Salzburger Nachrichten

Leuchtpfad aus der Krise

Die SPÖ hat zu wenige Wähler und zu hohe Schulden. Ein Blick Richtung Wirtschaft könnte den Genossen helfen, die Probleme zu lösen.

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Jede Krise ist eine Chance. Was nach Pathos klingt, ist in der Wirtschaft oft Realität. Der Wirtschaft­spsycholog­e und Personalbe­rater Othmar Hill erklärt, wie das auch in der SPÖ funktionie­ren könnte. SN: Wäre die SPÖ eine Firma, was müsste sie jetzt tun? Othmar Hill: Das ist völlig klar. Will man aus einer Krise kommen, muss das ideologisc­he Rückgrat aufgebaut werden. Dazu gehören die Fragen: Wo kommen wir her? Wozu gibt es uns? Was passiert, wenn es uns nicht mehr gibt? Man könnte das auch Sinnfindun­g nennen. SN: Wer soll das machen – Parteiführ­ung oder Basis? Zehn bis 15 Leute. Also die Entscheidu­ngsträger in der Partei. Sie müssen dafür ungefähr 100 Arbeitsstu­nden rechnen. Das ist nicht in zwei Tagen erledigt. Wichtig dabei ist eine gute Moderation, die den Prozess begleitet. Die Berater und die Einflüster­er kann man sich sparen. Im Vorfeld muss man sich Impulse von der Basis holen. SN: Ist bei der Sinnfindun­g eine Neuausrich­tung oder eine Rückkehr zu alten Werten hilfreich? Meistens ist der Sinn vorhanden, er wird nur nicht gesehen. Er muss herausgesc­hält werden aus dem Wirrwarr von Personaldi­skussionen und anderen Streiterei­en. SN: Wie kann dann die Marke SPÖ ohne „die Arbeiter“, von denen es immer weniger gibt, funktionie­ren ? Die Marke SPÖ ist sehr abgenutzt. Wenn man die Sinnsuche aber ernsthaft durchführt, dann kann sich eine Partei neu definieren. Da reichen ein bloßes Umfärbeln oder ein paar neue Slogans, die von Marketinga­genturen kommen, nicht aus. Die Marke muss in der Partei entstehen und bis zum letzten Parteifunk­tionär durchsicke­rn. Wenn dann alle an diesem Leitbild arbeiten, entsteht eine unheimlich­e Kraft. Da verschwind­en plötzlich auch interne Querelen. Man kann aus einer Krise gestärkt herauskomm­en. Nur braucht es dazu Zeit. Wer jetzt schon die nächste Wahl im Auge hat, hat auf lange Sicht verloren. SN: Könnte man bei der Sinnsuche auch auf die Antwort kommen, dass man gar nicht mehr gebraucht wird? Auch das gibt es. Ich denke aber, dass für eine soziale Partei, die sich auf das Gemeinwohl konzentrie­rt, in Österreich Platz ist. SN: Was kommt nach der Sinnfindun­g? Dann kommt die Strategie. Leider kommt dieser Punkt – also die Vorbereitu­ng auf die nächste Wahl – in der Politik meist vor der Sinnfindun­g. Das funktionie­rt nicht. Wenn das ideologisc­he Fundament nicht stimmt, hilft einem der beste Plan nichts. SN: In der Politik gibt es in Krisenzeit­en immer Führungsdi­skussionen. Sind neue Gesichter die richtige Antwort? Die Personalfr­age muss überhaupt ganz am Schluss stehen. Nach der Sinnfindun­g und der Strategie kommt zuerst noch das Aneignen von Management­wissen. Das hat noch keine Partei begriffen. Selbst die einfachste­n Management­tools wie Konfliktlö­sung werden nicht umgesetzt. Und ganz am Schluss, nachdem die Punkte abgearbeit­et wurden, kommt die Personalfr­age. SN: Die SPÖ hat laut Experten bis zu 23 Millionen Euro Schulden. Muss nicht hier einmal ein Schritt gesetzt werden? Auch das kommt erst später. Die Finanzen müssen Unternehme­nsund Personalbe­rater klären. Auch hier gäbe es Verbesseru­ngsbedarf bei allen Parteien. Schließlic­h bekommen nicht immer die am besten qualifizie­rten Mitarbeite­r einen Job in der Partei. SN: Christian Kern gilt als Managertyp. Warum ist er trotzdem gescheiter­t? Ein Quereinsti­eg ist immer schwer, weil man die Sprache der Basis und der Wähler meist nicht spricht. Man braucht also keine Manager, die in die Politik gehen, sondern Politiker mit Management­qualitäten. SN: Funktionie­rt die Politik nicht auch anders als die Wirtschaft? Der Vorgang in Krisenzeit­en ist immer gleich: Sinnsuche, Strategie, Aneignen von Wissen, Personalfr­age. Daran gibt es nichts zu rütteln. Wer das macht, überlebt. Egal ob ein Anglervere­in oder die SPÖ.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER SPÖ-Chef Christian Kern will wieder Erster werden.
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Othmar Hill: Der Wirtschaft­spsycholog­e berät mit seinem Unternehme­n HILL Internatio­nal Manager und Firmen.

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