Für den Abgesang auf Erdöl ist es noch zu früh
Während China in saubere Energieträger investiert, forcieren die USA die Schieferöl-Produktion. Die Zahl der E-Autos steigt rasant, aber der Verbrennungsmotor ist noch kein Auslaufmodell.
LONDON, WIEN. Die Zukunft in der Energieerzeugung gehört zwar den erneuerbaren Energieträgern, dennoch bleibt die Weltwirtschaft weiter vom Öl abhängig. Das Wachstum des Ölverbrauchs setzt sich bis zum Jahr 2040 – wenn auch gebremst – fort, die Verbraucher weltweit seien noch nicht bereit, sich vom Öl zu verabschieden. Das schreiben die Experten der Internationalen Energieagentur (IEA) in dem am Dienstag veröffentlichten Ausblick auf den weltweiten Energiemarkt.
Das weltweite Ölangebot wird vor allem von den USA getrieben, die infolge der intensiven Nutzung von Schieferöl zur Mitte des nächsten Jahrzehnts zum weltgrößten Nettoexporteur von Öl aufsteigen werden.
Im Gegenzug wird China 2030 der größte Ölverbraucher sein. Im Reich der Mitte setzt man aber langfristig auf saubere Technologien, allen voran den Ausbau der Photovoltaik.
Der Trend zur Elektrifizierung ist laut IEA ungebrochen, auf Elektrizität entfallen 40 Prozent des bis 2040 erwarteten Anstiegs beim Energieverbrauch der Endkunden. Bei- spielsweise wird in China der Stromverbrauch für die Raumkühlung im Jahr 2040 höher sein als der Gesamtstromverbrauch in Japan heute.
Die Zahl der Elektroautos wird bis 2040 laut dem IEA-Szenario von zwei auf 280 Millionen steigen. Gleichzeitig wird sich die Gesamtzahl der Pkw bis dahin weltweit auf zwei Milliarden verdoppeln.
LONDON, WIEN. Trotz aller Bemühungen zum Energiesparen wird der weltweite Bedarf nach Energie bis 2040 um fast ein Drittel zulegen. Die Nachfrage steigt damit aber nur halb so stark, wie sie es ohne Maßnahmen zur Energieeffizienz täte. Der Anstieg entspricht der aktuellen Energienachfrage von China und Indien zusammen, stellt die Internationale Energieagentur IEA im World Energy Outlook 2017 fest, der am Dienstag präsentiert wurde.
Bei dieser Entwicklung kommt dem indischen Subkontinent eine entscheidende Rolle zu. Ausgehend davon, dass Indien zu Beginn des nächsten Jahrzehnts China als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen wird, steigt auch der Energiebedarf massiv an. 30 Prozent des gesamten Anstiegs der Nachfrage entfallen auf Indien, das entspricht 1005 Mill. Tonnen Erdöläquivalent (Mtoe). Der Anteil des Landes, in dem aktuell 1,35 Milliarden Menschen leben, am weltweiten Energieverbrauch wird bis 2040 auf elf Prozent steigen – damit aber noch immer deutlich unter dem Anteil an der Weltbevölkerung liegen, der bis 2040 bei 18 Prozent liegen soll.
Hinter Indien ist China der weltweit zweitgrößte Energieverbraucher, die Nachfrage soll dort um 790 Mtoe steigen, in Afrika sowie im Mittleren Osten um jeweils 480 Mtoe, und in Südostasien um 420 Mtoe. Dagegen erwarten die Experten der IEA, dass die Energienachfrage in Europa in den nächsten eineinhalb Jahrzehnten um rund 200 Mtoe abnehmen wird, auch in Japan (–50) und den USA (–30 Mtoe) wird ein rückläufiger Trend erwartet.
Die Prognosen der IEA zum Energiebedarf gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft im Durchschnitt um 3,4 Prozent pro Jahr wächst und die Weltbevölkerung von derzeit 7,4 auf mehr als 9 Milliarden Menschen zunimmt. Damit einhergehend setzt sich der Trend der Urbanisation fort, im Durchschnitt kommt weltweit alle vier Monate eine Stadt in der Größe von Schanghai hinzu.
