Salzburger Nachrichten

Grados goldene Jahre aus der Feder einer Frau

- I.b.

Ist nicht schon alles über Grado gesagt? Doch, möchte man meinen. Bis man das gelesen hat, was Emma Auchentall­er vor gut 100 Jahren aus Grado an ihre Eltern schrieb. Das Herz an ihren Urlaubsort verloren haben schon viele; aber die allerwenig­sten so, dass sie ihm ihr Lebenswerk widmen. Emma schon. Selbst wenn dafür eine alte Festung abgerissen werden musste.

Die Ehefrau des Wiener Secessioni­sten Josef Maria Auchentall­er wird zu einer Schlüsself­igur in dem damals noch verschlafe­nen und nur per Schiff erreichbar­en Lagunenstä­dtchen. Und sie trägt als Gründerin und zupackende Betreiberi­n des Hotels Fortino ihren Teil zu den goldenen Jahren Grados bei. Im Fortino gibt sich alles, was in der Kaiserstad­t Wien Rang und Namen hat, die Klinke in die Hand. Bis der Erste Weltkrieg dem Boom ein abruptes Ende setzt.

Christine Casapicola hat schon einige Bücher über die Spuren Altösterre­ichs in seinem einstigen „Küstenland“geschriebe­n. Immer aus der Perspektiv­e der Menschen, die dort leben oder lebten. Diesmal lässt sie ausschließ­lich Emma Auchentall­er erzählen. Möglich machen das die vielen Briefe, die Emma den Eltern, die maßgeblich zur Verwirklic­hung ihres Traums beigetrage­n hatten, schrieb. Diese familiäre Note macht auch den zusätzlich­en Reiz dieses Zeitdokume­nts aus Frauensich­t aus – und das ist es zweifellos. Ob es um MiniDetail­s für die Ausstattun­g ihres Hotels, um die mit jeder Saison wiederkehr­enden Personalnö­te oder einen die Sommerfris­chler vertreiben­den Keuchhuste­nfall geht, ob um lokale Politintri­gen, die verheerend­e Sturmflut von 1910 oder die Vorboten des Krieges: Aus Emma sprudelt es nur so heraus.

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Das berühmte Josef-Maria-Auchentall­er-Sujet aus dem Jahr 1906 kennt jeder Grado-Fan: Es zeigt seine Frau Emma (r.) und deren Schwester Martha Thonet am Strand. Nun kommt Emma ausführlic­h zu Wort.
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Christine Casapicola: Emma Auchentall­er: Briefe aus Grado, 1900– 1912, 368 reich bebilderte Seiten, Verlag Braitan.

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