Kränkung muss nicht krank machen
Es ist nicht nur möglich, Kränkungen zu bewältigen, sondern man kann sie sogar nutzbar machen.
Wer kennt sie nicht, die Macht der Kränkung? Sie ergreift die Seele und den Körper, vergiftet und zerstört die Beziehungen, erzeugt Scham, Schuld und Verbitterung. Jeder erlebt kleine und große Kränkungen und die damit verbundenen Beschädigungen der eigenen Person, aber zugleich ist jeder in der Lage, andere zu kränken – und tut dies auch: Irgendwann im Laufe des Lebens verletzen wir (ob wir das nun wollen oder nicht) den anderen, kränken aus Gedankenlosigkeit, Absicht oder Wut. Wenn es dann passiert ist, und wir zu Opfern oder Tätern geworden sind, ist guter Rat teuer, die Überwindung von Kränkungen eine Aufgabe, an der wir allzu oft scheitern.
Aber es ist möglich, ja sogar für die Seelenhygiene notwendig, sich mit Kränkungen auseinanderzusetzen. Und es gibt Möglichkeiten, die wir, je nach eigener Verfassung und inneren Fähigkeiten, ergreifen können. Nicht über den eigenen Schatten springen, aber in einem anderen Licht diesen Schatten verringern oder sogar zum Verschwinden bringen. Dann muss Kränkung nicht mehr krank machen, dann können wir aus dem Teufelskreis von Kränkung, Verbitterung, Wut und Zerstörung aussteigen und die verletzte Seele wieder gesunden lassen. Damit schützen wir auch unsere Beziehungen, welche oft der Kränkung zum Opfer fallen, und nicht zuletzt auch unseren eigenen Körper, welcher – als psychosomatischer Kollateralschaden – oft durch die Kränkung mit erkrankt.
Dabei ist es nicht nur möglich, Kränkungen zu bewältigen, sondern sogar, sie nutzbar zu machen, für die Selbsterkenntnis, die Neuorientierung und den Gewinn neuer Bedeutungen (Re-Signation), oder auch, sich vor Kränkungen zu schützen. Wir können uns wappnen und unsere Resilienz (= Widerstandsfähigkeit) stärken, unsere inneren Abwehrkräfte genauso unterstützen wie jene gegen äußere Krankheitserreger. Wir können Widerstandskräfte aufbauen, uns gleichsam „immunisieren“gegen die großen, schweren und gefährlichen Verletzungen, welche die eigene Seele durch andere Menschen erleiden kann.
Dies schützt nicht vor den Kränkungen selbst, die wir im Lebenslauf immer und immer wieder erfahren werden. Aber es hilft uns, leichter mit ihnen fertigzuwerden, sie zu bedenken, zu bewältigen und zu beenden – und damit trotz erfahrener Kränkungen körperlich und seelisch gesund zu bleiben. Dr. med. Bodo Kirchner, Facharzt für Innere Medizin, Psychoanalytiker, Psychotherapeut, Coach und Supervisor. Psychologische Hilfe auch auf: WWW.KURATORIUM-PSYCHISCHE-GESUNDHEIT.AT. Hotline: 0664/1008001