Gesucht: Tapezierter Dienstwagen mit Blumenvasen
Das Verhältnis zwischen Bundeskanzler und Landeshauptleuten ist nicht ganz einfach, und das seit 100 Jahren.
Kennen Sie den? Treffen sich zwei Freunde, die einander lange nicht gesehen haben. Fragt der eine den anderen: „Wie geht es deiner Frau und deinen Kindern? Habt ihr schon Urlaubspläne?“Antwortet der andere: „Wir haben in guten und konstruktiven Verhandlungen eine Reihe von Metazielen und Leuchtturmprojekten definiert, die nun von Fachgruppen mit klar umrissenen Aufgabengebieten vertieft und für die inhaltlichen Verhandlungen aufbereitet werden. Diese wollen wir dann in der hochkarätig besetzten Steuerungsgruppe in sachlicher und freundschaftlicher Atmosphäre zügig zu einem positiven Abschluss bringen.“
Ein Witz, nicht wahr? Aber apropos Koalitionsverhandlungen: Die großen Abwesenden bei dieser jungen, dynamischen und zielorientierten Veranstaltung sind die Landeshauptleute. Gern wären sie dabei gewesen, aber der Ruf an sie erschallte nicht. Jetzt kann man sich lebhaft vorstellen, was diese rauen Gesellen mit dem zarten Pflänzchen Sebastian anstellen werden, falls das Verhandlungsergebnis nicht ihren Vorstellungen entspricht. Man soll ja nicht schwarzmalen, aber sie werden vermutlich genau so mit ihm umgehen, wie er bei der Wahl des Nationalratspräsidiums mit dem Parlament umgegangen ist …
Das Verhältnis zwischen Kanzler und Landeshauptleuten wird übrigens auch in dem neuen Buch Franz Schausbergers über Rudolf Ramek beleuchtet, das die SN gestern besprochen haben. Geschildert wird darin etwa folgende Szene: Der in Salzburg als Anwalt tätige Ramek wurde 1924 überraschend Bundeskanzler und fand auf dem Schreibtisch alsbald einen Brief des Salzburger Landeshauptmannes Franz Rehrl vor. Es ging um den Ankauf eines neuen „Amtsautos“für Rehrl, was damals eine Angelegenheit des Kanzleramtes war.
Also übermittelte Rehrl an Ramek seine Vorstellungen betreffend den neuen Dienstwagen. Es sollte ein 6-Zylinder-Steyr mit 60 PS sein, der eine Karosserie à la Daimler sowie u. a. folgende Sonderausstattungen aufweisen sollte: Vierradbremse, drehbare Zeus-Scheinwerfer, Innenbeleuchtung, Seitenlampe für das Trittbrett, Zigarrenanzünder, Blumenvasen, Federmanschetten aus Leder, Stock- und Schirmhalter, Boschhorn, verdeckbare Notsitze, Uhr, Sprachrohr zum Chauffeur, Tapezierung nach Wahl, elektrische Innenheizung, Thermometer, Aschenbecher, großer Reisekoffer und – nicht zu vergessen – Toilettenschale.
So weit die Wünsche des Autonarren Rehrl. In den 20er-Jahren, als Österreich nahezu pleite war, nahmen sie sich eher extravagant aus und summierten sich auf einen Kaufpreis von 220 Millionen Kronen. Und was tat Ramek? Er genehmigte den Kauf des Dienstwagens. Ein Kanzler muss manchmal demütig sein.