Der steigende Hunger nach Energie geht allerdings mit einer starken Veränderung in der Zusammensetzung der Energieträger einher. Der in Zukunft wichtigste Lieferant von Energie wird laut IEA Erdgas sein. Eine ebenso bedeutende Rolle komme aber auch erneuerbaren Energieträgern zu, die rasant sinkenden Kosten machten Solarenergie zur billigsten Form von Elektrizität. Bis 2040 sollen 40 Prozent des steigenden Energiebedarfs durch erneuerbare Energiequellen gedeckt werden. Dabei wollen China und Indien vor allem die Sonnenenergie nützen und investieren daher in Photovoltaikanlagen, während der Fokus in Europa auf der Windkraft liegt. Im Gegenzug werde die Bedeutung von Kohle abnehmen, die Boomjahre von Kohle seien jedenfalls vorbei. So sei in China der Höhepunkt des Einsatzes von Kohle bereits 2013 überschritten worden, er wird bis 2040 um 15 Prozent zurückgehen.
Der Trend zur Elektrifizierung der Wirtschaft ist laut IEA ungebrochen, 40 Prozent des zusätzlichen Energiebedarfs im Prognosezeitraum macht Strom aus. Damit soll bis dahin fast ein Viertel des Energieverbrauchs auf Strom entfallen. Dabei geht die IEA davon aus, dass sich die Zahl der Autos mit Elektroantrieb von derzeit nur 2 auf 280 Millionen vervielfacht. In China soll 2040 jedes vierte Auto ein E-Auto sein. Selbst unter dieser optimistischen Annahme wird der Anteil der E-Autos nur 14 Prozent der insgesamt 2 Milliarden Pkw ausmachen. Global betrachtet gebe es bei Strom noch viel Aufholbedarf. Zwar haben laut IEA seit 2012 mehr als 100 Millionen Menschen pro Jahr Zugang zu Strom erlangt, aber auch 2030 werden noch immer 675 Millionen nicht damit versorgt sein.
China kommt wie in vielen anderen Bereichen auch in den Prognosen zum Energieverbrauch eine entscheidende Rolle zu. „Wenn sich China verändert, ändert sich alles“, schreiben die Experten der Agentur in ihrem Bericht. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt trete in eine neue Phase ein, man setze nunmehr klar auf Strom, Erdgas und saubere und effiziente Technologien. Während der Energieverbrauch im Zeitraum 2000–2012 noch um 8 Prozent pro Jahr gestiegen ist, hat er sich auf weniger als 2 Prozent verlangsamt – und soll weiter sinken. Der Energieverbrauch pro Kopf in China wird aber auch 2040 noch über dem in Europa liegen.
Mit seiner Hinwendung zu sauberer Energieerzeugung sei China allerdings ein entscheidender Motor des Umbaus zu einer Wirtschaft mit einem geringeren CO2-Ausstoß, schreiben die Experten der IEA weiter. Die Herausforderung der Dekarbonisierung habe zur Folge, dass die weltweiten Investitionen in Elektrizität 2016 zum ersten Mal höher waren als jene in Öl und Gas. Das bringe auch mit sich, dass die Politik der Sicherheit der Stromversorgung mehr Augenmerk schenke.
Anders als in China stellt sich die Entwicklung in den USA dar. Dort setzt man massiv auf die Förderung von Schieferöl und -gas. Schon jetzt größter Nettoexporteur bei Gas werden die USA diese Rolle zur Mitte des nächsten Jahrzehnts auch bei Öl übernehmen. Im Gegenzug wird China 2030 die USA als größter Ölverbraucher ablösen, den größten Zuwachs beim Ölverbrauch wird allerdings Indien verzeichnen.
„China tritt in eine neue Phase. Wenn sich China ändert, ändert sich alles.“International Energy Agency