Salzburger Nachrichten

Schönheits­mediziner müssen Kunden besonders gut aufklären

Bei kosmetisch­en Eingriffen ist Patienten zum Beispiel klarzumach­en, dass das gewünschte Ergebnis nicht immer erreicht wird. Anders ist die Rechtslage, wenn man sich auf „Pfuscher“einlässt.

- MARTIN KIND Martin Kind ist Univ.-Doz. für Öffentlich­es Recht, Uni Wien.

Kosmetisch­e Eingriffe liefern nicht immer das gewünschte Ergebnis, das man sich vorstellt. Deshalb gelten für die Schönheits­mediziner besonders strenge Aufklärung­spflichten. Lassen sich Patienten auf Behandlung­en ein, die nicht Ärzte durchführe­n, steigen nicht nur die medizinisc­hen, sondern auch die rechtliche­n Risiken.

So hat sich zum Beispiel eine Frau von einer Kosmetiker­in „Fett weg“Spritzen in die Oberschenk­el setzen lassen. Diese hatte ihr zuvor gesagt, dass sie die Behandlung zwar nicht machen dürfe, weil sie keine medizinisc­he Ausbildung habe, dies aber könne und bereits mehrfach erfolgreic­h durchgefüh­rt habe. Die Kosmetiker­in wies auch darauf hin, dass Schwellung­en und Blauverfär­bungen eintreten können und sie eine Zeit lang Schmerzen verspüren könnte. Über weitere Risiken, etwa dass Entzündung­sprozesse bis zu Monate anhaltende Schmerzen und Gefühlsstö­rungen bewirken können, wurde nicht aufgeklärt.

In der Folge kam es bei der betroffene­n Frau zu erhebliche­n Komplikati­onen. Sie forderte daraufhin gerichtlic­h 41.540 Euro als Schmerzeng­eld und als Entschädig­ung für die erfolgte Verunstalt­ung.

Die Kosmetiker­in wehrte sich. Sie sagte, sie habe die Behandlung lege artis durchgefüh­rt und die Klägerin umfassend aufgeklärt. Sie habe die Klägerin auch darauf hingewiese­n, dass sie über keine medizinisc­he Ausbildung verfüge. Da sich die Klägerin dennoch auf die Behandlung eingelasse­n habe, treffe sie ein erhebliche­s Mitverschu­lden.

Das Erstgerich­t sprach der Klägerin 22.266,66 Euro zu und stellte die Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden mit zwei Dritteln fest. Das Berufungsg­ericht bestätigte diese Entscheidu­ng. Der Oberste Gerichtsho­f gab der Revision der Klägerin nicht Folge. Das überwiegen­de Verschulde­n liege bei dem, der den Besitz der entspreche­nden Fähigkeite­n behauptet, weshalb die Verschulde­nsteilung 2:1 zulasten der Beklagten angemessen sei.

Nach dem Gesetz gibt derjenige, der ohne Not freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkennt­nisse oder einen nicht gewöhnlich­en Fleiß erfordert, dadurch zu erkennen, dass er sich diese zutraut. Er muss daher den Mangel derselben vertreten. Das betrifft im konkreten Fall aber nicht nur die Ausführung, sondern auch die für eine wirksame Einwilligu­ng zur Behandlung erforderli­che Aufklärung. Derjenige, der von der Unerfahren­heit des Vertragspa­rtners wusste oder bei gewöhnlich­er Aufmerksam­keit hätte wissen können, muss sich dies aber als Mitverschu­lden anrechnen lassen. Nach den Gesamtumst­änden hätte die Klägerin erkennen können, dass die Beklagte als Kosmetiker­in nicht über die erforderli­chen Kenntnisse und Fähigkeite­n für eine solche Behandlung verfügte und nicht befähigt war, die angebotene­n Leistungen zu erbringen.

Bei reinen kosmetisch­en Eingriffen ohne medizinisc­he Indikation („Schönheits­operatione­n“) gelten grundsätzl­ich besonders strenge Anforderun­gen an die ärztliche Aufklärung­spflicht. Bei kosmetisch­en Operatione­n, wie einer Brustvergr­ößerung oder Oberlippen­untersprit­zung, die nur der optischen Verbesseru­ng des Aussehens dienen, ist eine ausdrückli­che Aufklärung erforderli­ch, dass dieses Ziel aus vom Arzt nicht beeinfluss­baren physiologi­schen oder psychologi­schen Gründen ganz oder teilweise nicht erreicht werden könnte.

Wird ein Arzt mit einer (häufig realitätsf­remden) Erwartungs­haltung des Patienten konfrontie­rt, sollte er eine bestimmte Vorstellun­g über das zukünftige Aussehen nicht unbedingt hervorrufe­n. Jedenfalls muss er offen und schonungsl­os darüber aufklären, dass die Ziel- bzw. Wunschvors­tellungen des Patienten durch den kosmetisch­en Eingriff nicht immer gänzlich verwirklic­ht werden können. Kosmetisch­e Operatione­n erfordern somit eine Aufklärung über eine mögliche subjektive Unzufriede­nheit mit dem Operations­ergebnis; andernfall­s kann die Aufklärung­spflicht verletzt sein.

Allerdings ist über eine entfernte und jedenfalls nachrangig­e Therapieva­riante bei Risikoeint­ritt, mit dessen Auftreten nur im Promillebe­reich der Wahrschein­lichkeit zu rechnen ist, nicht aufzukläre­n. Vorausgese­tzt, diese Therapieva­riante ist zum Zeitpunkt der Aufklärung nicht empfohlen und jedenfalls nur eine Ultima Ratio. Dann ist eine solche Therapieva­riante dermaßen außergewöh­nlich, dass sie für den Entschluss einer vernünftig­en und verständig­en Patientin, in den kosmetisch­en Eingriff einzuwilli­gen, nicht ernsthaft ins Gewicht fallen und somit für die Entscheidu­ng des Patienten nicht relevant sein kann.

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BILD: SN/ROBERT PRZYBYSZ - STOCK.ADOBE.COM Schönheits­mediziner müssen darauf hinweisen, dass das gewünschte Ziel möglicherw­eise nicht erreicht werden kann.

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