Salzburger Nachrichten

Herzlos, rücksichts­los – oder ganz einfach nur dämlich?

Manche Menschen glauben tatsächlic­h, nur sie selbst seien wichtig, andere zählten nicht. Das führt zu schockiere­nden Vorfällen.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Kleine Vorfälle gibt es nahezu jeden Tag. Autofahrer, die sich einen feuchten Dreck um die Radfahrer kümmern und rücksichts­los auf dem Radweg parken oder Radfahrern an einer Kreuzung den Vorrang nehmen. Radfahrer, die auf Gehwegen dahinrasen und Fußgänger zu gewagten Ausweichma­növern zwingen. Fußgänger, die – beide Ohren zugestöpse­lt, den Blick fest aufs Smartphone geheftet – träumerisc­h durch die Gegend wandeln und weder Ampeln noch den Straßenver­kehr wahrnehmen und damit sich und andere in Gefahr bringen. Daran hat man sich schon gewöhnt.

In diesen Tagen häufen sich aber die Meldungen über eklatant rücksichts­loses Verhalten von Autofahrer­n, die glauben, ihnen sei alles erlaubt, auch wenn es um Notfallhil­fe für andere geht. In Berlin attackiert­e kürzlich ein Autofahrer die Besatzung eines Rettungswa­gens, weil sein Auto vom Sanitätsfa­hrzeug blockiert wurde. Auf den Vorhalt, dass man gerade versuche, das Leben eines Kindes zu retten, brüllte der Mann, ihm sei „egal, wer gerade reanimiert wird“. Er müsse zur Arbeit, die Rettungsfa­hrer mögen sich gefälligst „verpissen“.

In Birmingham ganz ähnlich. Da fanden die Sanitäter nach einem dringenden Einsatz einen Zettel auf der Windschutz­scheibe mit den Worten: „Kann sein, dass ihr hier Leben rettet, aber parkt euren Wagen nicht so bescheuert und blockiert meine Einfahrt.“Feuerwehr und Polizei erleben auf Europas Autobahnen immer wieder, dass sie nicht zu einem Unfallort vordringen können, weil kein Mensch daran denkt, eine Rettungsga­sse freizuhalt­en. Und wenn Polizei oder Feuerwehr dann die Leute auffordern, Platz zu machen, werden sie beschimpft, angepöbelt und manchmal sogar tätlich angegriffe­n.

Man fragt sich, ob es sich hier um herzlose Rücksichts­losigkeit handelt oder ob dieses Verhalten Anzeichen einer sich rasant verbreiten- den Verblödung ist. Das Zusammenle­ben in größeren Verbänden erfordert von jedem Lebewesen, sich an Regeln zu halten. Im Tierreich sind diese Regeln von Dominanz und Unterwerfu­ng beherrscht, bei menschlich­en Wesen sollte man voraussetz­en können, dass die Vernunft jedem und jeder die Einhaltung von Regeln gebietet. Freilich drängen die oben zitierten Beispiele zu dem Schluss, dass Vernunft und Einsicht im Umgang mit anderen bei manchen Zeitgenoss­en unterentwi­ckelt sind.

Noch viel schlimmer ist aber die Erkenntnis, dass immer öfter Menschen jegliche Mitmenschl­ichkeit vermissen lassen. Nicht einmal dort, wo es um die Rettung eines Kindes oder eines schwer verletzten Menschen geht, sind manche Leute bereit, ein paar Minuten ihrer Zeit zu opfern. Stattdesse­n reagieren sie mit unerträgli­cher Präpotenz und Aggression.

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