernahme Barcelona. Er nahm an einer Wahlverans­taltung seiner Volksparte­i (PP) teil. „Katalonien ist Spanien und Spanien ist Katalonien“, erklärte Rajoy. In seiner Rede forderte er die „schweigend­e Mehrheit“auf, bei der Wahl die Abspaltung abzulehnen, damit wieder Normalität einkehren könne.

„Ich will die Demokratie bringen.“Mariano Rajoy, Ministerpr­äsident

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