„Veränderung“ist mehr als eine neue Regierungsfarbe
Wann, wenn nicht jetzt, sollen wir uns mit einer Neuordnung von Staat und Verwaltung auseinandersetzen?
Nichts ist einfacher, als den am Dienstag von einigen honorigen Persönlichkeiten präsentierten Vorschlag für eine umfassende Staatsreform zu ignorieren. Oder sich gar darüber lustig zu machen. Etwa mit dem Hinweis, dass die honorigen Persönlichkeiten allesamt nicht nur ihren 60er, sondern auch ihren politischen Zenit längst überschritten haben. Man könnte auch die hämische Frage stellen, warum die honorigen Persönlichkeiten all die guten Ideen in ihrer aktiven politischen Zeit nicht längst durchgesetzt haben. Und die resignierte Feststellung anhängen, dass die vorgeschlagenen Reformen, etwa die Abschaffung von Landesgesetzen, in Österreich ohnehin nicht durchsetzbar seien. Also auf zum nächsten Thema.
Eine solche Reaktion wäre naheliegend, aber falsch. Wir leben in Umbruchszeiten, nichts ist, wie es war, alles ändert sich rapide, auch in der Politik. Zwischen der Wahl eines Grünen zum Bundespräsidenten und dem Ende der Grünen als Parlamentspartei lagen nicht einmal zwölf Monate. Erstmals seit langer Zeit hat ein Mann die Nationalratswahl gewonnen, der nicht das Gefühl des „Alles bleibt besser“vermittelt, sondern offensiv für eine „Veränderung“geworben hat. Die beiden potenziellen Regierungsparteien haben sich einer Reformagenda verschrieben. Also wann, wenn nicht jetzt, soll sich dieses Land mit einer grundlegenden Neuordnung von Staat und Verwaltung auseinandersetzen?
Dass etliche der gestern gemachten Vorschläge – sie sind auf Seite 2 dieser Zeitung nachzulesen – das föderale Selbstverständnis Österreichs auf eine harte Probe stellen würden, ist unbestritten. Die Vorstellung von Landtagen ohne Gesetzgebungskompetenz wird vielen Landesbürgern zu weit gehen. Ebenso die Vorstellung, dem Bund die staatliche Verwaltung zu entwinden und diese den Ländern zu übertragen. Manches, das in der Denkerstube erdacht wurde, mag der Realität nicht standhalten. Alles unbestritten. Ebenso unbestritten ist die Tatsache, dass dieses Land eine Totalreform seiner Strukturen braucht. Vorschläge dazu liegen bündelweise in den Schubladen. Der Österreich-Konvent hat vor einem Jahrzehnt wertvolle Anregungen gegeben, ebenso der Rechnungshof, ebenso etliche zivilgesellschaftliche Institutionen. Und gestern wurde also ein weiteres inhaltsreiches Papier vorgelegt. Die Regierungsverhandler sind aufgefordert, die diversen Konzepte in ihre Koalitionsüberlegungen einfließen zu lassen. Damit die versprochenen Veränderungen nicht auf die Farben der Regierungsparteien beschränkt bleiben.