Plagiatsvorwurf: Rošˇci´c behält Titel, Gutachter entsetzt
Für Unverständnis sorgt der Entscheid der Uni Wien im Fall des designierten Staatsopern-Direktors Bogdan Roščić.
WIEN. „Die Arbeit ist so katastrophal schlecht, dass ich die Entscheidung nicht nachvollziehen kann“, sagt Professor Stefan Müller-Doohm von der Universität Oldenburg. Der Wissenschafter lieferte das Erstgutachten für Bogdan Roščićs Doktorarbeit aus dem Jahr 1988 mit dem Titel „Gesellschaftstheorie als kritische Theorie des Subjekts: zur Gesellschaftstheorie Th. W. Adornos“.
Notwendig wurde das, weil der Salzburger „Plagiatsjäger“Stefan Weber im Frühjahr 2017 Anzeige bei der Uni Wien eingebracht hatte; zumindest die Einleitung aus Roščićs Arbeit sei ein Plagiat, also geistiger Diebstahl. So lautete sein Vorwurf. Die Universität leitete daraufhin ein Plagiatsprüfungsverfahren ein und ließ die Dissertation von externen Gutachtern prüfen.
Am Dienstag dann die Entscheidung: In einer Aussendung hieß es, dass die in der Arbeit vorhandenen Textgleichheiten „mit einer anderen Dissertation weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht für die Arbeit relevant“seien. „Eine Täuschungsabsicht zur Erschleichung eines akademischen Grades ist nicht erkennbar. Das Verfahren wird eingestellt, der akademische Grad nicht aberkannt.“
Erstgutachter Müller-Doohm, der weithin als Adorno-Experte gilt, hat jedoch in seiner schriftlichen Stellungnahme an die Uni Wien nahegelegt, Roščić den Doktortitel abzuerkennen. „Sechs Seiten aus der Einleitung sind ein eindeutiges Plagiat. Darin entwickelt der Autor noch dazu eine Hauptthese seiner Arbeit. Bei der Dissertation handelt es sich um keine eigenständig entwickelte Leistung“, sagt MüllerDoohm. Auch der Gesamtstil von Roščićs Dissertation lasse zu wünschen übrig und habe keinen Bestand: „Sie ist nur 120 Seiten lang. Die Hälfte sind Zitate aus Adornos Schriften. Ich hätte so etwas nicht einmal als Magisterarbeit durchgehen lassen.“
Die SN haben die Uni Wien mit Müller-Doohms Kritik konfrontiert. Sprecherin Cornelia Blum: „Grundsätzlich handelte es sich um ein internes Verfahren. Gutachten bilden eine Entscheidungsgrundlage. Es ist Ermessenssache der Universität, wem sie folgt.“
Müller-Doohm kündigte an, Kontakt mit Wien aufzunehmen, um zu hören, wie Entscheidung und Begründung zustande kamen. „Der Zweitgutachter, dem man offenbar folgte, hat vorsichtiger formuliert, ist jedoch in die Arbeit nicht so intensiv eingestiegen.“Der 53-jährige gebürtige Serbe Bogdan Roščić war im Dezember 2016 als neuer Staatsopern-Direktor vorgeschlagen worden. Bekannt wurde er als Plattenboss sowie als Senderchef von Ö3.