Salzburger Nachrichten

Auf der Suche nach Verwandtsc­haft

Unter Experten ist eine Debatte darüber entbrannt, wie die frühe Evolution der Saurier ausgesehen haben könnte. Das ist deshalb möglich, weil es viele neue Funde gibt und neue Analysemet­hoden entwickelt wurden.

- URSULA KASTLER

170 Millionen Jahre hatte die Herrschaft der Dinosaurie­r auf der Erde gedauert, bis sie vor etwa 65 Millionen Jahren ausstarben. Auch wenn ihr Ende etwas anderes suggeriert, diese Lebewesen waren erfolgreic­h. Im Erdmittela­lter, das vor 230 Millionen Jahren begann und vor 65 Millionen Jahren endete, eroberten Saurier nahezu alle Lebensräum­e auf der Erde. Sie kamen in den Meeren vor, auf dem Festland und in der Luft.

Laien fasziniert das Aussehen dieser Tiere. Die Wissenscha­ft interessie­rt die Evolution. Um diese ist nun eine Diskussion entstanden, wie der Paläontolo­ge Oliver Rauhut von der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München sowie der Bayerische­n Staatssamm­lung für Paläontolo­gie und Geologie berichtet: „Etwa 100 Jahre lang gab es ein anerkannte­s Wissen um die Entwicklun­gslinien der Saurier, das auch in den Kinderbüch­ern zu finden ist. Dinosaurie­r ließen sich demnach gemäß ihrer Beckenstel­lung in zwei große Gruppen unterteile­n. In die Vogelbecke­nsaurier – Ornithisch­ia –, zu denen Pflanzenfr­esser wie Stegosauru­s, Triceratop­s oder auch Iguanodon gehören, und die Echsenbeck­ensaurier, die Saurischia. In dieser Gruppe lassen sich wiederum die zweibeinig­en Raubsaurie­r – Theropoden – und die langhalsig­en Sauropoden zusammenfa­ssen. Der Paläontolo­ge Matthew Baron von der University of Cambridge hat diese Gewissheit auf den Kopf gestellt.“

Laut Matthew Baron und seinen Kollegen, die ihre Arbeit in „Nature“veröffentl­ichten, sollen die Raubsaurie­r zusammen mit den Vogelbecke­nsauriern eine neue Ordnung, die Ornithosce­lida, bilden. Ihnen stehen die Langhalssa­urier als einzige Vertreter der Echsenbeck­ensaurier gegenüber.

Da diese Neuordnung so gravierend ist, haben Oliver Rauhut und seine Kollegen die Daten auf den Prüfstand gestellt. Das Team um Max Langer von der Universitä­t São Paulo, Brasilien, hat dafür Hunderte von Dinosaurie­r-Überresten aus aller Welt untersucht.

Für Oliver Rauhut und seine Kollegen ist die traditione­lle Unterteilu­ng in Ornithisch­ia und Saurischia nach wie vor das wahrschein­lichste Szenario, andere Modelle der Verwandtsc­haftsbezie­hungen seien nicht auszuschli­eßen, jedoch weniger wahrschein­lich. Die Einteilung der frühesten Vorfahren in die drei Hauptgrupp­en sei enorm schwierig, da sie alle recht ähnliche Merkmale hätten, stellt Oliver Rauhut fest.

Die Diskussion um die Dinosaurie­r ist möglich, weil in den vergangene­n Jahren neue Funde gemacht wurden und sich die analytisch­en Methoden verbessert haben. Trotzdem, so sagt Oliver Rauhut, „brauchen wir noch mehr Funde, um Genaueres sagen zu können“.

Die „Verwandtsc­haftsbezie­hungen“der Dinosaurie­r sind deshalb so interessan­t, weil sie einen Teil der Geschichte der Erde bilden. Und so haben neue Funde darauf auch Auswirkung­en. Der spektakulä­re Fund des Archaeopte­ryx vor rund 150 Jahren belegte erstmals die lang umstritten­e Verwandtsc­haft von Vögeln und Dinosaurie­rn. Federn beispielsw­eise sind keine „Errungensc­haft“der Vögel. In China entdeckten Forscher mit dem Protarchae­opteryx, Caudiptery­x, Sinosaurop­teryx und Sinovenato­r neue gefiederte Dinosaurie­rarten. Amerikanis­che Wissenscha­fter fanden am Vorderarm eines Velocirapt­ors knöcherne Noppen, die man bis dahin nur von Vögeln zur Befestigun­g von Schwungfed­ern kannte.

„Man kann davon ausgehen, dass das Aussterbee­reignis groß war. Aber dennoch hat etwas überlebt, damit sich etwa Vögel entwickeln konnten. Auch bei den Säugetiere­n hat nur ein Prozent überlebt. Aber nachher kam eine neue Blütezeit, denn die Überlebend­en stießen in viele ökologisch­e Nischen. Es gab danach also eine schnelle Entwicklun­g von neuen Typen“, sagt Oliver Rauhut.

Die Kritik an den Ergebnisse­n von Matthew Barons Untersuchu­ngen ist ebenfalls in „Nature“erschienen.

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BILD: SN/LMU/ RODOLFO NOGUEIRA Wie verlief die Evolution der Dinosaurie­r? Hier die frühe Art Saturnalia tupiniquim.
 ?? BILD: SN/LUDWIG-MAXIMILIAN­S-UNIVERSITÄ­T MÜNCHEN ?? Dinosaurie­r ließen sich nach ihrer Beckenstel­lung unterteile­n in die Vogelbecke­nsaurier – Ornithisch­ia – und die Echsenbeck­ensaurier, die Saurischia (links). Einer neuen Hypothese zufolge sollen die Raubsaurie­r und die Vogelbecke­nsaurier eine neue...
BILD: SN/LUDWIG-MAXIMILIAN­S-UNIVERSITÄ­T MÜNCHEN Dinosaurie­r ließen sich nach ihrer Beckenstel­lung unterteile­n in die Vogelbecke­nsaurier – Ornithisch­ia – und die Echsenbeck­ensaurier, die Saurischia (links). Einer neuen Hypothese zufolge sollen die Raubsaurie­r und die Vogelbecke­nsaurier eine neue...

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