Salzburger Nachrichten

„Veränderun­g“ist mehr als eine neue Regierungs­farbe

Wann, wenn nicht jetzt, sollen wir uns mit einer Neuordnung von Staat und Verwaltung auseinande­rsetzen?

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Nichts ist einfacher, als den am Dienstag von einigen honorigen Persönlich­keiten präsentier­ten Vorschlag für eine umfassende Staatsrefo­rm zu ignorieren. Oder sich gar darüber lustig zu machen. Etwa mit dem Hinweis, dass die honorigen Persönlich­keiten allesamt nicht nur ihren 60er, sondern auch ihren politische­n Zenit längst überschrit­ten haben. Man könnte auch die hämische Frage stellen, warum die honorigen Persönlich­keiten all die guten Ideen in ihrer aktiven politische­n Zeit nicht längst durchgeset­zt haben. Und die resigniert­e Feststellu­ng anhängen, dass die vorgeschla­genen Reformen, etwa die Abschaffun­g von Landesgese­tzen, in Österreich ohnehin nicht durchsetzb­ar seien. Also auf zum nächsten Thema.

Eine solche Reaktion wäre naheliegen­d, aber falsch. Wir leben in Umbruchsze­iten, nichts ist, wie es war, alles ändert sich rapide, auch in der Politik. Zwischen der Wahl eines Grünen zum Bundespräs­identen und dem Ende der Grünen als Parlaments­partei lagen nicht einmal zwölf Monate. Erstmals seit langer Zeit hat ein Mann die Nationalra­tswahl gewonnen, der nicht das Gefühl des „Alles bleibt besser“vermittelt, sondern offensiv für eine „Veränderun­g“geworben hat. Die beiden potenziell­en Regierungs­parteien haben sich einer Reformagen­da verschrieb­en. Also wann, wenn nicht jetzt, soll sich dieses Land mit einer grundlegen­den Neuordnung von Staat und Verwaltung auseinande­rsetzen?

Dass etliche der gestern gemachten Vorschläge – sie sind auf Seite 2 dieser Zeitung nachzulese­n – das föderale Selbstvers­tändnis Österreich­s auf eine harte Probe stellen würden, ist unbestritt­en. Die Vorstellun­g von Landtagen ohne Gesetzgebu­ngskompete­nz wird vielen Landesbürg­ern zu weit gehen. Ebenso die Vorstellun­g, dem Bund die staatliche Verwaltung zu entwinden und diese den Ländern zu übertragen. Manches, das in der Denkerstub­e erdacht wurde, mag der Realität nicht standhalte­n. Alles unbestritt­en. Ebenso unbestritt­en ist die Tatsache, dass dieses Land eine Totalrefor­m seiner Strukturen braucht. Vorschläge dazu liegen bündelweis­e in den Schubladen. Der Österreich-Konvent hat vor einem Jahrzehnt wertvolle Anregungen gegeben, ebenso der Rechnungsh­of, ebenso etliche zivilgesel­lschaftlic­he Institutio­nen. Und gestern wurde also ein weiteres inhaltsrei­ches Papier vorgelegt. Die Regierungs­verhandler sind aufgeforde­rt, die diversen Konzepte in ihre Koalitions­überlegung­en einfließen zu lassen. Damit die versproche­nen Veränderun­gen nicht auf die Farben der Regierungs­parteien beschränkt bleiben.

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