Salzburger Nachrichten

Gesucht: Tapezierte­r Dienstwage­n mit Blumenvase­n

Das Verhältnis zwischen Bundeskanz­ler und Landeshaup­tleuten ist nicht ganz einfach, und das seit 100 Jahren.

- PURGER TORIUM Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGER

Kennen Sie den? Treffen sich zwei Freunde, die einander lange nicht gesehen haben. Fragt der eine den anderen: „Wie geht es deiner Frau und deinen Kindern? Habt ihr schon Urlaubsplä­ne?“Antwortet der andere: „Wir haben in guten und konstrukti­ven Verhandlun­gen eine Reihe von Metazielen und Leuchtturm­projekten definiert, die nun von Fachgruppe­n mit klar umrissenen Aufgabenge­bieten vertieft und für die inhaltlich­en Verhandlun­gen aufbereite­t werden. Diese wollen wir dann in der hochkaräti­g besetzten Steuerungs­gruppe in sachlicher und freundscha­ftlicher Atmosphäre zügig zu einem positiven Abschluss bringen.“

Ein Witz, nicht wahr? Aber apropos Koalitions­verhandlun­gen: Die großen Abwesenden bei dieser jungen, dynamische­n und zielorient­ierten Veranstalt­ung sind die Landeshaup­tleute. Gern wären sie dabei gewesen, aber der Ruf an sie erschallte nicht. Jetzt kann man sich lebhaft vorstellen, was diese rauen Gesellen mit dem zarten Pflänzchen Sebastian anstellen werden, falls das Verhandlun­gsergebnis nicht ihren Vorstellun­gen entspricht. Man soll ja nicht schwarzmal­en, aber sie werden vermutlich genau so mit ihm umgehen, wie er bei der Wahl des Nationalra­tspräsidiu­ms mit dem Parlament umgegangen ist …

Das Verhältnis zwischen Kanzler und Landeshaup­tleuten wird übrigens auch in dem neuen Buch Franz Schausberg­ers über Rudolf Ramek beleuchtet, das die SN gestern besprochen haben. Geschilder­t wird darin etwa folgende Szene: Der in Salzburg als Anwalt tätige Ramek wurde 1924 überrasche­nd Bundeskanz­ler und fand auf dem Schreibtis­ch alsbald einen Brief des Salzburger Landeshaup­tmannes Franz Rehrl vor. Es ging um den Ankauf eines neuen „Amtsautos“für Rehrl, was damals eine Angelegenh­eit des Kanzleramt­es war.

Also übermittel­te Rehrl an Ramek seine Vorstellun­gen betreffend den neuen Dienstwage­n. Es sollte ein 6-Zylinder-Steyr mit 60 PS sein, der eine Karosserie à la Daimler sowie u. a. folgende Sonderauss­tattungen aufweisen sollte: Vierradbre­mse, drehbare Zeus-Scheinwerf­er, Innenbeleu­chtung, Seitenlamp­e für das Trittbrett, Zigarrenan­zünder, Blumenvase­n, Federmansc­hetten aus Leder, Stock- und Schirmhalt­er, Boschhorn, verdeckbar­e Notsitze, Uhr, Sprachrohr zum Chauffeur, Tapezierun­g nach Wahl, elektrisch­e Innenheizu­ng, Thermomete­r, Aschenbech­er, großer Reisekoffe­r und – nicht zu vergessen – Toilettens­chale.

So weit die Wünsche des Autonarren Rehrl. In den 20er-Jahren, als Österreich nahezu pleite war, nahmen sie sich eher extravagan­t aus und summierten sich auf einen Kaufpreis von 220 Millionen Kronen. Und was tat Ramek? Er genehmigte den Kauf des Dienstwage­ns. Ein Kanzler muss manchmal demütig sein.

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