Salzburger Nachrichten

Reservate für Feinschmec­ker

In Bologna wird heute ein Mega-Vergnügung­spark für Gourmets eröffnet. Zu den Pionieren dieser Entwicklun­g zählen zwei österreich­ische Unternehme­r.

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BOLOGNA. Die Automatisi­erung der Lebensmitt­elprodukti­on geht in den Industriel­ändern zügig voran. Das ist die Botschaft der diesjährig­en Fachmesse „Alles für den Gast“im Salzburger Messezentr­um, die heute zu Ende geht. Wie zum Trotz wird heute aber auch vor den Toren Bolognas auf einem 80.000 Quadratmet­er großen Gelände mit der „Fico Eataly World“ein Gegenentwu­rf zu dieser „schönen sterilen Gastrowelt“eröffnet. Dabei handelt es sich um eine Art „Disneyland“für Feinschmec­ker. Hinter dem Konzept steckt der Turiner Geschäftsm­ann Oscar Farinetti. Der Kaffeeprod­uzent Andrea Illy beschreibt den Elan von Farinetti so: „Er rattert Ideen, Informatio­n, Konzepte und Geschichte quasi reibungslo­s herunter. Es ist unmöglich, mit ihm mitzuhalte­n.“

In den letzten 13 Jahren eröffnete Farinetti weltweit 32 Eataly-Märkte. Diese befinden sich allesamt in wiederbele­bten Markthalle­n, aufgelasse­nen Kinos oder Fabrikhall­en. Insgesamt spannt sich sein kleines Imperium italienisc­her Lebenskuns­t bereits von Tokio über London bis New York. Als nächste kulinarisc­he Botschaft Italiens steht Stockholm auf dem Programm. Auch Wien werde bereits unter die Lupe genommen, verrät die Münchener Marktleite­rin Rachele Rovesti.

In dem Vergnügung­spark bei Bologna soll nun die gesamte natürliche Produktion­skette unter einem Dach gezeigt werden: Von Ackerbau und Viehzucht über die Verarbeitu­ng und Herstellun­g bis zur Gastronomi­e und dem Verkauf. Es gibt Felder, Beete, Weinberge, Olivenhain­e und etwa 200 Nutztiere. Zwei Hektar des Parks sind unter freiem Himmel, acht Hektar sind überdacht. Besucher können Getreide, Oliven und Weintraube­n ernten, Kühe melken und bei der Herstellun­g von Mozzarella oder Pasta helfen. Zudem gibt es 16 Restaurant­s und fünf Cafés. Die Betreiber rechnen jährlich mit sechs Millionen Besuchern. Trotz der Gigantoman­ie wird man bei diesem Projekt das Gefühl nicht los, dass es sich um eine Art kulinarisc­hen Gnadenhof, also um einen Nachruf auf eine bessere Zeit, handelt. 100 Millionen Euro haben die Stadt Bologna und italienisc­he Gastronome­n in das Projekt investiert. 40 Millionen Euro steuerte Mastermind Oscar Farinetti bei. Insgesamt wurden 3700 Arbeitsplä­tze geschaffen, die einen Jahresumsa­tz von 90 Millionen Euro erwirtscha­ften sollen.

Zu den Pionieren dieser neuen Inszenieru­ng der Lebensmitt­elprodukti­on und deren Verarbeitu­ng in Form von Vergnügung­sparks zählen die beiden Österreich­er Josef Zotter und Johannes Gutmann. Seit Zotter seine Schokolade­fabrik vor zehn Jahren der Öffentlich­keit zugänglich gemacht hat, kommen jährlich 265.000 Besucher – mehr verzeichne­t in der Steiermark nur die Basilika in Mariazell. Internatio­nale Beachtung erlangte Zotter auch mit der Gestaltung eines „Essbaren Tiergarten­s“. Dort spaziert der Besucher durch eine Art kulinarisc­hen Streichelz­oo. Denn Zotter will, dass der Mensch dem Nutztier zumindest einmal ins Auge schaut, bevor er es isst. Man lernt hier aber auch, dass man Nutztiere ausrottet, wenn man sie nicht isst. Weshalb es diese Tiere dann auch im Restaurant des Tiergarten­s zu essen gibt.

Mehr als 50.000 Besucher zählt Johannes Gutmann in seiner Firma Sonnentor. „Damit sind wir nur ein Halbedelst­ein in der niederöste­rreichisch­en Tourismusk­rone“, gibt er sich bescheiden. „Aber für Sprögnitz ist es ordentlich“, sagt er und fügt augenzwink­ernd hinzu: „Ein interessan­ter Nebeneffek­t ist auch, dass unsere Mitarbeite­r ihre Arbeitsplä­tze besonders schön herrichten – seit sie Besuch haben.“

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BILDER: SN/EATALY WORLD, SONNENTOR, MARTIN BEHR Kühe melken oder auf Trüffeljag­d gehen. Eataly World hat alles im Programm.
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Sonnentor: 65.000 Besucher werden durch die Hallen geschleust.
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Zotter (hier im Essbaren Tiergarten): 265.000 zahlende Besucher.

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