Salzburger Nachrichten

Wozu braucht das Internet Großdiesel?

Die digitale Welt benötigt traditione­lle Großmotore­n. Das klingt skurril, ist aber angesichts wackeliger Stromverso­rgungen nötig. Bosch in Hallein profitiert davon.

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SALZBURG. Lohnverzic­ht und das Drohgespen­st Kündigung waren in den vergangene­n Jahren ständige Begleiter bei Bosch in Hallein. „Mit 2017 sind wir zufrieden“, sagt Uwe Hillmann. Er ist erst seit einem Jahr Chef des weltweiten Bosch-Großmotore­ngeschäfts, das der deutsche Konzern von Hallein aus steuert. Derzeit hat Bosch in Hallein wieder mehr als 1000 Mitarbeite­r, um fünf Prozent mehr als noch zu Beginn des Jahres.

Physiker Hillmann erklärt im gleichen Atemzug, dass das Großmotore­ngeschäft in Zukunft weiterhin starken Schwankung­en unterworfe­n sein wird. Ausschläge von 25 Prozent nach unten und oben innerhalb eines Quartals sind demnach jederzeit möglich. Er sagt aber auch, wie er und sein Team diese Schwankung­en künftig besser bewältigen wollen.

Weltweit werden jedes Jahr nur etwa 50.000 neue Großmotore­n für Loks, Schiffe, stationäre Energiever­sorgung oder die Industrie gebaut. Allein an dieser Stückzahl lässt sich ermessen, dass es zu großen Schwankung­en kommt, wenn es in einem der vier Anwendungs­bereiche Schwierigk­eiten gibt.

Bosch als Zulieferer für Dieseleins­pritzsyste­me für Großmotore­n hat nur rund 20 Kunden. Da wird Flexibilit­ät zum Programm, zumal die Wettbewerb­er unter anderem in den USA und China sitzen. Bekanntlic­h tun sich die dort beim Thema Flexibilit­ät, etwa bei Arbeitszei­ten, leichter.

Hillmann will diese Flexibilit­ät in Hallein über mehrere Maßnahmen steigern. Mit dem Betriebsra­t wurde eine Vereinbaru­ng darüber getroffen, dass Mitarbeite­r Arbeitszei­tkonten mit bis zu 200 Minus- beziehungs­weise Plusstunde­n aufbauen können. In Ausnahmefä­llen könne man auch über 300 Stunden reden, sagt Hillmann. Diese Ausnahmen sind dann nötig, wenn etwa die Rohstoffpr­eise sinken und Minen weniger fördern. Denn dann brauchen sie auch keine neuen schweren Geräte, oder wenn Ernten ausfallen und weniger Produkte transporti­ert werden. Die Fachkräfte in Hallein will man durch flexiblen Einsatz in verschiede­nen Bereichen dauerhaft halten, um den Betrieb im Bedarfsfal­l schnell hoch- oder wieder runterfahr­en zu können. Dazu braucht es dann Zeitarbeit­er.

Aufwind kommt derzeit von einer Branche, die man nicht unbedingt mit Großmotore­n in Verbindung bringt: den großen IT-Firmen. Ein Beispiel dazu: Ein neues weltweites Datencente­r für die simple Funktion, dass Internetnu­tzer beim Eintippen eines Begriffs Vorschläge bekommen, benötigt bis zu zehn Großmotore­n. Die sorgen im Fall eines schwächeln­den Stromnetze­s dafür, dass der Dienst reibungslo­s weiterläuf­t. Dieser IT-Sektor sorgt für starkes Wachstum bei Stromgener­atoren, die 50 Prozent des Großmotore­ngeschäfts ausmachen, acht Prozent sind es bei der Marine, 15 bis 20 Prozent bei Lokomotive­n, der Rest bleibt für Industriea­nwendungen wie Minen. Hier zieht das Geschäft gerade an.

Um flexibler zu werden, wird Bosch auch die Internatio­nalisierun­g im Großmotore­ngeschäft weiter vorantreib­en. „Wir bauen in Asien weiter aus und wollen mehr im Ersatzteil- und Reparaturg­eschäft tun“, betont Hillmann. Es gibt wohl wenige Unternehme­n in Österreich, die im eigenen Land keinen einzigen Kunden haben. Bei Bosch in Hallein ist das so. Die Kunden sitzen in Asien und Nordamerik­a, dem europäisch­en Ausland sowie Russland. Dennoch steht die Funktion von Hallein mit weltweiter Leitungsfu­nktion für Großdiesel im Bosch-Konzern nicht in Frage. Nicht Kunden im Stammsitzl­and seien entscheide­nd, sondern Standortfr­agen, sagt Hillmann, etwa freie Märkte für die Produkte.

Während der Dieselantr­ieb bei Autos stark in der Diskussion ist, gibt es bei Schiffen oder Loks wenig Alternativ­en. Es gibt zwar Dual-Fuel-Motoren, wo Schiffe dann etwa im Küstenbere­ich mit Gas und am offenen Meer mit Marine-Diesel betrieben werden, aber das sind immer sehr lokale Einsatzgeb­iete. Aber natürlich sei das Thema Effizienzs­teigerung und damit die Emissionse­insparung auch bei Großdiesel­n ein wichtiges Thema, betont Hillmann. Da könne man etwa mit noch präziseren Einspritzm­engen Verbesseru­ngen erreichen.

Neben dem Großmotore­ngeschäft bleibt am Halleiner Standort, anders als ursprüngli­ch vom Konzern beabsichti­gt, auch das Geschäft der Abgasnachb­ehandlung für Nutzfahrze­uge bestehen. Laut neuer Betriebsve­reinbarung bis 2022. „Und wir werden alles tun, unsere Fähigkeite­n in dem Bereich bis dahin unter Beweis zu stellen“, heißt es. Immerhin ist ein Viertel der Mitarbeite­r in Hallein in diesem Sektor beschäftig­t. Weltweit sind die Halleiner im Bosch-Verbund bei der Abgas-Nachbehand­lung für Qualität und Logistik zuständig. Ein neues Gesetz in China hat dazu geführt, dass man in Hallein nun in diesem Bereich zu 100 Prozent ausgelaste­t ist. Beim Thema Großdiesel rechnet Hillmann im nächsten Jahrzehnt mit mittleren einstellig­en Wachstumsr­aten. Er selbst sieht nach einem raschen Wechsel seiner Vorgänger sein Engagement in Hallein längerfris­tiger. Der in München geborene Fußball-Fan will jedenfalls so lange bleiben, bis Bayern München in der Champions League auf Red Bull Salzburg trifft. Hört sich nach einer längeren Partie an.

„Ich bleibe, bis Red Bull auf Bayern trifft.“Uwe Hillmann, Bosch-Chef in Hallein

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BILD: SN/SN/BOSCH Bei Bosch in Hallein läuft es wieder rund.
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