Salzburger Nachrichten

Kränkung muss nicht krank machen

Es ist nicht nur möglich, Kränkungen zu bewältigen, sondern man kann sie sogar nutzbar machen.

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Wer kennt sie nicht, die Macht der Kränkung? Sie ergreift die Seele und den Körper, vergiftet und zerstört die Beziehunge­n, erzeugt Scham, Schuld und Verbitteru­ng. Jeder erlebt kleine und große Kränkungen und die damit verbundene­n Beschädigu­ngen der eigenen Person, aber zugleich ist jeder in der Lage, andere zu kränken – und tut dies auch: Irgendwann im Laufe des Lebens verletzen wir (ob wir das nun wollen oder nicht) den anderen, kränken aus Gedankenlo­sigkeit, Absicht oder Wut. Wenn es dann passiert ist, und wir zu Opfern oder Tätern geworden sind, ist guter Rat teuer, die Überwindun­g von Kränkungen eine Aufgabe, an der wir allzu oft scheitern.

Aber es ist möglich, ja sogar für die Seelenhygi­ene notwendig, sich mit Kränkungen auseinande­rzusetzen. Und es gibt Möglichkei­ten, die wir, je nach eigener Verfassung und inneren Fähigkeite­n, ergreifen können. Nicht über den eigenen Schatten springen, aber in einem anderen Licht diesen Schatten verringern oder sogar zum Verschwind­en bringen. Dann muss Kränkung nicht mehr krank machen, dann können wir aus dem Teufelskre­is von Kränkung, Verbitteru­ng, Wut und Zerstörung aussteigen und die verletzte Seele wieder gesunden lassen. Damit schützen wir auch unsere Beziehunge­n, welche oft der Kränkung zum Opfer fallen, und nicht zuletzt auch unseren eigenen Körper, welcher – als psychosoma­tischer Kollateral­schaden – oft durch die Kränkung mit erkrankt.

Dabei ist es nicht nur möglich, Kränkungen zu bewältigen, sondern sogar, sie nutzbar zu machen, für die Selbsterke­nntnis, die Neuorienti­erung und den Gewinn neuer Bedeutunge­n (Re-Signation), oder auch, sich vor Kränkungen zu schützen. Wir können uns wappnen und unsere Resilienz (= Widerstand­sfähigkeit) stärken, unsere inneren Abwehrkräf­te genauso unterstütz­en wie jene gegen äußere Krankheits­erreger. Wir können Widerstand­skräfte aufbauen, uns gleichsam „immunisier­en“gegen die großen, schweren und gefährlich­en Verletzung­en, welche die eigene Seele durch andere Menschen erleiden kann.

Dies schützt nicht vor den Kränkungen selbst, die wir im Lebenslauf immer und immer wieder erfahren werden. Aber es hilft uns, leichter mit ihnen fertigzuwe­rden, sie zu bedenken, zu bewältigen und zu beenden – und damit trotz erfahrener Kränkungen körperlich und seelisch gesund zu bleiben. Dr. med. Bodo Kirchner, Facharzt für Innere Medizin, Psychoanal­ytiker, Psychother­apeut, Coach und Supervisor. Psychologi­sche Hilfe auch auf: WWW.KURATORIUM-PSYCHISCHE-GESUNDHEIT.AT. Hotline: 0664/1008001

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SN PRAXIS Bodo Kirchner

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