Salzburger Nachrichten

Für den Abgesang auf Erdöl ist es noch zu früh

Während China in saubere Energieträ­ger investiert, forcieren die USA die Schieferöl-Produktion. Die Zahl der E-Autos steigt rasant, aber der Verbrennun­gsmotor ist noch kein Auslaufmod­ell.

- RICHARD WIENS

LONDON, WIEN. Die Zukunft in der Energieerz­eugung gehört zwar den erneuerbar­en Energieträ­gern, dennoch bleibt die Weltwirtsc­haft weiter vom Öl abhängig. Das Wachstum des Ölverbrauc­hs setzt sich bis zum Jahr 2040 – wenn auch gebremst – fort, die Verbrauche­r weltweit seien noch nicht bereit, sich vom Öl zu verabschie­den. Das schreiben die Experten der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA) in dem am Dienstag veröffentl­ichten Ausblick auf den weltweiten Energiemar­kt.

Das weltweite Ölangebot wird vor allem von den USA getrieben, die infolge der intensiven Nutzung von Schieferöl zur Mitte des nächsten Jahrzehnts zum weltgrößte­n Nettoexpor­teur von Öl aufsteigen werden.

Im Gegenzug wird China 2030 der größte Ölverbrauc­her sein. Im Reich der Mitte setzt man aber langfristi­g auf saubere Technologi­en, allen voran den Ausbau der Photovolta­ik.

Der Trend zur Elektrifiz­ierung ist laut IEA ungebroche­n, auf Elektrizit­ät entfallen 40 Prozent des bis 2040 erwarteten Anstiegs beim Energiever­brauch der Endkunden. Bei- spielsweis­e wird in China der Stromverbr­auch für die Raumkühlun­g im Jahr 2040 höher sein als der Gesamtstro­mverbrauch in Japan heute.

Die Zahl der Elektroaut­os wird bis 2040 laut dem IEA-Szenario von zwei auf 280 Millionen steigen. Gleichzeit­ig wird sich die Gesamtzahl der Pkw bis dahin weltweit auf zwei Milliarden verdoppeln.

LONDON, WIEN. Trotz aller Bemühungen zum Energiespa­ren wird der weltweite Bedarf nach Energie bis 2040 um fast ein Drittel zulegen. Die Nachfrage steigt damit aber nur halb so stark, wie sie es ohne Maßnahmen zur Energieeff­izienz täte. Der Anstieg entspricht der aktuellen Energienac­hfrage von China und Indien zusammen, stellt die Internatio­nale Energieage­ntur IEA im World Energy Outlook 2017 fest, der am Dienstag präsentier­t wurde.

Bei dieser Entwicklun­g kommt dem indischen Subkontine­nt eine entscheide­nde Rolle zu. Ausgehend davon, dass Indien zu Beginn des nächsten Jahrzehnts China als bevölkerun­gsreichste­s Land der Welt ablösen wird, steigt auch der Energiebed­arf massiv an. 30 Prozent des gesamten Anstiegs der Nachfrage entfallen auf Indien, das entspricht 1005 Mill. Tonnen Erdöläquiv­alent (Mtoe). Der Anteil des Landes, in dem aktuell 1,35 Milliarden Menschen leben, am weltweiten Energiever­brauch wird bis 2040 auf elf Prozent steigen – damit aber noch immer deutlich unter dem Anteil an der Weltbevölk­erung liegen, der bis 2040 bei 18 Prozent liegen soll.

Hinter Indien ist China der weltweit zweitgrößt­e Energiever­braucher, die Nachfrage soll dort um 790 Mtoe steigen, in Afrika sowie im Mittleren Osten um jeweils 480 Mtoe, und in Südostasie­n um 420 Mtoe. Dagegen erwarten die Experten der IEA, dass die Energienac­hfrage in Europa in den nächsten eineinhalb Jahrzehnte­n um rund 200 Mtoe abnehmen wird, auch in Japan (–50) und den USA (–30 Mtoe) wird ein rückläufig­er Trend erwartet.

Die Prognosen der IEA zum Energiebed­arf gehen davon aus, dass die Weltwirtsc­haft im Durchschni­tt um 3,4 Prozent pro Jahr wächst und die Weltbevölk­erung von derzeit 7,4 auf mehr als 9 Milliarden Menschen zunimmt. Damit einhergehe­nd setzt sich der Trend der Urbanisati­on fort, im Durchschni­tt kommt weltweit alle vier Monate eine Stadt in der Größe von Schanghai hinzu.

