Das dünne Seil zwischen Toten und Lebenden
Auf der Slackline über Utah oder in den Höhlen des Untersbergs – beim Bergfilmfestival in Salzburg geht es an die Grenze des Daseins.
Als es vor drei Jahren in den Tiefen des Untersbergs um Leben und Tod ging, war Georg Zagler dabei. Er kennt die Unterwelt des mythischen Berges wie kaum ein anderer. Tage verbringt er in dem riesigen Höhlensystem. Neun Tage war er dabei, als es im Juni 2014 darum ging, seinen schwer verletzten Kollegen Johann Westhauser aus der Riesending-Höhle zu bergen. Es war eine der größten Rettungsaktionen in den Alpen.
Zaglers Erinnerung darin ist wach. Das zeigt der Dokumentarfilm „Life In Four Elements“. Dieser Film, der heuer beim Festival „Abenteuer Berg – Abenteuer Film“im Salzburger Das Kino laufen wird, spürt auch der Welt im Untersberg nach. Die finnische Regisseurin Natalie Hallas hat sich für die „four elements“Erde, Wasser, Feuer und Luft Protagonisten gesucht, eine Taucherin, einen Feuerwehrmann, einen Paragleiter und den Höhlenforscher Zagler. Er steht für das Element Erde, aus deren Innerem er und seine Kollegen einen Mann aus schier aussichtsloser Lage wieder ans Licht bringen konnten.
Weit über der Erde schwebt hingegen Theo Sanson. 500 Meter lang ist die Slackline, die er zwischen zwei Felstürmen im Castle Valley in Utah spannen ließ. Allein die Arbeit, dieses Seil zu spannen, ergibt schon einen aufregenden Film. Dem Himmel nah ist Sanson in „Across the Sky“und dabei spürt er besonders intensiv, wie filigran das Dasein ist.
An der Grenze zwischen Irrsinn und Weltklasseleistung, zwischen totalem Risiko und Absturz, zwischen Egomanie und selbstverständlicher Aufopferung bewegen sich auch heuer einige Filme des Festivals. Zum 24. Mal findet es statt. Angelika Hinteregger leitet es zum ersten Mal. Sie folgte als Programmchefin des Festivals dem langjährigen Das-Kino-Geschäftsführer Michael Bilic, der mit Jahresbeginn in Pension gegangen ist. Der Blick auf die Geschichte von „Life In Four Elements“und also der Geschichte des stillen Helden Georg Zagler zeigt, dass es dem Festival nach knapp einem Vierteljahrhundert seiner Existenz längst nicht mehr um die irrste Route und den schnellsten Weg geht.
Das Genre Bergfilm war stets Moden und Ideologien unterworfen. Gleich nach seinem Auftauchen in den 1920er-Jahren wurde das Genre missbraucht von den Nazis. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es missbraucht von der beginnenden Tourismusindustrie. Geschickt eingesetzt als Marketing-Spielzeug wird es seit den 1980er-Jahren. Vieles, was an Extrem-Abenteuerfilmen produziert wird, dient oft bloß als Reklame für Brausegetränke oder Outdoor-Outfit. Von Marketing-Schmäh im Tiefschnee, von Effekthascherei und Sensationsgier hält sich das Festival so weit es geht fern. Und mittlerweile ist das Genre auch so breit aufgestellt, dass man aus dem Vollen schöpfen kann. Ein paar Hundert Filme sieht Hinteregger, bevor sie ihre Auswahl trifft. Gezeigt werden Filme gezeigt. Dazu kommen Vorträge und die Ausstellung „Mythos Traunstein“, jener Berg im Salzkammergut, auf dem in Österreich die meisten Bergsteiger ums Leben kommen.
Einen Toten gibt es heuer auch zu beklagen. Norman G. Dyhrenfurth starb im vergangenen September im Alter von 99 Jahren. Dem Salzburger Festival war er aus zwei Gründen immer wichtiger Begleiter: Als herausragender Bergsteiger – als erster schaffte er eine EverestÜberschreitung – kennt er die Problematik der Natur und er kennt das Filmgeschäft. Er drehte neben Expeditionsund Kulturfilmen auch Spielfilme. Ihm wird beim Festival ein ganzer Tag gewidmet.
„Es geht um Abenteuer und auch Extreme, aber es geht auch um Landschaften und das Leben der Menschen“, sagte Hinteregger. So wird sich ein Schwerpunkt mit den Sherpas und ihrer Rolle in der Expeditionsindustrie auseinandersetzen. Diese Volksgruppe sieht sich durch die Kommerzialisierung der Himalaya-Region besonderen Aufgaben gegenübergestellt. Dazu kommt, dass Naturkatastrophen wie das Erdbeben vor zwei Jahren das Leben nachhaltig erschüttern. Erstmals im Programm ist ein Spielfilm. In „Der Mann im Eis“wird die Geschichte der Gletschermumie Ötzi thematisiert. Und erstmals gibt es heuer auch einen Wettbewerb für Filme übers Bouldern und Klettern. Es gab dafür 20 Einreichungen.
Filmfestival: Abenteuer Berg – Abenteuer Film. Eröffnet wird das Festival heute, Mittwoch, im Stadtkino Hallein mit dem Adam Ondra, dem derzeit besten Kletterer der Welt. Infos und Ticket: www.daskino.at