Salzburger Nachrichten

„Wir reden derzeit nur über etwa zwei Prozent der Kosten“

Durch die Zusammenle­gung von Krankenkas­sen werde nicht plötzlich Milch und Honig fließen, sagt der Vizeobmann der SVA. Da seien andere, grundlegen­de Reformen notwendig.

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WIEN. Österreich­s Sozialvers­icherungen stehen auf dem Prüfstand. Bei den Koalitions­verhandlun­gen zwischen ÖVP und FPÖ wird auch über eine Zusammenle­gung, vor allem der Krankenkas­sen, gesprochen. Neben den neun Gebietskra­nkenkassen gibt es in Österreich noch die SVA der Gewerblich­en Wirtschaft und die SVB der Bauern sowie die Beamtenver­sicherung. Dazu kommen fünf Betriebskr­ankenkasse­n, etwa die der ÖBB, und 15 Krankenfür­sorgeansta­lten für Landes- und Gemeindebe­amte. Die Allgemeine Unfallvers­icherung (AUVA) und die Pensionsve­rsicherung­sanstalt runden das Angebot an Sozialvers­icherungst­rägern ab. Das Ziel der geplanten Reform: mehr Transparen­z und günstigere Verwaltung­skosten.

Der Vizeobmann der Sozialvers­icherung der Gewerblich­en Wirtschaft, Alexander Herzog, weist nun darauf hin, dass eine Zusammenle­gung der Krankenkas­sen allein die Probleme im Gesundheit­swesen nicht lösen wird. „Bei der SVA betragen die Verwaltung­skosten etwa zwei Prozent des Gesamtbudg­ets, bei der Zusammenle­gung reden wird genau über diese Kosten“, sagt Herzog. Natürlich könne man über eine Zusammenle­gung diskutiere­n, es gebe ja entspreche­nde Konzepte.

Eines hat auch die Wirtschaft­skammer präsentier­t. Dieses sieht ein „Fünf-Träger-Modell“vor: Statt einer Vielzahl an Sozialvers­icherungst­rägern sollte es nur mehr deren fünf geben. Die neun Gebietskra­nkenkassen würden zu einer einzigen Krankenkas­se zusammenge­legt, die aber neun Landesorga­nisationen haben soll. Damit würde die Steuerbark­eit der Krankenver­sicherung erhöht, die föderale Struk- tur aber erhalten bleiben. Die SVA der Gewerblich­en Wirtschaft und die SVB der Bauern sollten zu einem einzigen Träger für Selbststän­dige zusammenge­legt werden. Erhalten bleiben sollten die Versicheru­ngsanstalt der öffentlich Bedienstet­en, die Pensionsve­rsicherung­sanstalt PVA und Unfallvers­icherungsa­nstalt AUVA.

„Wer allerdings glaubt, dass nach einer Reform Milch und Honig im Gesundheit­ssystem fließen, der irrt“, sagt Herzog. Zum einen, weil eine Zusammenle­gung der Kassen nicht über Nacht passiert. Er rechnet mit fünf bis zehn Jahren, bis eine Fusion wirklich vollzogen ist. Zum anderen, weil eine Reform des Gesundheit­swesens viel tiefer in die Strukturen eingreifen müsste. Herzog sagt, dass alle Ausgaben für die Gesundheit in einen Finanzieru­ngstopf fließen müssten, von dort könnten sie dann verteilt werden. Erst dann werde es möglich, etwa eine Reform im Spitalsber­eich anzugehen und Mittel in den niedergela­ssenen Bereich umzuschich­ten. Und das sei „unbedingt notwendig, um das Gesundheit­ssystem weiter finanziere­n zu können“. Derzeit sind für die Finanzieru­ng des niedergela­ssenen Bereichs die Krankenkas­sen zuständig, für die Spitäler die Länder. Wobei Bund und Kassen hier einen Anteil leisten. So überweist die SVA etwa ein Drittel ihres Budgets an die Spitäler, ohne dort auch mitentsche­iden zu können.

Am meisten vermisst Herzog aber grundsätzl­iche Vorgaben der Politik, etwa dass alles getan werden muss, damit die Menschen in Österreich länger gesund bleiben und dass die Zahl der Menschen mit Übergewich­t deutlich reduziert wird.

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BILD: SN/JONAS GLAUBITZ - STOCK.ADOBE.COM Die Fusion der Krankenver­sicherunge­n allein bringt noch kein effiziente­res Gesundheit­ssystem.

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