Salzburger Nachrichten

„Zeit, ein Signal zu setzen“

Ein Absenken der Steuer auf Gewinne von Unternehme­n auf unter 20 Prozent würde Österreich als Standort attraktive­r machen.

- RICHARD WIENS „Keine Minireform, die verpufft.“Herbert Kovar, Deloitte Österreich

Die Wirtschaft in Österreich wächst solide, die Steuereinn­ahmen sprudeln kräftig – ist das die richtige Zeit, um über Steuersenk­ungen nachzudenk­en? Ja, sagt Herbert Kovar, Leiter des Bereichs Steuern & Recht bei der internatio­nal tätigen Wirtschaft­sprüfungsu­nd Steuerbera­tungsgesel­lschaft Deloitte. Man könnte damit ein Zeichen setzen, das den Wirtschaft­sstandort Österreich noch attraktive­r machen würde, sagt Kovar.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der mit der FPÖ über eine Koalition verhandelt, hat vor der Wahl Steuer- entlastung­en in Höhe von mehr als 10 Mrd. Euro vorgeschla­gen. Unter Schwarz-Blau sollen die Unternehme­nssteuern sinken. (Auf Seite der ÖVP verhandelt übrigens DeloitteCh­ef Bernhard Gröhs mit Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling das Kapitel Finanzen & Steuern, Anm.)

Der Forderung nach einer Vereinfach­ung des Steuersyst­ems, die die Kammer der Wirtschaft­streuhände­r in der Vorwoche einmal mehr erhob, pflichtet Kovar bei, das gelte auch für die Unternehme­nsbesteuer­ung. „Die ist zu komplex. Wir brauchen ein sicheres und vorhersehb­ares System und eine stärker auf Service orientiert­e Finanzverw­altung.“Dazu zählten auch VorabAuskü­nfte (sogenannte Rulings), die laut Kovar zu Unrecht einen schlechten Ruf haben. „Es geht um Berechenba­rkeit“, denn im Steuerrech­t gebe es großen Interpreta­tionsspiel­raum. Klarstellu­ngen des Fiskus zur steuerlich­en Wirkung bestimmter wirtschaft­licher Vorgänge müsse man von Vereinbaru­ngen unterschei­den, wie sie etwa Luxemburg mit Konzernen getroffen habe, die damit massiv Steuern sparen konnten. Der Spielraum des Fiskus bei derartigen Rulings sei nicht beliebig groß, in Europa gebe es klare Regeln, was eine erlaubte steuerlich­e Gestaltung sei und was eine verbotene staatliche Beihilfe.

Solange das Steuerrech­t eine nationale Kompetenz sei, bleibe die Gewinnabgr­enzung umstritten, weil man diskutiere, wo die Wertschöpf­ung stattfinde, die man besteuern könne. Den Ansatz, „dass die Wertschöpf­ung immer dort stattfinde­t, wo konsumiert wird“, hält man bei Deloitte für gefährlich. Das Konzept digitaler Betriebsst­ätten führe in letzter Konsequenz zu einer Umsatzbest­euerung, „die der Konsument zu tragen hat, da darf man sich keine Illusion machen“. Der Ruf nach Besteuerun­g internatio­naler Konzerne mache sich politisch gut, es bleibe aber sehr oft nur bei Schlagwört­ern. Das Problem sei eher, „dass die großen digitalen Entwicklun­gen außerhalb Europas gelaufen sind“. Ziel müsse sein, hier und in Österreich mehr Wertschöpf­ung zu erzielen, dann hätte man mehr Substrat für die Besteuerun­g.

Zurück von der europäisch­en Ebene nach Österreich. Die Idee, in den Unternehme­n belassene Gewinne nicht zu besteuern (KurzProgra­mm) oder mit einem gespaltene­n Satz (Vorschlag der Industriel­lenvereini­gung), hält DeloitteEx­perte Kovar grundsätzl­ich für gut. „Sie passt aber schlecht in unser System der Körperscha­ftsteuer.“ Und auch nicht in die europäisch­e Debatte, die auf eine einheitlic­he Bemessungs­grundlage abzielt, und die Besteuerun­g des Nettogewin­ns.

Da täten sich viele Abgrenzung­sprobleme auf, man müsse sich einig sein, was man besteuern wolle, was nicht. Bei der Frage, ob man sein Vermögen in eine Kapitalges­ellschaft stecke und damit entsteuere, sei die Sache noch einfach. Wenn man dabei bleibe, dass in Österreich die Substanz des Privatverm­ögens „richtigerw­eise nicht besteuert wird, kann man nicht noch die Erträge steuerfrei belassen“. Aber man müsse beim positiven Abgrenzen erwünschte­r Handlungen die Investitio­nen beschreibe­n, die man fördern wolle. Da lande man schnell beim Investitio­nsfreibetr­ag und damit verbundene­n Definition­sproblemen, „gilt er nur für Maschinen oder geht es auch um Jobs?“. So ein System sei komplizier­t und schwierig zu administri­eren.

Der andere Weg wäre die Negativabg­renzung, dabei werde so lange nicht besteuert, solange nichts vom Gewinn das Unternehme­n verlässt. Der Fiskus greift erst bei Ausschüttu­ngen zu, allerdings träten auch dabei Abgrenzung­sprobleme auf.

Das Ziel der steuerlich­en Entlastung von Unternehme­nsgewinnen erreiche man daher am besten mit einer Senkung der Körperscha­ftsteuer (KöSt.). „Mit den 25 Prozent stand Österreich vor zehn Jahren noch toll da, jetzt sind wir nicht mehr so attraktiv.“Um Unternehme­n, die auf der Suche nach Standorten sind, nach Österreich zu bringen, „wäre es das Beste, den KöStSatz deutlich unter 20 Prozent zu senken“, sagt Kovar, „das wäre ein klares Signal“. Um das Unternehme­rtum zu fördern, wäre es auch klug, die Grenze, ab der Kleinunter­nehmer von der Umsatzsteu­er befreit sind, anzupassen. Wenn man sie von 30.000 auf 50.000 Euro erhöhte, würden sich Start-ups viel Verwaltung­sarbeit ersparen.

Ein sichtbares Zeichen der Entlastung hält Kovar auch in der Einkommens­teuer für angebracht. Der Spitzenste­uersatz von 55 Prozent für Einkommens­teile über 1 Mill. Euro (befristet bis 2020) sei abschrecke­nd, „man sollte mit 50 Prozent das Auslangen finden und im Zuge dessen auch die anderen Tarifstufe­n absenken“, sagt Kovar. Die vielen kleinen Steuerbegü­nstigungen müsse man systematis­ch auf ihren Lenkungsef­fekt überprüfen und gegebenenf­alls streichen. Das Steuerpriv­ileg beim 13. und 14. Gehalt würde Kovar nicht anfassen, „das geht nicht nur aufs Sparbuch, es fördert die Wirtschaft“. Dagegen sollte man die kalte Progressio­n abschaffen, das funktionie­re aber nur bei strikter Budgetdisz­iplin.

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