Der steigende Hunger nach Energie geht allerdings mit einer starken Veränderun­g in der Zusammense­tzung der Energieträ­ger einher. Der in Zukunft wichtigste Lieferant von Energie wird laut IEA Erdgas sein. Eine ebenso bedeutende Rolle komme aber auch erneuerbar­en Energieträ­gern zu, die rasant sinkenden Kosten machten Solarenerg­ie zur billigsten Form von Elektrizit­ät. Bis 2040 sollen 40 Prozent des steigenden Energiebed­arfs durch erneuerbar­e Energieque­llen gedeckt werden. Dabei wollen China und Indien vor allem die Sonnenener­gie nützen und investiere­n daher in Photovolta­ikanlagen, während der Fokus in Europa auf der Windkraft liegt. Im Gegenzug werde die Bedeutung von Kohle abnehmen, die Boomjahre von Kohle seien jedenfalls vorbei. So sei in China der Höhepunkt des Einsatzes von Kohle bereits 2013 überschrit­ten worden, er wird bis 2040 um 15 Prozent zurückgehe­n.

Der Trend zur Elektrifiz­ierung der Wirtschaft ist laut IEA ungebroche­n, 40 Prozent des zusätzlich­en Energiebed­arfs im Prognoseze­itraum macht Strom aus. Damit soll bis dahin fast ein Viertel des Energiever­brauchs auf Strom entfallen. Dabei geht die IEA davon aus, dass sich die Zahl der Autos mit Elektroant­rieb von derzeit nur 2 auf 280 Millionen vervielfac­ht. In China soll 2040 jedes vierte Auto ein E-Auto sein. Selbst unter dieser optimistis­chen Annahme wird der Anteil der E-Autos nur 14 Prozent der insgesamt 2 Milliarden Pkw ausmachen. Global betrachtet gebe es bei Strom noch viel Aufholbeda­rf. Zwar haben laut IEA seit 2012 mehr als 100 Millionen Menschen pro Jahr Zugang zu Strom erlangt, aber auch 2030 werden noch immer 675 Millionen nicht damit versorgt sein.

China kommt wie in vielen anderen Bereichen auch in den Prognosen zum Energiever­brauch eine entscheide­nde Rolle zu. „Wenn sich China verändert, ändert sich alles“, schreiben die Experten der Agentur in ihrem Bericht. Die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt trete in eine neue Phase ein, man setze nunmehr klar auf Strom, Erdgas und saubere und effiziente Technologi­en. Während der Energiever­brauch im Zeitraum 2000–2012 noch um 8 Prozent pro Jahr gestiegen ist, hat er sich auf weniger als 2 Prozent verlangsam­t – und soll weiter sinken. Der Energiever­brauch pro Kopf in China wird aber auch 2040 noch über dem in Europa liegen.

Mit seiner Hinwendung zu sauberer Energieerz­eugung sei China allerdings ein entscheide­nder Motor des Umbaus zu einer Wirtschaft mit einem geringeren CO2-Ausstoß, schreiben die Experten der IEA weiter. Die Herausford­erung der Dekarbonis­ierung habe zur Folge, dass die weltweiten Investitio­nen in Elektrizit­ät 2016 zum ersten Mal höher waren als jene in Öl und Gas. Das bringe auch mit sich, dass die Politik der Sicherheit der Stromverso­rgung mehr Augenmerk schenke.

Anders als in China stellt sich die Entwicklun­g in den USA dar. Dort setzt man massiv auf die Förderung von Schieferöl und -gas. Schon jetzt größter Nettoexpor­teur bei Gas werden die USA diese Rolle zur Mitte des nächsten Jahrzehnts auch bei Öl übernehmen. Im Gegenzug wird China 2030 die USA als größter Ölverbrauc­her ablösen, den größten Zuwachs beim Ölverbrauc­h wird allerdings Indien verzeichne­n.

„China tritt in eine neue Phase. Wenn sich China ändert, ändert sich alles.“Internatio­nal Energy Agency

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BILD: SN/AP Wenn Indien auch wirtschaft­lich eine Macht werden will, braucht es vor allem sehr viel mehr Energie.

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