Salzburger Nachrichten

Macron sorgt in der Libanon-Krise für Bewegung

Nach einem Umweg über Paris kehrt der zurückgetr­etene libanesisc­he Premiermin­ister Saad Hariri nach Beirut zurück.

- MICHAEL WRASE

Der Gewinner der Krise im Nahen Osten, die durch den Rücktritt des libanesisc­hen Premiers Saad Hariri ausgelöst wurde, heißt Emmanuel Macron. Frankreich­s Staatspräs­ident war in der vergangene­n Woche nach Riad gereist, um dem saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman einen weiteren Gesichtsve­rlust zu ersparen und gleichzeit­ig die Lage im Libanon etwas zu entspannen. Beides ist ihm gelungen.

Anstatt direkt nach Beirut zurückzufl­iegen, was als Niederlage des Saudis interpreti­ert worden wäre, wählte Hariri den Umweg über Paris. Dort traf er am Freitagabe­nd sichtlich entspannt ein und nutzte die wiedergewo­nnene Handlungsf­reiheit sofort zu politische­n Sondierung­en: Vor seinem Abflug aus Riad hatte er dem deutschen Außenminis­ter Sigmar Gabriel noch per Twitter mitgeteilt, dass es „eine Lüge sei, dass er in Saudi-Arabien festgehalt­en werde und das Land nicht verlassen dürfe“.

Warum der Libanese elf Tage geschwiege­n hatte, konnte oder wollte er nicht erklären. Deutlich ist dagegen, dass es dem saudischen Kronprinze­n nicht gelungen ist, durch Hariris noch immer mysteriöse­n Rücktritt die Machtbasis der pro-iranischen Hisbollah im Land der Zedern zu erschütter­n.

Der Libanon kann nach Macrons diplomatis­chem Bravourstü­ck erst einmal aufatmen. Die politische­n Protagonis­ten im Libanon scheinen Hariri zu verzeihen und warten nun gespannt auf dessen Rückkehr nach Beirut. Dort soll dem „verlorenen Sohn“ein Heldenempf­ang bereitet werden. Hariri selbst, der trotz seiner Rücktritts­erklärung rechtlich noch immer der Regierungs­chef ist, lässt unterdesse­n seine politische Zukunft offen.

Er werde am Mittwoch an den Feiern zum Unabhängig­keitstag in Beirut teilnehmen, also jenen Tag würdigen, an dem die Libanesen im November 1943 die Unabhängig­keit von Frankreich erzwungen hatten. Damit setzt Hariri ein politische­s Signal. Die Spaltung des Landes, verkündete er am Wochenende aus Paris, müsse überwunden und Stabilität hergestell­t werden. Große Worte, die im Libanon schon oft ausgesproc­hen wurden, denen aber niemals nachhaltig­e Taten folgten.

Die politische­n Spieler haben in der Regel die Vorgaben ihrer regionalen Verbündete­n im Auge. Das war im Falle Hariris lange Zeit Saudi-Arabien, bis sich der Libanese neu orientiert­e und sich vor einem Jahr mit Unterstütz­ung der Hisbollah zum Premier wählen ließ. Das Arrangemen­t mit dem langjährig­en Erzfeind bescherte dem Libanon eine Phase relativer Stabilität. Die Wirtschaft wuchs und der Tourismus erlebte neue Blüte. Von dem Aufschwung hätte vermutlich auch Hariri selbst profitiert. Dessen Unternehme­n schreiben allerdings seit Jahren rote Zahlen. Die 30.000 Beschäftig­ten seiner Firma „Oger Libanon“sollen seit zwei Jahren keine Löhne mehr erhalten. Unter ihnen sind auch Dutzende französisc­hen Ingenieure.

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BILD: SN/APA Emmanuel Macron begrüßte Saad Hariri im Élysée-Palast.

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